Das Personaldossier (Personalakte)

Während des Arbeitsverhältnisses sammelt der Arbeitgeber Daten über die Arbeitnehmerinnen und die Arbeitnehmer. In der Regel wird hierfür pro Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerin ein Personaldossier angelegt (oft auch Personalakte genannt). Der Arbeitgeber darf aufgrund von Art. 328b OR nur Daten bearbeiten, welche die Eignung des Arbeitnehmers für das betreffende Arbeitsverhältnis betreffen oder zur Durchführung des Arbeitsvertrages notwendig sind. Weiter findet auf das Personaldossier das Datenschutzgesetz (DSG) Anwendung, da es sich beim Personaldossier ja offensichtlich um eine Datensammlung i.S.v. DSG handelt.

Die Führung von Personaldossiers (Personalakten) ist heute Standard bei allen Schweizer Arbeitgebern, ob multinationaler Konzern, KMU oder Kleinstbetrieb. Die Professionalität der Führung der Personaldossiers ist zwar unterschiedlich. Dennoch sind in den meisten Personaldossiers von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ähnliche Informationen zu finden.

Typische Inhalte von Personaldossiers in der Schweiz
Zu den typischen Inhalten von Personaldossiers in der Schweiz gehören u.a. die folgenden Inhalte:

– Personalien der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers

– Bewerbungsunterlagen der betreffenden Person

– Arbeitsvertrag mit allen Zusätzen, Reglementen, Bonusvereinbarungen etc.

– Mitarbeiterqualifikationen und Protokolle von Qualifikationsgesprächen

– Lohndaten, Lohnauszüge, Kontoinformationen

– Korrespondenz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden

– Verwarnungen, Aktennotizen über Vorkommnisse

-Dokumente zur Arbeitszeiterfassung, insbesondere betreffend Überstunden, Gleitzeitsaldi etc.

– Dokumente zu Absenzen, Arztzeugnisse etc.

Die Bestimmung von Art. 328b OR
Gemäss Art. 328b OR darf der Arbeitgeber nur Daten über den Arbeitnehmer bearbeiten, soweit sie dessen Eignung für das Arbeitsverhältnis betreffen oder «zur Durchführung des Arbeitsvertrages erforderlich sind» (Satz 1). Im Übrigen verweist diese Bestimmung in Satz 2 auf das Datenschutzgesetz (DSG).

In materiellrechtlicher Hinsicht geht es hier um die Einschränkung des Rechts des Arbeitgebers Daten über seine Arbeitnehmenden zu bearbeiten.

Zu den Daten, welche die Eignung des Arbeitnehmenden für das Arbeitsverhältnis betreffen (Art. 328b OR) gehören Angaben über die persönliche und berufliche Qualifikation, welche der Arbeitgeber bedarf. Es gibt hier keine allgemeingültige Grenze, es ist immer auf den Einzelfall abzustellen. Eine wesentliche Bedeutung kommt der Stellung des Arbeitnehmenden im Betrieb zu. Je höher die Position ist, desto mehr Informationen sind gerechtfertigt. Das gilt auch für Tendenzbetriebe, wo mehr Informationen aus dem Privatbereich im Personaldossier als zulässig erachtet werden. Ansonsten gibt es einen gewissen Standard an Informationen, wie Lebenslauf, Diplome, Arbeitszeugnisse von vorangehenden Stellen und Referenzen.

Zu den Daten, welche für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sind (Art 328b OR), gehören u.a. alle sozialversicherungsrechtlich notwendigen Angaben, Angaben zu Mutterschaft, Militärdienst, Qualifikationen von Arbeitnehmenden, Ferienguthaben, vom Arbeitgeber erstellte Arbeitszeugnisse u.V.m.

Pflicht des Arbeitgebers zur Führung von Personaldossiers?
Das Gesetz stipuliert – weder in Art. 319 ff. OR noch in anderen Erlassen – eine Pflicht des Arbeitgebers zur Führung von Personaldossiers. Aber es gibt verschiedene gesetzliche Bestimmungen, die den Arbeitgeber indirekt faktisch dazu anhalten, eine Datensammlung über seine Angestellten zu führen. Der Arbeitnehmer kann beispielsweise nach Art. 330a OR jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen. Ohne die Sammlung von entsprechenden Daten, etwa von Qualifikationsgesprächen, ist es dem Arbeitgeber kaum möglich, hier seine gesetzliche Pflicht jemals auch nur annähernd erfüllen zu können. Im Sozialversicherungsrecht finden sich weiter verschiedene Melde- und Abrechnungspflichten, welche den Arbeitgeber verpflichten, über verschiedene Informationen über den Arbeitnehmer zu disponieren. Faktisch ist also das Personaldossier für den Arbeitgeber deshalb kaum zu entbehren.

