Codierungen im Arbeitszeugnis

Die Verwendung von Codierungen durch den Arbeitgeber im Arbeitszeugnis ist klar unzulässig. Bei Codierungen handelt es sich um gut klingende bzw. verklausulierte Formulierungen, welche aber etwas anderes aussagen, als was der eigentliche Wortlaut vermuten lässt. Sie enthalten mithin versteckte negative Botschaften. Sollten Codierungen erkannt oder vermutet werden, so können sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dagegen zur Wehr setzen. Dem Arbeitgeber steht es natürlich auch offen, negative Kritikpunkte offen im Arbeitszeugnis anzubringen.

Codierung oder lediglich unglückliche Formulierung?

Oft stellt sich in der arbeitsrechtlichen Praxis zunächst die Frage, ob der Arbeitgeber eine unzulässige Codierung im Arbeitszeugnis angebracht hat oder ob es sich «nur» um eine unglückliche Formulierung handelt.

Aus der Sicht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist aber das Resultat dasselbe, sie werden durch ein solches Arbeitszeugnis in ihrem beruflichen Fortkommen benachteiligt. Sie sollten sich deshalb auch im Falle der lediglich unglücklich gewählten Formulierung mit dem Arbeitgeber in Kontakt setzen und um die Ausstellung eines entsprechenden abgeänderten Arbeitszeugnisses ersuchen (zum Rechtsweg weiter unten).

Beispiele für Codierungen in Arbeitszeugnissen

An dieser Stelle sollen einige, nicht selten auftretende, Beispiele für unzulässige Codierungen in Arbeitszeugnissen erwähnt werden. Die nachfolgende Liste ist natürlich nicht ansatzweise abschliessend:

«Er bemühte sich, seine Aufgaben bestmöglich zu erfüllen»: Der Arbeitnehmer erbrachte unbefriedigende Leistungen, sozusagen er gab sich Mühe und hatte (vor allem) Mühe.

«Das Verhalten gegenüber Kunden war stets vorbildhaft.»: Der Arbeitnehmer verhielt sich gegenüber Kunden gut, nicht aber gegenüber Arbeitskollegen und Vorgesetzten. Hier liegt die Codierung im Fehlen der Erwähnung von Arbeitskollegen und Vorgesetzten.

«Wir wünschen ihm auf seinem weiteren Lebensweg eine gute Gesundheit»: Der Arbeitnehmer war lange und/oder oft krank. In gewissen Fällen dürften hingegen krankheitsbedingte Abwesenheiten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Arbeitszeugnis erwähnt werden. Hier geht es zum Artikel über die Erwähnung von Absenzen im Arbeitszeugnis.

«Sein Fleiss und grosser Eifer waren bemerkenswert.»: Der Arbeitnehmer war in der Tat fleissig, der Fleiss war aber nicht von Erfolg gekrönt.

«Er war sehr kommunikativ.»: Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zu viel herumschwatzte anstatt zu arbeiten.

In den Human Ressources Abteilungen von grösseren Unternehmen sollten solche Codierungen leicht erkannt werden können.

Fehlen von Formulierungen als Codierung?

Gewisse Formulierungen gehören heute zur Usanz bei Arbeitszeugnissen. So steht die Formulierung «zu unserer vollsten Zufriedenheit» eine sehr gute Qualifizierung des betreffenden Arbeitnehmers dar. Die «volle Zufriedenheit» wäre immer noch eine gute Leistung. Hier wird es aber schon in der Praxis problematisch, es gibt Arbeitgeber, namentlich Grossunternehmen, welche aus formellen sprachlichen Gründen nur die «volle» Zufriedenheit kennen, nicht aber die «vollste», da diese sprachlich ja nicht existieren kann. Sollte ein solcher Hinweis fehlen, stellt sich schon die schwierige Frage, ob dadurch schon eine Codierung angenommen werden kann.

Betonung von Nebensächlichkeiten im Arbeitszeugnis

Eine weitere mögliche Form der Codierung ist die Betonung und Beschreibung von Nebensächlichkeiten im Arbeitszeugnis. Dies könnte ein versteckter Hinweis darauf sein, dass es beim Arbeitnehmer vielleicht bei der Erbringung seiner Hauptleistungen im Arbeitsvertrag vielleicht etwas haperte.

Vermerk «uncodiertes Arbeitszeugnis»

Vereinzelt ist in Arbeitszeugnissen der ausdrückliche Vermerk «uncodiertes Arbeitszeugnis» zu finden. Dieser ist weder rechtlich notwendig noch nützlich. Es ist allgemein bekannt, dass Arbeitszeugnisse nicht codiert sein dürften. Ein solcher Hinweis ist also ein unnötiger «weisser Schimmel».

Vorgehen des Arbeitnehmers bei vermuteten Codierungen

Bei der Vermutung von Codierungen, sollte der Arbeitnehmer diese einem Experten, entweder aus dem Bereich Human Ressources oder einem im Arbeitsrecht versierten Rechtsanwalt, vorlegen. Dieser kann dann dem Arbeitnehmer seine fachkundige Meinung kundtun.

Als nächster Schritt wäre dann der Arbeitgeber mit der entsprechenden Codierung zu konfrontieren, am besten zuerst durch Einschreibebriefe und Ersuchen um Stellungnahme.

Sinnvoll kann es auch sein, zunächst beim Arbeitgeber das Personaldossier anzufordern. Auch wenn jüngst ein Urteil des Bundesgerichts ergangen sind, welche sich einschränkend zu Auskunftsersuchen nach dem Datenschutzgesetz (DSG) äussern, so dürfte hier ein berechtigtes Interesse bestehen, anhand der im Personaldossier vorhandenen Angaben, u.a. Mitarbeiterqualifikationen und ähnlichen Dokumente, sich Klarheit über die Korrektheit des Arbeitszeugnisses zu verschaffen.

Rechtliches Vorgehen gegen Codierungen

Sollte der Arbeitgeber die Codierung nicht zurücknehmen oder abändern wollen, so steht dem Arbeitnehmer der Klageweg offen.

Der Arbeitnehmer klagt er auf Zeugnisberichtigung. Das Rechtsbegehren der Klage enthält die Formulierung bzw. den Teil des Arbeitszeugnisses, der durch den Arbeitgeber abgeändert werden soll bzw. gestrichen werden muss.

Dabei handelt es sich um einen relativ einfachen und arbeitsrechtlichen Prozess. Da die meisten Arbeitsgerichte einen Monatslohn als Streitwert annehmen dürfte er zudem im vereinfachten Verfahren geführt werden.

Da das Arbeitszeugnis ein wichtiges und den Arbeitnehmer sein ganzes Arbeitsleben begleitendes Dokument ist, sollte hier im Zweifelsfall der Rechtsweg beschritten werden.

Autor: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., LL.M., www.jobanwalt.ch

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