Änderung der Verordnung zum Arbeitsgesetz (ArGV 1) betreffend Arbeits- und Ruhezeiten sowie medizinischen Eignungsuntersuchungen bei Nachtarbeit

Der Bundesrat hat am 18. September 2020 eine Änderung der Verordnung zum Arbeitsgesetz (ArGV 1) beschlossen. Das Ziel ist, Unklarheiten in der Anwendung von Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen zu bereinigen und diese an die bisher entwickelte Praxis anzupassen. Mit der Verordnungsänderung wurden einzelne Bestimmungen über die Arbeits- und Ruhezeiten angepasst. Inhaltlich geht es dabei hauptsächlich um die Klärung von Fragen, welche sich regelmässig bei der Anwendung der Verordnung stellen und um die Anpassung der Normtexte an die Praxis. Beispielsweise wird festgehalten, wie die Anrechnung der Arbeitszeit bei der Hin- und Rückreise im Rahmen von Dienstreisen ins Ausland erfolgt und dass die Arbeitswoche zur Bestimmung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von Montag 00:00 bis Sonntag 24:00 Uhr läuft. Die Änderung klärt zudem formelle Fragen im Zusammenhang mit der medizinischen Eignungsuntersuchung bei dauernder Nachtarbeit. Beispielsweise kann diese Untersuchung neu mit der verkehrsmedizinischen Untersuchung gemäss Verkehrszulassungsverordnung zusammengelegt werden. Es wird zudem klargestellt, dass das Ergebnis der medizinischen Untersuchung nicht dem SECO zugestellt werden muss. Die Betriebe haben die diesbezüglichen Unterlagen den Vollzugs- und Aufsichtsorganen für den Fall einer Betriebskontrolle zur Verfügung zu halten.

Erläuterungen des Bundesrates Änderung der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz (ArGV 1)

Die vorliegende Revision hat verschiedene Präzisierungen und formelle Anpassungen der ArGV 1 zum Inhalt, welche für die Betriebe und Inspektorate eine Vereinfachung in der Anwendung des Arbeitsgesetzes bringen.

Art. 13 Abs. 3bis ArGV 1: Dienstreisen ins Ausland

Vorbemerkung betreffend Abs. 1: Die aktuelle Fassung auf Deutsch lautet «der Weg zu und von der Arbeit gilt nicht als Arbeitszeit». Die französische und die italienische Fassung sind insofern präziser, dass es nicht um den Weg, sondern um die Zeit geht, die für den Weg eingesetzt wird. Die deutsche Fassung wird dementsprechend angepasst.

Bei Dienstreisen ins Ausland stellt sich immer wieder die Frage, wie es sich mit der Anrechnung der Arbeitszeit verhält. Grundsätzlich gilt als Arbeitszeit diejenige Zeit, während der sich der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin zur Verfügung des Arbeitsgebers zu halten hat.

Das Arbeitsgesetz ist öffentliches Recht und es gilt somit das Territorialitätsprinzip. Das bedeutet, dass ein Vollzug des Arbeitsgesetzes und dessen Verordnungen auf das Territorium der Schweiz beschränkt ist und somit nur die in der Schweiz zurückgelegte Dienstreisezeit im Anwendungsbereich dieses Gesetzes liegt. Betreffend die Zeit, welche der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin ausserhalb der Schweizer Grenzen verbringt, gilt, was im Vertrag zwischen 2 Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerin vereinbart wurde, vorbehaltlich einer zwingenden Regelung des ausländischen Rechts.

Die neue Bestimmung bringt klar zum Ausdruck, dass mindestens die auf Schweizer Boden zurückgelegte Hin- und Rückreise im Rahmen von Dienstreisen ins Ausland vollständig als Arbeitszeit gilt, unabhängig vom verwendeten Transportmittel und auch ohne tatsächliche Arbeitstätigkeit. Wie bei Dienstreisen im Inland gilt nur die gegenüber der Fahrt zum gewöhnlichen Arbeitsort verursachte Zeitüberschreitung als Arbeitszeit (siehe Art. 13 Abs. 2 ArGV 1).