Art der Führung des Personaldossiers
Personaldossiers können sowohl papiergestützt, was immer noch häufig der Fall ist, oder auch in elektronischer Form geführt werden. Arbeitsrechtlich macht dies keinen wesentlichen Unterschied.

Vertraulichkeit des Personaldossiers
Das Personaldossier ist eine vertrauliche Dokumentation. Der Arbeitgeber muss die Geheimhaltung im Unternehmen sicher stellen und dafür sorgen, dass nur ein enger Kreis von Berechtigten, u.a. direkte Vorgesetzte und Human Ressources, Zugang zum Personaldossier haben.

Datenschutz und Datensammlung gemäss Datenschutzgesetz (DSG)
Es ist unbestritten, dass das Personaldossier eine Datensammlung im Sinne des Schweizer Datenschutzgesetzes (DSG) ist. Mithin sind auch die Bestimmungen des DSG auf das Personaldossier anwendbar. Das DSG befindet sich derzeit in der Revision. Doch sind die Revisionspunkte für den arbeitsrechtlichen Bereich des Personaldossiers nicht von zentraler Bedeutung.

Aus Art. 328b OR sowie dem DSG gehen die folgenden Grundsätze für die Führung und Administration von Personaldossiers durch den Arbeitgeber hervor:
– Alle im Personaldossier einer Arbeitnehmerin bzw. eines Arbeitnehmers enthaltenden Daten müssen einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben.
– Die Bearbeitung der Daten durch den Arbeitgeber muss nach Treu und Glauben erfolgen.
– Der Inhalt des Personaldossiers muss dem datenschutzrechtlichen Verhältnismässigkeitsprinzip entsprechen.
– Nicht mehr benötigte Daten müssen gelöscht werden.
– Der Arbeitgeber darf keine heimlichen Daten über den Arbeitnehmenden sammeln (sog. «Schattendossiers»).
– Der Arbeitnehmerin bzw. dem Arbeitnehmer steht ein jederzeitiges und nicht näher zu begründendes Einsichtsrecht am vollständigen Personaldossier zu.
– Der Arbeitnehmerin bzw. dem Arbeitnehmer steht ein Berichtigungs- und Vernichtungsrecht zu. Das Berichtigungsrecht betrifft nur Tatsachen, aber grundsätzlich keine Werturteile.
– Der Arbeitnehmerin bzw. dem Arbeitnehmer steht das Recht auf eine vollständige Kopie des Dossiers zu.
– Der Arbeitgeber muss Einsichtsgesuchen in das Personaldossier innerhalb von 30 Tagen seit Eingang des Begehrens um Einsicht Folge leisten.

Fälle von persönlichkeitsverletzender Datenbearbeitung durch Arbeitgeber
Aus dem Datenschutzgesetz (DSG) können sich diverse Konstellationen von persönlichkeitsverletzenden Datenbearbeitungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch Arbeitgeber ergeben. Hier sind exemplarisch einige aufgezählt:
– Unrechtmässige Datenbeschaffung (Art. 4 Abs. 1 DSG): Arbeitgeber beschafft sich Daten durch strafbare Handlungen.
– Bearbeitung von Daten wider Treu und Glauben (Art. 4 Abs. 2 DSG): Hierzu gehören namentlich Fälle der heimlichen Datenbearbeitung, wie sog. «Schattendossiers».
– Unverhältnismässigkeit der Datenbearbeitung (Art. 4 Abs. 2 DSG): Das Verhältnismässigkeitsprinzip gehört zu den Grundpfeilern bzw. Grundprinzipien des Schweizer Datenschutzrechts. Jegliche Bearbeitung von Daten durch den Arbeitgeber darf den arbeitsrelevanten Bereich nicht überschreiten.
– Bearbeitung unrichtiger Daten (Art. 5 Abs. 1 DSG): Der Arbeitgeber muss die Korrektheit von Daten prüfen. Dazu gehört auch die regelmässige Aktualisierung von Daten.
– Datensicherheit (Art. 7 DSG): Die Sicherheit der Daten muss sowohl bei manueller als auch bei elektronischer Bearbeitung gewährleistet sein.

Personaldossier und arbeitsrechtliche Streitigkeiten
Das Personaldossier ist bei fast allen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten von erheblicher Relevanz. Darin finden sich nämlich i.d.R. Dokumente, welche zugunsten der Arbeitnehmerin bzw. zugunsten des Arbeitnehmers verwendet werden können.
Oft zum Einsatz gelangt das Personaldossier der Berichtigung von Arbeitszeugnissen oder bei der Geltendmachung einer missbräuchlichen Kündigung durch die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer.

