Arbeitnehmerschutz im Covid-19-Gesetz

An seiner Sitzung vom 12. August 2020 hat der Bundesrat die Botschaft zum Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie (Covid-19-Gesetz) zuhanden des Parlaments verabschiedet. Mit dem Gesetzesentwurf beantragt er dem Parlament die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit er das bisherige Massnahmenpaket fortführen kann. Der Entwurf zu einem dringlich zu erklärenden Bundesgesetz umfasst gesamthaft 14 Artikel. Einer davon, nämlich Art. 3, behandelt das Arbeitsrecht, genauer ausgewählte Aspekte des Arbeitnehmerschutzes.

Das Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie (Covid-19-Gesetz) schreibt vor, was der Bundesrat zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie tun darf, um die Auswirkungen der Epidemie auf Gesellschaft, Wirtschaft und Behörden zu bekämpfen. Das Gesetz betrifft die Gesundheitsversorgung, den Arbeitnehmerschutz, den Ausländer- und Asylbereich, die Entschädigung des Erwerbsausfalls und die Arbeitslosen­versicherung;

Entwurf Gesetzesbestimmung zum Arbeitnehmerschutz

Der Arbeitnehmerschutz ist im Entwurf des Bundesrates des Covid-19-Gesetzes in Art. 3 geregelt. Abs. 1 bestimmt die Kompetenzen des Bundesrates. Abs. 2 behandelt den Vollzug und die Tragung der Vollzugskosten.

Art. 3 Massnahmen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes

1Der Bundesrat kann Massnahmen zum Schutz von besonders gefährdeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern anordnen und insbesondere Arbeitgebern diesbezügliche Pflichten auferlegen.

2Ergreift er Massnahmen nach Absatz 1, so sieht er vor, dass der Vollzug den Durchführungsorganen des Arbeitsgesetzes vom 13. März 1964 sowie der schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) obliegt und dass die dafür anfallenden Vollzugskosten aus dem Zuschlag für die Kosten der Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten nach Artikel 87 des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung finanziert werden.

Ausführungen in der Botschaft vom 12. August 2020

Der Bundesrat macht in der Botschaft zum Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie (Covid-19-Gesetz) vom 12. August 2020 die nachfolgenden Ausführungen zum Thema Arbeitnehmerschutz und Covid-19:

Art. 3 gibt in Absatz 1 dem Bundesrat die Kompetenz, Massnahmen zum Schutz von besonders gefährdeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern anzuordnen und insbesondere Arbeitgebern diesbezügliche Pflichten aufzuerlegen. Entsprechende Regelungen bestanden in der COVID-19-Verordnung 2 zwar nur bis zur Rückkehr in die besondere Lage am 19. Juni 2020 (vgl. Art. 10b und 10c COVID-19-Verordnung 2).

In Abhängigkeit von einer sich allenfalls verschärfenden epidemiologischen Lage könnte es sich aber als notwendig erweisen, die Schutzmassnahmen gegebenenfalls in adaptierter Weise erneut anzuordnen.

Bisher galten Personen ab 65 Jahren als besonders gefährdet sowie Personen, die insbesondere folgende Erkrankungen aufweisen: Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen, Erkrankungen und Therapien, die das Immunsystem schwächen, und Krebs. Der Bundesrat hat diese Kategorien anhand medizinischer Kriterien präzisiert. Zum Schutz der besonders gefährdeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelte der Bundesrat, unter welchen Vorgaben besonders gefährdete Personen weiter beschäftigt werden dürfen beziehungsweise wann sie unter Lohnfortzahlung von der Arbeitspflicht zu befreien sind. So hatten die Arbeitgeber namentlich zu ermöglichen, dass besonders gefährdete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre arbeitsvertraglichen Pflichten oder eine gleichwertige Ersatzarbeit wenn immer möglich von zu Hause aus erledigen konnten. War aus betrieblichen Gründen die Präsenz besonders gefährdeter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Ort ganz oder teilweise unabdingbar, durften diese unter strengen Voraussetzungen (Gestaltung des Arbeitsplatzes ohne engen Kontakt mit anderen Personen bzw. STOP-Prinzip53) vor Ort beschäftigt werden.

War keine dieser Möglichkeiten gegeben, musste die Arbeitnehmerin beziehungsweise der Arbeitnehmer unter Lohnfortzahlung von der Arbeitspflicht befreit werden. Die Arbeitgeber sind gehalten, die erforderlichen Präventionsmassnahmen zu beachten und umzusetzen. Dabei handelt es sich zum einen um Massnahmen, die der Bundesrat gestützt auf die Befugnisse im EpG und im Arbeitsgesetz vom 13. März 52 AS 2020 2191 53 STOP = Substitution, technische Massnahmen, organisatorische Massnahmen, persönliche Schutzmassnahmen BBl 2020 37 196454 (ArG) anordnet (vgl. Art. 10 Covid-19-Verordnung besondere Lage), zum anderen um allfällige weitere Massnahmen, die er für besonders gefährdete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer basierend auf Absatz 1 vorgibt. In Anwendung der Gesundheitsschutzbestimmungen von Artikel 6 ArG obliegt nach Absatz 2 diesfalls der Vollzug den Vollzugsbehörden des ArG und des Bundesgesetzes vom 20. März 198155 über die Unfallversicherung (UVG) (Art. 11 Abs. 2 Covid-19-Verordnung besondere Lage).