Um Klarheit bezüglich der Bewilligungserfordernis zu schaffen, hält die neue Bestimmung fest, dass Hin- und Rückreisen im Rahmen von Dienstreisen ins Ausland in der Nacht, an einem Sonntag oder an einem gesetzlichen Feiertag bewilligungsfrei erfolgen können. Es handelt sich jedoch nach wie vor um reguläre Arbeitszeit, weshalb die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes betreffend Lohn- und Zeitzuschläge sowie zu den Ersatzruhezeiteneinzuhalten sind. Demnach haben Arbeitgeber den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, die zu Dienstreisen an Sonn- und Feiertagen aufgeboten werden, Ersatzruhezeit zu gewähren und bei vorübergehender Sonntagsarbeit einen Lohnzuschlag von 50% zu bezahlen (vgl. Art. 20 ArG). Gemäss Art. 17b ArG ist dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für vorübergehende Nachtarbeit ein Lohnzuschlag von 25% zu bezahlen und bei dauernder oder regelmässig wiederkehrender Nachtarbeit eine Kompensation von 10% der Zeit, während der sie Nachtarbeit geleistet haben, zu gewähren.

Wie bei den übrigen Reisezeiten innerhalb der Schweiz (vgl. Art. 13 Abs. 3 ArGV 1), ist den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen auch bei Auslandreisen eine tägliche Ruhezeit von 11 Stunden zu gewähren, die mit dem Eintreffen des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin an seinem bzw. ihrem Wohnort zu laufen beginnt. Diese Mindestruhezeit hat zum Zweck, die gesundheitlichen Belastungen zu begrenzen und dient der Erholung.

Art. 16 Abs. 1 ArGV 1: Definition der Arbeitswoche

Die bisherige Bestimmung in Art. 16 Abs. 1 ArGV 1 zur Definition von Beginn und Ende der Woche hat in der Praxis zu unterschiedlichen Auslegungen geführt. Diese sieht vor, dass die Arbeitswoche mit dem Montag oder bei mehrschichtigen Systemen in der Sonntag- /Montagnacht beginnt und mit dem Sonntag endet. Sie definiert keine bestimmte Zeit für den Wochenbeginn und bei Arbeit im mehrschichtigen Arbeitsorganisationssystemen ist nicht klar, ob die Arbeitszeit der Nachtschicht zwischen Sonntag und Montag auf zwei Wochen verteilt werden darf oder ob sie ganz zur ersten oder zur zweiten Arbeitswoche zu zählen ist.

Um Klarheit zu schaffen sieht die neue Bestimmung vor, dass die Arbeitswoche im Normallfall mit dem Montag um 0 Uhr beginnt und mit dem darauffolgenden Sonntag um 24 Uhr endet. Die dazwischenliegenden Arbeitszeiten bilden somit die wöchentliche Arbeitszeit. Neu ist auch keine Unterscheidung zwischen Unternehmen mit zwei oder mehrschichtigen Arbeitszeitsystemen mehr vorgesehen.

Art. 32a ArGV 1: Lohnzuschlag und Ersatzruhe bei Sonntags- und Feiertagsarbeit

Sonntags- und Feiertagsarbeit ist mit grosser Zurückhaltung zu bewilligen und gemäss der Vorgabe des Gesetzgebers noch restriktiver als Nachtarbeit. Die Definition der vorübergehenden sowie der dauernden und regelmässig wiederkehrenden Sonntagsarbeit leitet sich derzeit von Art. 40 ArGV 1 ab, welcher die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen bezüglich der Erteilung von Arbeitszeitbewilligungen regelt. Der neue Art. 32a ArGV 1 enthält eine spezifische Regulierung des Lohnzuschlags und der Ersatzruhe bei Arbeitseinsätzen an Sonntagen und an den Sonntagen gleichgestellten Feiertagen, wie es sie für die Nachtarbeit in Art. 31 ArGV 1 bereits gibt.

Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit mehr als 6 Sonntags- bzw. Feiertagseinsätzen innerhalb eines Jahres leisten dauernde oder regelmässig wiederkehrende Sonntagsarbeit. Ihnen ist eine Ersatzruhe i.S.v. Art. 20 ArG zu gewähren: Sonntagsarbeit von einer Dauer bis zu 5 Stunden ist durch Freizeit 1:1 auszugleichen. Dauert sie länger, so ist während der vorhergehenden oder der nachfolgenden Woche im Anschluss an die tägliche Ruhezeit ein auf einen Arbeitstag fallender Ersatzruhetag von mindestens 24 aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren. Der Ersatzruhetag umfasst also insgesamt 35 Stunden.