Aber auch der Arbeitgeber greift oft und gerne auf das Personaldossier zurück. So kann er z.B. Kündigungen, allenfalls sogar eine fristlose Kündigung, durch Dokumente, wie etwa Protokolle über Vorfälle oder Verwarnungen des Arbeitnehmenden, begründen.
Man kann nicht pauschal sagen, dass das Personaldossier in einem arbeitsrechtlichen Streitfall zugunsten des Arbeitgebers oder zugunsten des Arbeitnehmenden wirkt. Es kommt immer auf den Einzelfall an. In der arbeitsrechtlichen Praxis überwiegen aber Fälle, wo die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer Dokumente aus dem Personaldossier zur Hilfe nimmt, um Ansprüche gegen den Arbeitgeber durchzusetzen versuchen.

In der arbeitsrechtlichen Praxis empfiehlt es sich, das Personaldossier möglichst früh vom Arbeitgeber heraus zu verlangen.

Aufbewahrungspflicht bezüglich Personaldossier
Es ist nicht klar und vor allem nicht durch den Gesetzgeber eindeutig festgelegt worden, wie lange der Arbeitgeber das Personaldossier nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufbewahren muss.

Grundsätzlich verjähren arbeitsrechtliche Forderungen, insbesondere Lohn- und Entschädigungsforderungen des Arbeitnehmenden, nach fünf Jahren, hingegen gilt für das Arbeitszeugnis sowie für andere Ansprüche, u.a. für alle Ansprüche des Arbeitgebers gegen die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer, eine zehnjährige Verjährungsfrist. Es dürfte deshalb jedem Arbeitgeber angeraten werden, das vollständige Personaldossier während 10 Jahren aufzubewahren. Wer zur Führung von Geschäftsbüchern verpflichtet ist, hat u.a. auch eine Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren für Lohndaten aus dem Personaldossier.

Durchsetzung des Einsichtsrechts in das Personaldossier
Der Arbeitnehmerin bzw. dem Arbeitnehmer steht aufgrund von Art. 8 DSG ein umfassendes Auskunftsrecht in Bezug auf alle durch den Arbeitgeber von ihm gesammelten Daten zu. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Daten als Personaldossier oder Personalakte oder durch einen anderen Begriff bezeichnet werden. Auch gilt es unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis beendet ist oder noch andauert. Weiter hat eine Arbeitnehmerin bzw. hat ein Arbeitnehmer auch das Recht, die Auskunft darüber zu verlangen, ob von ihm überhaupt Daten durch den Arbeitgeber bearbeitet werden.

Der Arbeitgeber kann theoretisch aus im DSG festgelegten Gründen die Auskunft verweigern, einschränken oder aufschieben. Das gilt z.B. bei „überwiegenden Interessen“ von Dritten oder des Arbeitgebers. Solche Fälle sind aber bei Personaldossiers im Arbeitsrecht eher selten. Und wenn sie vorkommen, betreffen sie niemals das gesamte Personaldossiers, sondern nur allenfalls einige Dokumente daraus. Das Verweigerungsrecht im DSG wird sehr restriktiv ausgelegt, wie u.a. bereits aus der Botschaft ersichtlich ist. Auch müssen Einschränkungen oder Verweigerungen der Auskunft nach Art. 9 Abs. 3 DSG begründet werden.

Kommt der Arbeitgeber dem Gesuch um Einsicht in das Personaldossier nicht nach, kann die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer das Auskunftsrecht zivilrechtlich durchsetzen. Eine diesbezügliche Klage findet im vereinfachten Verfahren statt (Art. 243 Abs. 2 lit. d ZPO). Vorgängig ist auch hier ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. Für die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer bedeutet dies, dass aufgrund des vereinfachten Verfahrens das Kostenrisiko tiefer ist und auch mit einem rascheren Entscheid zu rechnen ist. Auch sind solche Verfahren von einer relativen tiefen tatsächlichen und rechtlichen Komplexität, da die rechtlichen Rahmenbedingungen doch äusserst klar sind.

Die vorsätzliche Verletzung der Auskunftspflicht durch den Arbeitgeber müsste auch strafrechtlich geprüft werden. In der arbeitsrechtlichen Praxis ist es aber i.d.R. schwierig Fälle von falscher oder auch von unvollständiger Auskunftserteilung nachzuweisen.

Autor: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., LL.M., www.jobanwalt.ch

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