Anforderungen an Rachekündigung

Im Urteil 4A_39/2023 vom 14. Februar 2023 behandelt das Bundesgericht das beliebte Thema der missbräuchlichen Kündigung von Art. 366 OR. Es erklärte, dass die in Art. 366 OR aufgeführten Gründe für eine missbräuchliche Kündigung nicht abschliessend seien (E.3.1). Im Zentrum stand die sog. «Rachekündigung» von Art. 336 Abs. 1 lit. d OR. Hierzu bemerkte das Bundesgericht u.a. Folgendes: «Vorausgesetzt ist, dass er effektiv Ansprüche geltend machen wollte. Dabei ist nicht nur die Geltendmachung tatsächlich bestehender Ansprüche gemeint, sondern auch vermeintlicher Ansprüche. Diesfalls muss der Arbeitnehmer aber in guten Treuen daran geglaubt haben, dass seine Ansprüche bestehen. Der Arbeitnehmer kann also eine zulässige Kündigung nicht dadurch abwenden, dass er offensichtlich unberechtigte Ansprüche erhebt.» (E.3.2). «Die Missbräuchlichkeit einer Kündigung setzt einen Kausalzusammenhang zwischen dem verpönten Motiv und der Kündigung voraus. Es ist mithin erforderlich, dass der als missbräuchlich angefochtene Kündigungsgrund bei der Entscheidung des Arbeitgebers, den Arbeitsvertrag aufzulösen, eine entscheidende Rolle gespielt hat. Der Arbeitnehmer, der sich auf die Missbräuchlichkeit beruft, trägt hierfür die Beweislast. Dies gilt namentlich auch für den besagten Kausalzusammenhang zwischen dem angerufenen Kündigungsgrund und der Kündigung.» (E.3.3).

Sachverhalt

Der A. (Kläger, Beschwerdeführer) und die B. AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin) schlossen am 18./20. April 2016 einen Arbeitsvertrag. Am 6. Juni 2016 nahm der Kläger seine Tätigkeit als Buy-Side Equity Analyst in der Position eines Direktors bei der Beklagten auf. Am 1. Januar 2018 übernahm er zusätzlich die Funktion eines Deputy Portfolio Managers, ohne dass der Arbeitsvertrag im Übrigen geändert wurde. Der vereinbarte Bruttojahreslohn betrug Fr. 180’000.–. Dazu kam eine jährliche Pauschalspesenentschädigung von Fr. 10’800.–. Am 23. Oktober 2018 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis per 30. April 2019 und stellte den Kläger sogleich frei. Das Arbeitsverhältnis wurde schliesslich per 31. Juli 2019 beendet, nachdem sich die Kündigungsfrist zufolge Krankheit des Klägers verlängert hatte.

Instanzenzug

Am 9. Januar 2020 erhob der Kläger beim Arbeitsgericht Zürich Klage und beantragte, die Beklagte sei zu verpflichten, ihm Fr. 63’533.35 netto nebst Zins zu bezahlen. Ausserdem verlangte er, die Beklagte habe ihm ein Arbeitszeugnis mit bestimmtem Wortlaut aus- und zuzustellen. Er hielt die Kündigung für missbräuchlich und verlangte mit seinem Forderungsbegehren eine Entschädigung nach Art. 336a OR im Umfang von – je nach Berechnung – vier bzw. drei Monatslöhnen. Mit Urteil vom 19. Oktober 2021 verpflichtete das Arbeitsgericht die Beklagte, dem Kläger ein leicht geändertes Arbeitszeugnis aus- und zuzustellen und wies die Klage im Übrigen ab. Es erkannte, ohne Beweisabnahme, die Kündigung sei weder unter der Annahme einer unwahren Kündigungsbegründung noch unter dem Aspekt einer Rache- oder Konfliktkündigung als missbräuchlich zu qualifizieren.

Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich, wobei er sich einzig gegen die Abweisung seines Entschädigungsbegehrens richtete. Mit Beschluss vom 1. Dezember 2022 nahm das Obergericht davon Vormerk, dass das Urteil des Arbeitsgerichts hinsichtlich Dispositivziffer 1 (Arbeitszeugnis) in Rechtskraft erwachsen ist. Mit Urteil gleichen Datums wies es die Klage ab. Wie das Arbeitsgericht, das zu Recht auf die Durchführung eines Beweisverfahrens verzichtet habe, erachtete es die Kündigung nicht als missbräuchlich im Sinne von Art. 336 OR.

Weiterzug ans Bundesgericht

Der Beschwerdeführer beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Obergerichts vom 1. Dezember 2022 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihm Fr. 63’533.35 netto nebst Zins zu bezahlen. Eventualiter sei die Sache zur Durchführung eines Beweisverfahrens und zur Neubeurteilung an das Obergericht, subeventualiter an das Arbeitsgericht zurückzuweisen. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 4A_39/2023 vom 14. Februar 2023

Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 4A_39/2023 vom 14. Februar 2023 einleitend zur Kündigungsfreiheit und zur missbräuchlichen Kündigung wie folgt:

«Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist gekündigt werden (Art. 335 Abs. 1 OR). Das schweizerische Arbeitsvertragsrecht geht mithin vom Grundsatz der Kündigungsfreiheit aus. Für die Rechtmässigkeit einer Kündigung bedarf es grundsätzlich keiner besonderen Gründe (BGE 136 III 513 E. 2.3; 132 III 115 E. 2.1; 131 III 535 E. 4.1; 127 III 86 E. 2a).  

