Vorzeitiges Ende vom Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung bei Aufnahme der Erwerbstätigkeit

Der Anspruch einer Nationalrätin auf Mutterschaftsentschädigung endete nach der Geburt vorzeitig mit ihrer Teilnahme am Parlamentsbetrieb. Das vom Bund entschädigte Nationalratsmandat gilt als Erwerbstätigkeit, deren Wiederaufnahme den Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung von Gesetzes wegen vor Ablauf von 14 Wochen enden lässt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Frau im Urteil 9C_469/2021 vom 8. März 2022 ab.

Die betroffene Frau ist Nationalrätin und zudem als Selbstständigerwerbende tätig. Nach der Geburt eines Kindes Ende 2018 bezog sie Mutterschaftsentschädigung. Ab dem 4. März 2019 (Beginn der Session) nahm sie wieder regelmässig an Parlamentssitzungen teil. Die zuständige Ausgleichskasse verneinte einen weiteren Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung ab diesem Datum.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern bestätigte den Entscheid. Das Bundesgericht weist die dagegen erhobene Beschwerde der Frau ab.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 9C_469/2021 vom 8. März 2022 

Gemäss dem Bundesgesetz über den Erwerbsersatz (EOG) haben Frauen nach der Geburt eines Kindes während 14 Wochen Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung. Der Anspruch endet vorzeitig, wenn die Mutter ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnimmt (Artikel 16d Absatz 3 EOG).

Als Erwerbstätigkeit in diesem Sinne gilt auch die Ausübung des Nationalratsmandats. Der Bund richtet dafür eine Entschädigung aus und die Bezüge von Parlamentsmitgliedern werden praxisgemäss als AHV-beitragspflichtiges Einkommen behandelt. Auch wenn bei einem Nationalratsmandat grundsätzlich nicht das Erzielen eines Einkommens im Vordergrund stehen mag, beinhaltet diese politische Tätigkeit doch eine umfassende Arbeitsleistung, die auch entschädigt wird.

Zu beachten ist im Übrigen, dass die Beschwerdeführerin Mutterschaftsentschädigung für ihre Parlaments[1]tätigkeit erhalten hat, die für die Bemessung der Taggelder herangezogen wurde. Es ist konsequent, wenn die Wiederaufnahme eben dieser Tätigkeit den Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung beenden lässt.

Zu Recht ausgeschlossen wurde von der Vorinstanz weiter ein Wiederaufleben des Entschädigungsanspruchs, als die Beschwerdeführerin ihre Tätigkeit im Parlament per 31. März 2019 wieder beendete. Sowohl der Wortlaut als auch der Zweck des Gesetzes sprechen eindeutig dafür, dass der Mutterschaftsurlaub „am Stück“ zu beziehen ist.

Eine Diskriminierung gegenüber Männern ist nicht ersichtlich. Schliesslich hat die Teilnahme am Parlamentsbetrieb ab dem 4. März 2019 auch den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Mutterschaftsentschädigung in Bezug auf ihre privatwirtschaftliche Tätigkeit enden lassen. Der Beschäftigungsgrad in der wieder aufgenommenen Tätigkeit spielt dabei keine Rolle, sofern wie hier ein Einkommen von über 2300 Franken erzielt wird.

Hier ist die Schlüsselausführung des Bundesgerichts im  Urteil 9C_469/2021 vom 8. März 2022 :«Eine vorzeitig aufgenommene Teilzeitarbeit entspricht einer Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 16d Abs. 3 EOG, die den Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung beendet (BGE 139 V 250 E. 4.5). Es ist mit Bundesrecht vereinbar, dass Art. 25 EOV diese Rechtsfolge „unabhängig vom Beschäftigungsgrad“ eintreten lässt. Der Höchstbetrag für geringfügigen Lohn nach Art. 34d Abs. 1 AHVV ist als objektives Kriterium zur Bestimmung der Lohngrenze heranzuziehen, oberhalb welcher der vorzeitig aufgenommene geringfügige Nebenerwerb der Mutter eine Teilerwerbstätigkeit im Sinne von Art. 16d zweiter Satz EOG darstellt (BGE 139 V 250 E. 4.6). Dass die Beschwerdeführerin diesen Betrag von Fr. 2300.- überschritten hat, steht fest. Somit ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass mit der Wiederaufnahme des politischen Amtes, und somit unabhängig von der allfälligen Rückkehr in die selbstständige Tätigkeit, der gesamte Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung endet (siehe auch die bereits erwähnte Medienmitteilung der Staatspolitischen Kommission des Ständerates vom 10. November 2020 zu den Standesinitiativen). Unbehelflich ist wiederum der Verweis der Beschwerdeführerin auf Art. 6 des IAO-Übereinkommens Nr. 183, wonach Frauen während der Abwesenheit von der Arbeit eine Geldleistung erhalten (Ziff. 1), gewährt Art. 16c EOG doch grundsätzlich eine solche.» (E.7.1)

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