Das Arbeitszeugnis

Das Arbeitszeugnis ist ein zentrales Dokument für jeden Arbeitnehmer. Nicht immer klar ist aber, welche rechtlichen Grundsätze bezüglich dem Arbeitszeugnis gelten. Das Arbeitszeugnis ist in Art. 330a OR geregelt. Dazu wurden viele Grundsätze durch die Gerichtspraxis entwickelt. In diesem Artikel finden Sie die relevanten Informationen zum Thema Arbeitszeugnis.

Zeugniseinverlangung
Gemäss Art. 330a Abs. 1 OR kann der Arbeitnehmer „jederzeit“ vom Arbeitgeber das Zeugnis einverlangen. Das Zeugnis kann während des ungekündigten Arbeitsverhältnisses, nach erfolgter Kündigung, zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt werden.

Frist für Ausstellung
Die Frage innert welcher Frist auf Verlangen der Arbeitgeber das Arbeitszeugnis ausstellen muss, fehlt in der Schweiz eine gefestigte Gerichtspraxis.

In der Lehre werden verschiedene Ansichten vertreten. So wird ein Zeitfenster von zwei Tagen (für eine Arbeitsbestätigung) bis zwei Wochen (für ein Vollzeugnis) als angemessen Einzelne Stimmen in der Lehre fordern kürzere Fristen, wie im Normalfall zwei bis drei Tage und in Ausnahmefällen eine Woche, andere bei Grosskonzernen Fristen von über zwei Wochen.
Angemessen sind die folgenden Fristen für die Ausstellung des Zeugnisses:
– Ausstellung von Arbeitsbestätigung: ein bis zwei Arbeitstage.
– Ausstellung von Vollzeugnis: drei bis sieben Arbeitstage.

Verjährung von Zeugnisanspruch ist 10 Jahre nach Art. 127 OR
Der Anspruch auf die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses verjährt 10 Jahre (Art. 127 OR) nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Im kürzlich veröffentlichten Urteil 4A_295/2020 vom 28. Dezember 2020 (amtl. Publ. vorgesehen) entschied das Bundesgericht die bisher offene Frage der auf das Arbeitszeugnis anwendbaren Verjährungsfrist im Sinne der zehnjährigen Frist von Art. 127 OR, und zwar wie folgt: «Au vu de ce qui précède, on doit retenir que les actions en délivrance, respectivement en rectification du certificat de travail, sont soumises au délai de prescription général de dix ans selon l‘art. 127 CO. Dès lors, lorsque l’intimé a déposé sa requête de conciliation, le 13 décembre 2017, soit moins de dix ans après la fin des rapports de travail intervenue le 31 août 2011, la prétention en rectification du certificat de travail n’était pas prescrite. L’arrêt de la cour cantonale doit donc être confirmé sur ce point.» (E.6.9).  Dies war auch bereits der Stand der Dinge in der h.L.

Ersatzzeugnis
Der Arbeitnehmer hat im Falle von Verlust, Untergang oder Beschädigung des Zeugnisses Anspruch auf die Ausstellung von einem Ersatzzeugnis.

Rückforderung und Berichtigung durch ArbeitgeberDer Arbeitgeber ist berechtig vom Arbeitnehmer die Rückgabe des Zeugnisses, das gilt sowohl für Schlusszeugnisse als auch für Zwischenzeugnisse, wenn es sich nachträglich als unrichtig erweisen sollte.

Arten von Arbeitszeugnissen
Der Arbeitnehmer kann gemäss Art. 330a OR frei wählen, ob er ein qualifiziertes Zeugnis (Vollzeugnis) oder ein einfaches Zeugnis (Arbeitsbestätigung) möchte.

Vollzeugnis
Das Vollzeugnis enthält Angaben über Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses und über die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers (Art. 330a Abs. 1). Das Vollzeugnis ist i.d.R. nach dem folgenden Schema abgefasst:
– Umschreibung der Personalien des Arbeitnehmers (Familienname, Vorname, allfällige Titel, Geburtsdatum, Heimatort/Nationalität), Beziehung zum Arbeitgeber (Dauer Arbeitsverhältnis, zuletzt ausgeübte Funktion, Arbeitsort).
– Aufstellung der wichtigsten Funktionen und hauptsächlichen Aufgaben während des Arbeitsverhältnisses.
– Darstellung der wichtigsten internen und externen Aus- und Weiterbildungen.
– Beurteilung der Arbeitsleistung und der Einstellung zum Arbeitgeber. Hier kommen berufs- und branchenübliche Massstäbe zur Anwendung. Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass die Vorgesetzten entsprechend einheitliche Massstäbe anwenden. Diese Beurteilung hat bezogen auf die ganze Dauer des Arbeitsverhältnisses ausgewogen zu erfolgen.
– Beurteilung des Verhaltens des Arbeitnehmers. Auch hier kommen berufs- und branchenübliche Massstäbe zur Anwendung.
– Aufführung des Grundes der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, d.h. der Kündigung bzw. Aufhebung des Arbeitsvertrages. Die Erwähnung des Beendigungsgrundes ist grundsätzlich nicht notwendig, muss aber auf Wunsch des Arbeitnehmers aufgeführt werden (z.B. Kündigung durch Arbeitnehmer („verlässt uns auf eigenen Wunsch“) oder Entlassung aus wirtschaftlichen Gründen). Auch gegen den Willen des Arbeitnehmers ist der Beendigungsgrund (insbesondere Kündigung des Arbeitgebers) zu erwähnen, wenn dieser zur Würdigung des Gesamtbilds des Arbeitnehmers notwendig ist und bei einer Weglassung das Zeugnis unwahr und unvollständig wäre.
– Formulierung eines Schlusssatzes mit dem Dank für die Leistungen im Arbeitsverhältnis und guten Wünschen für die Zukunft.

