Das Truckverbot von Art. 323b Abs. 3 OR

Gemäss Art. 323b Abs. 3 OR sind Abreden über die Verwendung des Lohns im Sinne des Arbeitgebers nichtig. Dieses sogenannte Truckverbot soll verhindern, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer statt dem Geldlohn Waren oder Dienstleistungen erhalten. Auch wenn die Bestimmung kurz formuliert ist, verfügt sie über ein breites Anwendungsspektrum in der arbeitsrechtlichen Praxis. Wir gehen auch auf BGE 130 III 19 ein, wo das Bundesgericht sowohl über das Truckverbot im Allgemeinen als auch bezüglich das Thema «Kantinen-Zwang» urteilen durfte. Das Truckverbot ist auch bei Arbeitnehmerbeteiligungsplänen von Unternehmen von Bedeutung.

Zweck des Truckverbot
Das Truckverbot will sicherstellen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über ihren Geldlohn frei verfügen können. Es kommt dann zur Anwendung, wenn Geldlohn vereinbart wurde, was im Arbeitsrecht den Regelfall darstellt.

Erscheinungsformen des Truckverbots
Verletzungen des Truckverbots treten in sehr verschiedenen Formen auf. Sie können sowohl Waren als auch Dienstleistungen des Arbeitgebers betreffen. Der Anwendungsbereich der Bestimmung von Art. 323b Abs. 3 OR ist sehr weit und vielfältig.

Notwendigkeit der Einzelfallbetrachtung
Beim Truckverbot muss immer eine Einzelfallbetrachtung vorgenommen werden. Man kann als Leitlinie sagen, dass ein Geschäft dann nicht unter das Truckverbot fällt, wenn der Arbeitgeber zwar ein (wirtschaftliches) Interesse daran hat, das betreffende Geschäft aber auch bzw. vor allem dem Interesse der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers dient.

Gegen das Truckverbot verstossende Geschäfte
Hier sind einige Beispiele aus der arbeitsrechtlichen Praxis, welche gegen das Truckverbot verstossen:
– Lieferung von Waren oder Dienstleistungen an Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer anstelle der Leistung des Geldlohns. Das ist der «Musterfall» des Verstosses gegen das Truckverbot.
– Darlehensgewährung an den Arbeitgeber aus dem Lohn der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers.
– Zum Voraus eingegangene Verpflichtung der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers zum Kauf von Waren oder Dienstleistungen beim Arbeitgeber.

Mit dem Truckverbot vereinbare Geschäfte
Nicht verboten ist der Barkauf von Waren und Dienstleistungen durch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Nicht selten verfügen Unternehmen über Fabrikläden, wo man Waren zu günstigeren Konditionen erwerben kann. In der Dienstleistungsbranche, etwa in der Finanzbranche (Banken und Versicherungen) können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch vergünstigte Dienstleistungen beziehen, wie u.a. Hypotheken oder Versicherungspolicen.

Ebenfalls nicht unter das Truckverbot fallen Übertragungen von Aktien und/oder Optionen an Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer, wenn diese arbeitsrechtlich eine Gratifikation darstellen oder sie als Naturallohn vereinbart wurden. Nach der Auffassung des Bundesgerichts ist auch kein Verstoss gegen das Truckverbot vorhanden, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vornehmlich als Anleger handeln, wenn sie Mitarbeiterbeteiligungen erwerben (vgl. BGE 130 III 501 f.).

Das Truckverbot steht auch der Vereinbarung von Naturallohn (vgl. Art. 322 OR) nicht entgegen. Unzulässig ist es lediglich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern anstelle des vereinbarten Geldlohns Waren oder Dienstleistungen des Arbeitgebers abzugeben.

Kantinen-Zwang (BGE 130 III 19)
Einer der Leading Cases zum Truckverbot von Art. 323b Abs. 3 OR ist der Entscheid des Bundesgerichts BGE 130 III 19 zum Thema «Kantinen-Zwang». Die Arbeitnehmerin und Klägerin in einem Landgasthof als Küchenhilfe und «Frau für Alles» angestellt. Es kam dann zu Unstimmigkeiten bezüglich des Verpflegungskostenabzugs. Die Klägerin wandte sich gegen die Abweisung ihrer Forderung auf Erstattung von Verpflegungs¬kostenabzügen. Sie hatte vor den kantonalen Instanzen geltend gemacht, seit langer Zeit nicht mehr im Betrieb des Beklagten gegessen zu haben. Deshalb sei sie ab diesem Zeitpunkt für Mahlzeiten nichts mehr schuldig gewesen.

Das Bundesgericht äusserte sich zunächst in allgemeiner Art zum Truckverbot: «Im vorliegenden Zusammenhang ist Art. 323b Abs. 3 OR zu beachten. Nach dieser Norm sind Abreden über die Verwendung des Lohnes im Interesse des Arbeitgebers nichtig. Damit soll verhindert werden, dass die Arbeitnehmerin Waren statt Geld erhält. Verpönt ist sowohl die Übereignung von Waren an Zahlungsstatt, wie auch der vorherige Abschluss eines Kauf- oder anderen Vertrags mit anschliessender Verrechnung (sog. „Truckverbot“)» (BGE 130 III 27, E.4.2).
Zum Punkt «Kantinen-Zwang» beim Arbeitgeber, äusserte sich das Bundesgericht dann wie folgt: «Vorliegend ist unbestrittenermassen Geldlohn vereinbart. Eine Nebenabrede, dass ein Teil dieses Geldlohnes für den Bezug von Waren und Dienstleistungen (Mahlzeiten) verwendet werden muss, erweist sich somit als unzulässig. Das hindert freilich den Arbeitgeber nicht, die Kosten von Mahlzeiten mit dem Lohn zu verrechnen, welche die Arbeitnehmerin tatsächlich und freiwillig bezogen hat. Zu Recht macht die Klägerin aber geltend, dass sie nicht verpflichtet war, solche zu beziehen.» (BGE 130 III 27 f., E.4.3).