Werden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen hingegen an bis zu 6 Sonntagen bzw. Feiertagen eingesetzt, leisten sie vorübergehende Sonntagsarbeit. Gemäss Art. 19 Abs. 3 ArG haben sie in diesem Fall, nebst der Ersatzruhe gemäss Art. 20 ArG, Anspruch auf einen Lohnzuschlag von 50%.

Stellt sich erst im Verlauf des Jahres heraus, dass ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin wider Erwarten Sonntagsarbeit an mehr als 6 Sonntagen bzw. Feiertagen pro Kalenderjahr zu leisten hat, so bleibt der Lohnzuschlag von 50% für die ersten 6 Sonntage bzw. Feiertage geschuldet. Diese Regelung entspricht der bisherigen Praxis und folgt derselben Logik wie Art. 31 ArGV 1 bezüglich Nachtarbeit.

Art. 39 Abs. 2 Bst. b ArGV 1: Präzisierung betreffend zusammengesetzter ununterbrochener Betrieb

Gemäss Art. 17a Abs. 2 ArG kann bei Nachtarbeit die tägliche Arbeitszeit in höchstens drei von sieben aufeinanderfolgenden Nächten bis zu zehn Stunden in einem Zeitraum von zwölf Stunden betragen. Beim zusammengesetzten ununterbrochenen Betrieb ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in Wochenendschichten zwischen Donnerstagabend und Montagmorgen zulässig. Dies bedeutet, dass insgesamt vier Nächte betroffen sein können. Art. 17a Abs. 2 ArG geht Art. 39 Abs. 2 Bst. b ArGV 1 vor. Dies bedeutet, dass sobald der Arbeitnehmende im Rahmen einer Wochenendschicht in einer Nacht 10 Stunden in einem Zeitraum von 12 Stunden beschäftigt wird, er maximal drei Nächte arbeiten kann. Dies selbst dann, wenn die Arbeitszeit in den anderen Nächten weniger als 10 Stunden beträgt. Diese Präzisierung war bisher bereits in der Wegleitung zu Art. 39 ArGV 1 enthalten und wird nun in die Verordnung aufgenommen.

Art. 45 ArGV 1: Obligatorische medizinische Untersuchung und Beratung

Nach dem geltenden Art. 45 ArGV 1 ist eine medizinische Untersuchung insbesondere für Jugendliche vorgeschrieben, die, unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit, regelmässig, d.h. mehr als 10 Nächte pro Jahr (Art. 12 Abs. 4 ArGV 5), oder periodisch zwischen 1:00 Uhr und 6:00 Uhr Nachtarbeit leisten. Die Einschränkung des massgeblichen Nachtzeitraums wird aufgehoben, um diese Bestimmung mit dem Inhalt von Art. 12 der Verordnung 5 zum Arbeitsgesetz (SR 822.115) in Einklang zu bringen, wonach eine medizinische Untersuchung und Beratung obligatorisch ist, sobald Jugendliche im Nachtdienst arbeiten, d.h. zwischen 22:00 Uhr abends und 06:00 Uhr morgens.

Die medizinische Untersuchung findet normalerweise alle 2 Jahre statt. Gemäss dem neuen Absatz 2 von Artikel 45 kann diese Dauer angepasst werden, falls der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin der Pflicht einer verkehrsmedizinischen Untersuchung gemäss Art. 27 der Verkehrszulassungsverordnung (SR 741.51) untersteht und die Eignung zur Nachtarbeit in diesem Rahmen abgeklärt wird. Das Ziel ist eine Harmonisierung der verschiedenen gesetzlichen Fristen. Trotz der Möglichkeit einer Zusammenlegung der medizinischen und der verkehrsmedizinischen Untersuchung müssen sich die Resultate nicht decken. So kann ein Arbeitnehmer bzw. eine Arbeitnehmerin beispielsweise als für die Nachtarbeit geeignet befunden werden, jedoch als ungeeignet für das Führen gewisser Fahrzeuggruppen gemäss Art. 27 VZV.