Die Kündigungsfreiheit findet aber ihre Grenzen am Missbrauchsverbot. Missbräuchlich ist die Kündigung nur, wenn sie aus bestimmten unzulässigen Gründen ausgesprochen wird, die in Art. 336 OR umschrieben werden, wobei diese Aufzählung nicht abschliessend ist. Es sind deshalb – neben den in Art. 336 OR aufgeführten –E weitere Tatbestände denkbar und vom Bundesgericht auch schon mehrfach anerkannt worden (BGE 136 III 513 E. 2.3; 134 III 108 E. 7.1; 132 III 115 E. 2.1; Urteil 4A_44/2021 vom 2. Juni 2021 E. 4.1.1.). Der Vorwurf der Missbräuchlichkeit setzt indessen voraus, dass die geltend gemachten Gründe eine Schwere aufweisen, die mit jener der in Art. 336 OR ausdrücklich aufgeführten vergleichbar ist (BGE 132 III 115 E. 2.1; 131 III 535 E. 4.2; zit. Urteil 4A_44/2021 E. 4.1.1.).» (E.3.1).

Zur missbräuchlichen Kündigung, namentlich zur Rachekündigung, nimmt das Bundesgericht im Urteil 4A_39/2023 vom 14. Februar 2023 weiter wie folgt Stellung:

«Gemäss Art. 336 Abs. 1 lit. d OR ist eine Kündigung missbräuchlich, die erfolgt ist, weil die andere Partei nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht hat. Diese Bestimmung bezweckt die Verhinderung sog. Rachekündigungen, das heisst von Kündigungen, die ausgesprochen werden, um den Arbeitnehmer dafür zu bestrafen, dass er in guten Treuen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht hat. Vorausgesetzt ist, dass er effektiv Ansprüche geltend machen wollte. Dabei ist nicht nur die Geltendmachung tatsächlich bestehender Ansprüche gemeint, sondern auch vermeintlicher Ansprüche. Diesfalls muss der Arbeitnehmer aber in guten Treuen daran geglaubt haben, dass seine Ansprüche bestehen. Der Arbeitnehmer kann also eine zulässige Kündigung nicht dadurch abwenden, dass er offensichtlich unberechtigte Ansprüche erhebt (BGE 136 III 513 E. 2.4; 123 III 246 E. 4d; Urteil 4A_19/2015 vom 20. Mai 2015 E. 4.1.).  

Der Tatbestand von Art. 336 Abs. 1 lit. d OR kann auch Ansprüche des Persönlichkeitsrechts umfassen (BGE 132 III 115 E. 5.2). Nach Art. 328 OR ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen. Er hat sich jedes durch den Arbeitsvertrag nicht gerechtfertigten Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte zu enthalten und diese auch gegen Eingriffe von Vorgesetzten, Mitarbeitern oder Dritten zu schützen. Eine Kündigung kann missbräuchlich sein, wenn der Arbeitgeber in einer Konfliktsituation am Arbeitsplatz eine Kündigung ausspricht, ohne zuvor zumutbare Massnahmen zur Entschärfung des Konflikts getroffen zu haben. Demgegenüber ist eine Kündigung rechtmässig, wenn wegen des schwierigen Charakters eines Arbeitnehmers eine konfliktgeladene Situation am Arbeitsplatz entstanden ist, die sich schädlich auf die gemeinsame Arbeit auswirkt, und wenn der Arbeitgeber zuvor sämtliche ihm zumutbaren Vorkehren getroffen hat, um den Konflikt zu entschärfen (BGE 132 III 115 E. 2.2; 125 III 70 E. 2c). Umfang und Intensität der erfolgten Massnahmen sind einzelfallbezogen im Rahmen einer Gesamtwürdigung der jeweiligen Umstände zu prüfen (BGE 132 III 115 E. 2.5; Urteil 4A_384/2014 vom 12. November 2014 E. 4.2.2), wobei dem Arbeitgeber bei der Auswahl der Massnahmen zur Entschärfung eines Konflikts ein grosser Ermessensspielraum zusteht. Ob er die angemessenen Massnahmen ergriffen hat, ist eine Rechtsfrage (Urteil 4A_309/2010 vom 6. Oktober 2010 E. 2.5). Dabei darf von aufgrund der konkreten Situation voraussichtlich erfolglosen Massnahmen abgesehen werden (Urteil 4A_158/2010 vom 22. Juni 2010 E. 3.3). Für Arbeitnehmer fortgeschrittenen Alters mit langer Dienstzeit gilt eine erhöhte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (BGE 132 III 115 E. 5.4).» (E.3.2)