Der Vollzug im Arbeitsbereich beruht auf dem Dualismus von Gesundheitsschutz einerseits und Arbeitssicherheit andererseits. Der Gesundheitsschutz basiert auf dem ArG und fällt in die Zuständigkeit der kantonalen Arbeitsinspektorate und des SECO. Der Gesundheitsschutz ist steuerfinanziert.

Die Arbeitssicherheit (Prävention von Berufsunfällen und Berufskrankheiten) dagegen ist im UVG verankert und wird über einen Prämienzuschlag für die Unfallprävention finanziert, der von der Eidgenössischen Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (EKAS) verwaltet wird. Für den Vollzug der Arbeitssicherheit bedient sich das UVG der Suva und der Durchführungsorgane des ArG. Mithin übernehmen die kantonalen Arbeitsinspektorate und das SECO auch Vollzugsaufgaben im Bereich der Arbeitssicherheit. Die Tätigkeit zugunsten der Arbeitssicherheit wird der Suva und den Durchführungsorganen des ArG aus dem Prämienzuschlag für die Unfallprävention entschädigt. Im Bereich des Gesundheitsschutzes kommt der Suva keine Zuständigkeit zu, diese beschränkt sich auf die kantonalen Arbeitsinspektorate und das SECO. Mit der Verpflichtung der Suva, bei der Kontrolle der Präventionsmassnahmen auf Baustellen und in der Industrie mitzuwirken, hat sie eine Aufgabe ausserhalb ihres Zuständigkeitsbereiches wahrzunehmen, da es sich bei den Massnahmen zum Schutz vor einer Covid-19-Infektion von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern um eine Massnahme des Gesundheitsschutzes handelt. Artikel 91 der Verordnung vom 19. Dezember 198356 über die Unfallverhütung (VUV) bestimmt, welche Kosten mit dem Prämienzuschlag für die Unfallprävention gedeckt sind. Tätigkeiten der Durchführungsorgane im Bereich des Gesundheitsschutzes fallen nicht darunter, weshalb der Aufwand der Suva zugunsten von Covid-19-Kontrollen grundsätzlich nicht aus dem genannten Prämienzuschlag finanziert werden kann.

Im Sinne einer pragmatischen Lösung ist vorgesehen, dass die Aufwendungen für Covid-19-Kontrollen über den Prämienzuschlag finanziert werden. Diese Ausnahme lässt sich insofern rechtfertigen, als sie inhaltlich klar begrenzt ist und von den Sozialpartnern unterstützt wird. Im Interesse, die Baustellen und Industriebetriebe unter Auflagen in Form von Hygienemassnahmen und Schutzkonzepten weiterführen zu können, deren Einhaltung auch von der Suva kontrolliert wird, sind die Sozialpartner bereit, eine entsprechende Verwendung des Präventionszuschlages nach UVG zu akzeptieren.

Kommentar zum Entwurf von Art. 3 (Arbeitnehmerschutz)

Der Bundesrat gibt sich in Art. 3 Abs. 1 des Covid-19-Gesetzes eine Generalklausel, mit welcher er Bestimmungen zum Schutze von besonders gefährdeten Personen auferlegen kann. Darin ist auch wieder eine Einschränkung zu erblicken, dass es nämlich nur um besonders gefährdete Personen handelt. Diese Bestimmung dürfte im Parlament wohl zu einigen Diskussionen Anlass geben. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob es einer solchen Regelung im Schweizer Arbeitsrecht überhaupt bedarf. Denn sowohl das Schweizerische Obligationenrecht (OR) sowie das Arbeitsgesetz (ArbG) und die dazugehörenden Verordnungen sowie andere Gesetze enthalten bereits zahlreiche Arbeitnehmerschutzbestimmungen, zu erwähnen sei hier Art. 328 OR.

Art. 3 Abs. 2 des Covid-19-Gesetzes behandelt den Vollzug und die Vollzugskosten. Dabei geht es insbesondere um die Abgrenzung der Bereiche Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit.

Der Bundesrat möchte also weiterhin direkten Einfluss auf das Arbeitsrecht im Bereich von Covid-19 nehmen.

Die Eingriffe sind aber durch die Laufzeit des Gesetzes bis zum 31. Dezember 2021 befristet (Art. 14 Abs. 2).

Autor: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., LL.M., www.jobanwalt.ch

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