Die heutigen Regelungen gemäss Art. 45 Abs. 3 und 4 ArGV 1, wonach der Arzt bzw. die Ärztin neben dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin auch der zuständigen Behörde die Schlussfolgerungen hinsichtlich der Eignung oder Nichteignung mitteilt sowie, dass die Behörde bei nur bedingter Eignung auf Gesuch hin die Beschäftigung unter bestimmten Bedingungen zulassen kann, haben sich in der Praxis aus verschiedenen Gründen als unpraktikabel erwiesen:

Einerseits ist das SECO allein gestützt auf die eingeschickten Formulare nicht in der Lage zu überprüfen, ob in allen Betrieben die medizinischen Untersuchungen gemacht wurden. Es ist zudem kein Fall bekannt, in dem das SECO bzw. der Arbeitsmediziner aus der Distanz einen Entscheid betreffend die Beschäftigung eines nur bedingt geeigneten Arbeitnehmers oder einer nur bedingt geeigneten Arbeitnehmerin gefällt hätte. Einen solchen Entscheid kann nur der untersuchende Arzt oder die untersuchende Ärztin treffen, der bzw. die die nötige Qualifikation gemäss Art. 43 Abs. 2 ArGV 1 erfüllt, also mit dem Arbeitsprozess und den Arbeitsverhältnissen des Betriebs sowie mit den arbeitsmedizinischen Grundlagen vertraut ist.

Andererseits erhielt das SECO von vielen Betrieben Formulare zur medizinischen Eignung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zugeschickt. Die administrative Verwaltung dieser Papierberge beanspruchte viele Ressourcen ohne echten Mehrwert für die Prävention. Denn im konkreten Einzelfall ist nicht ersichtlich, ob die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, für welche die Formulare eingeschickt wurden, (noch) mit dem aktuellen Personalbestand des Arbeitgebers übereinstimmen bzw. ob es sich um diejenigen handelt, die tatsächlich Nachtarbeit leisten.

Die Betriebe und Ärzte bzw. Ärztinnen werden bereits heute schriftlich vom SECO angewiesen, die Formulare nicht mehr dem SECO zu schicken, sondern sie den Vollzugs- und Aufsichtsorganen für den Fall einer Betriebskontrolle zur Verfügung zu halten. Mit der jetzigen 5 Revision erfolgt somit eine Anpassung an die bereits bestehende Situation. Bereits an der Sitzung der Eidgenössischen Arbeitskommission vom 27. August 2015 wurde entschieden, die vorliegende Revision einzuleiten.

Andere redaktionelle Anpassungen der ArGV 1

Art. 12 ArGV 1: Anpassung des Titels

Die Bezeichnung Assistenzärztinnen und Assistenzärzte wurde 2005 in Art. 4a Abs. 3 ArGV 1 neu definiert. Die Assistenzärzte müssen daher auch aus dem Titel des Art. 12 ArGV 1 gestrichen werden.

Artikel 41 und 42 ArGV 1: Aufhebung der Unterscheidung Männer, Frauen in den Bewilligungsgesuchen

Bei Arbeitszeitbewilligungsgesuchen und Arbeitszeitbewilligungen sind gewisse Angaben erforderlich. Teil dieser Angaben war bisher die Auflistung der Anzahl Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, getrennt nach Geschlecht, welche für die Auswertung von Statistiken hätten dienen sollen. Die Unterteilung der entsprechenden Kategorien wurde mittlerweile abgeschafft, da es nicht möglich war, die entsprechenden Informationen statistisch auszuwerten. Für Jugendliche im Sinne der Art. 29 und 32 ArG werden zudem separate Bewilligungen erteilt, für die spezielle Voraussetzungen gelten. Im letzteren Fall muss das Arbeitszeitbewilligungsgesuch auch zusätzliche Informationen gemäss Art. 12 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 ArGV 5 enthalten (insbesondere den Nachweis, dass die Beschäftigung Jugendlicher in der Nacht und am Sonntag unentbehrlich ist, um die Ziele der beruflichen Grundbildung zu erreichen). Dieser Nachweis musste bereits unter geltendem Recht erbracht werden, neu wird aber explizit auf die entsprechenden Artikel verwiesen.

 

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