«Die Missbräuchlichkeit einer Kündigung setzt einen Kausalzusammenhang zwischen dem verpönten Motiv und der Kündigung voraus. Es ist mithin erforderlich, dass der als missbräuchlich angefochtene Kündigungsgrund bei der Entscheidung des Arbeitgebers, den Arbeitsvertrag aufzulösen, eine entscheidende Rolle gespielt hat (BGE 125 III 70 E. 2a; Urteil 4A_437/2015 vom 4. Dezember 2015 E. 2.2.3). Der Arbeitnehmer, der sich auf die Missbräuchlichkeit beruft, trägt hierfür die Beweislast. Dies gilt namentlich auch für den besagten Kausalzusammenhang zwischen dem angerufenen Kündigungsgrund und der Kündigung (Art. 8 ZGB; BGE 130 III 699 E. 4.1; 123 III 246 E. 4b; 121 III 60 E. 3b; Urteil 4A_293/2019 vom 22. Oktober 2019 E. 3.5.1).» (E.3.3).

Nach eingehender Auseinandersetzung mit den Ausführungen der Vorinstanz, sofern und soweit das Bundesgericht auf diese eintrat, kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass erstens die Vorinstanz zu Recht verneinte, dass die Kündigung als Rachekündigung im Sinne von Art. 336 Abs. 1 lit. d OR zu qualifizieren sei (E.6)., und das zweitens bundesrechtlich nicht zu beanstanden sei, dass die Vorinstanz auch das Vorliegen einer Konfliktkündigung verneinte (E.7).

Interessant sind die folgenden Bemerkungen des Bundesgerichts im :Urteil 4A_39/2023 vom 14. Februar 2023

«Der Beschwerdeführer trägt die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass er tatsächliche oder vermeintliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht hat, und dass zwischen dem Geltendmachen des Anspruchs und der Kündigung ein Kausalzusammenhang besteht (BGE 123 III 246 E. 4b mit Hinweisen). Dass er in gutem Glauben war, wird vermutet; die Arbeitgeberin trägt die Behauptungs- und Beweislast für das Gegenteil (Art. 3 Abs. 1 ZGB). Bereits das Arbeitsgericht vermochte keine hinreichende Substantiierung des geltend gemachten Missbrauchstatbestands zu erkennen. Dies beanstandete der Beschwerdeführer in seiner Berufung und verwies auf Passagen seiner Ausführungen zum „Konflikt“ und auf seine Äusserungen zu den „vorgeschobenen Kündigungsgründen“. Die Vorinstanz setzte sich eingehend mit den diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander, vermochte aber ebenfalls keine hinreichende Substantiierung zu erkennen. Die allgemein gehaltenen Ausführungen genügten den Anforderungen an substantiierte Behauptungen nicht und liessen sich nicht zum Gegenstand eines Beweisverfahrens machen. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, dass die Vorinstanz bundesrechtswidrige Anforderungen an eine genügende Substantiierung der tatsächlichen Grundlagen der geltend gemachten Rachekündigung gestellt hätte. Er unterbreitet dem Bundesgericht diverse Passagen „zu den Missständen mit dem Fonds“ und zum „Vorliegen eines Konflikts“ aus seinen kantonalen Rechtsschriften, wobei er sie aus dem Zusammenhang reisst. Er meint, diese seien genügend präzise, während die Bestreitungen „weitgehend pauschal“ und ohne prozesskonforme Beweisofferten erfolgt seien. Sein Schluss, „die Vorinstanz stelle den entscheidrelevanten Sachverhalt folglich aktenwidrig fest und lege die Beweismittel einseitig zu Gunsten der Beschwerdegegnerin aus, soweit sie nicht bereits in Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör des Beschwerdeführers darauf verzichtete, die von ihm offerierten Beweise abzunehmen“, entbehrt der Grundlage und wird nicht durch hinreichend begründete Sachverhaltsrügen gestützt. Ebenso wenig vermag er die Beurteilung der Vorinstanz zu widerlegen, dass er sich weitgehend wertend zum Ursprung und den Folgen des gemäss seiner Argumentation entscheidenden Zerwürfnisses mit C.________ äussere, ohne die Vorgänge im Einzelnen in einer Weise zu schildern, die dem Gericht erlauben würde, eine eigene Beurteilung der Geschehnisse vorzunehmen. Der Beschwerdeführer müsste aufzeigen, dass er die tatsächlichen Grundlagen des angerufenen Missbrauchstatbestands und die Kausalität zwischen Missbrauchstatbestand und Kündigung in objektiver, dem Beweis zugänglichen Weise im Einzelnen behauptet hätte. Das tut er aber nicht, zumindest nicht rechtsgenüglich, wenn er erneut bloss seine – in der Tat – wertenden einseitigen Schilderungen der Umstände des Konflikts darlegt. Es bleibt daher bei der Beurteilung der Vorinstanz, dass es bereits an einer rechtsgenüglichen Substantiierung fehlt. Ein Beweisverfahren war daher nicht durchzuführen und die diesbezüglichen Rügen gehen von vornherein fehl.» (E.6, Auszug).

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