Arbeitsbestätigung
Die Arbeitsbestätigung umfasst nur den in Art. 330a Abs. 2 definierten Inhalt, d.h. Angaben über Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses. Neben den Angaben zu den Personalien des Arbeitnehmers sind Angaben über die Dauer des Arbeitsverhältnisses, Angaben über die Funktionen und hauptsächlichen Tätigkeiten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses sowie über allfällige wesentliche Weiter- und Fortbildungen. Weitere Angaben sind nicht zulässig, insbesondere nicht die Nennung des Grundes der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Schlusszeugnis vs. Zwischenzeugnis
Das Schlusszeugnis ist das Arbeitszeugnis (Vollzeugnis), welches bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgestellt wird.
Das Zwischenzeugnis ist das Arbeitszeugnis (Vollzeugnis), welches während des Arbeitsverhältnisses ausgestellt wird. Gemäss Art. 330a Abs. 1 kann der Arbeitnehmer „jederzeit“ ein Zwischenzeugnis verlangen.

Grundsätze der Formulierung von Zeugnissen
Grundsatz der Wahrheit
Das Arbeitszeugnis muss inhaltlich wahr bzw. objektiv richtig sein. Dies gilt nicht nur für die dem Zeugnis zugrundeliegenden Tatsachen, sondern ebenso für die vom Arbeitgeber daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen.
Dier Grundsatz der Wahrheit, der ein zentrales Element einer jeden Redaktion eines Arbeitszeugnisses ist, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Arbeitgeber dennoch über ein (erhebliches) Beurteilungsermessen sowie über ein Formulierungsermessen verfügt. So hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf bestimmte Formulierungen.

Grundsatz der Vollständigkeit
Der Grundsatz der Vollständigkeit besagt, dass sich das Arbeitszeugnis zu allen in Art. 330a Abs. 1 OR genannten Elementen, d.h. die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses, die Leistungen und das Verhalten, aussprechen muss.
Negative Aspekte dürfen nur aufgenommen werden, wenn sie für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind.

Grundsatz der Klarheit
Aus dem Grundsatz der Klarheit folgt, dass ein Arbeitszeugnis in allgemein verständlicher und klarer Sprache abgefasst und seine Aussagen eindeutig sein müssen.
Mit dem Klarheitsgebot unvereinbar sind die in der Praxis von HR-Abteilungen immer wieder anzutreffenden Zeugnissprachen bzw. die codierten Arbeitszeugnisse. Teilweise wird auf Arbeitszeugnissen explizit darauf hingewiesen, mit Bemerkungen wie „uncodiertes Arbeitszeugnis“. Eine Pflicht des Arbeitgebers den Hinweis auf eine Nicht-Codierung anzubringen besteht allerdings nicht.

Grundsatz der Individualität
Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein Arbeitszeugnis, welches individuell, bezogen auf die konkrete Arbeitnehmerpersönlichkeit und den konkreten Verlauf des Arbeitsverhältnisses verfasst ist.
Die Erstellung eines Arbeitszeugnisses, welches aus vorformulierten Textbausteinen oder sogar in der Form eines Zeugnisformulares besteht, ost sehr problematisch.

Zeugnissprache
Das Zeugnis ist der vorherrschenden Sprache am Arbeitsort abzufassen.

Eine Ausnahme besteht gemäss der Lehre, wenn der Arbeitnehmer einer Berufsgruppe mit klar überweigender Berufssprache angehört oder das Arbeitsverhältnis stark international geprägt ist.
Heute gehört die Abfassung von Arbeitszeugnissen in der englischen Sprache in der Schweiz in vielen Gebieten und Branchen zum Standard. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Abfassung des Arbeitszeugnisses in der englischen Sprache kann sich auf verschiedene Gründe stützen und kann vom Arbeitnehmer auch ausdrücklich verlangt werden.
Der Arbeitnehmer hat jedoch immer, sofern von ihm verlangt, den Anspruch, dass das Arbeitszeugnis (auch) in der am Arbeitsort vorherrschenden Amtssprache verfasst wird.

Grundsatz des Wohlwollens – und seine Grenzen
Das Arbeitszeugnis (Vollzeugnis) soll das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers fördern und ist daher so wohlwollend wie möglich zu formulieren.
Der Grundsatz des Wohlwollens findet aber seine Grenzen. Insbesondere bei Grundsatz der Wahrheit, aber auch beim Grundsatz der Vollständigkeit. Wohlwollen ist ein Aspekt der Ermessensanwendung, bedeutet aber nicht, dass auch negative Tatsachen Eingang ins Zeugnis finden dürfen, ja müssen.

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