Mitarbeiterbeteiligungen, Mitarbeiteroptionspläne und Truckverbot (BGE 130 III 495)
In diesem wichtigen Urteil ging es um einen Bankangestellten, der mit dem Arbeitgeber Verträge über Mitarbeiterbeteiligungen sowie Mitarbeiteroptionen abgeschlossen hatte. Das Bundesgericht kam in BGE 130 III 495 zum Schluss, dass durch Verträge der Mitarbeiterbeteiligung die zwingenden Vorschriften des Arbeitsrechts nicht unterlaufen werden dürfen. Der Arbeitnehmerschutz und mithin auch die Anwendung von Art. 323b Abs. 2 OR entfällt hingegen, wenn die Arbeitnehmerinnen oder der Arbeitnehmer beim Erwerb der Mitarbeiterbeteiligung als Anleger handelt, der das mit der Anlage verbundene Risiko aus freien Stücken akzeptiert. Ob die Beteiligung sich als Bestandteil des Arbeitsvertrags oder als davon losgelöste Investition ausnimmt, ist aufgrund der Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen. Hier sehen wir wieder die grosse Bedeutung der Einzelfallbetrachtung beim arbeitsrechtlichen Truckverbot von Art. 323b Abs. 3 OR.

Das Bundesgericht äusserte sich wie folgt: «Wie WYLER, a.a.O., S. 629 f., zutreffend anführt, entfällt der Arbeitnehmerschutz, wenn der Arbeitnehmer beim Erwerb der Mitarbeiterbeteiligung vornehmlich als Anleger handelt, der das mit der Anlage verbundene Risiko in der Erwartung eines hohen Kapitalgewinns aus freien Stücken akzeptiert. Das kann auch der Fall sein, wenn sich die Beteiligung bei einem hoch dotierten Kader oder Angestellten als Bonus und damit als Gegenleistung für seine Tätigkeit darstellt. Diesfalls gelten die Bestimmungen der Beteiligungsvereinbarung ohne Rücksicht auf zwingende Vorschriften des Arbeitsrechts. Ob die Beteiligung sich als Bestandteil des Arbeitsvertrages oder als davon losgelöste Investition ausnimmt, ist stets aufgrund der Verhältnisse des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei erscheint insbesondere wesentlich, ob Beteiligungen bzw. Optionen Lohnbestandteil bilden, was sich aus verschiedenen Indizien ergeben kann.» (BGE 130 III 501 f., E.4.2.2).

Das Bundesgericht fuhr fort: «Der Kläger hat die streitigen Optionen käuflich erworben und dafür einen Preis bezahlt, den er selbst nicht als besonders vorteilhaft ausgibt. Vielmehr ging er mit den Investitionen in die Optionen ein unternehmerisches Risiko ein, weil er die erfolgreiche Zukunft der Beklagten vor Augen hatte, wie er im kantonalen Verfahren dargelegt hat. Die zugeteilten Optionen stellen somit keinen Lohnbestandteil dar, was gegen die Anwendung der arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften spricht. Hinzu kommt, dass der Kläger bei Abschluss des Beteiligungsvertrages vom 29. Mai 1995 bereits vom Prokuristen zum Leiter der Abteilung „Investment Research“ befördert worden war und ein Jahresgehalt von Fr. 90’000.- bezog, bei Abschluss des Optionsvertrages vom 30. Juli 1997 im Alter von dreissig Jahren ein solches von Fr. 150’000.-, was der Stellung eines gut bezahlten höheren Angestellten entspricht. Sodann ist davon auszugehen, dass der Abschluss der Verträge seinem freien Willen entsprang. Aufgrund seiner Kenntnisse als Investitionsfachmann erwartete er einen hohen Gewinn unter Begrenzung des maximalen Verlustes auf den eingesetzten Kaufpreis. Die für die Optionen geleisteten Zahlungen charakterisieren sich damit klar als auf einem Anlageentscheid beruhende Investition, die dem Kläger aufgrund seiner Anstellung bei einer dem beklagtischen Konzern angehörenden Gesellschaft ermöglicht wurde. Dem Kläger bleibt aus den dargelegten Gründen insoweit die Anrufung der zwingenden arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften und der aus deren Verletzung abgeleiteten Sittenwidrigkeit verwehrt.» (BGE 130 III 502, E.4.2.3).

Rechtsfolge der Nichtigkeit
Verstösse des Arbeitgebers gegen das Truckverbot von Art. 323b Abs. 3 OR ziehen als Rechtsfolge die Nichtigkeit nach sich.

Deshalb ist es nicht notwendig, dass die Bestimmung von Art. 323b Abs. 3 OR im Katalog der teilzwingenden Bestimmungen aufgeführt ist.

Autor: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., LL.M., www.jobanwalt.ch

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