Die Probezeit im Arbeitsrecht

„Drum prüfe wer sich bindet“. Diese Lebensweisheit gilt auch bei der Probezeit. Arbeitsverträge nach Art. 319 ff. Schweizerisches Obligationenrecht (OR) beinhalten die Möglichkeit, dass die Parteien eine Probezeit vereinbaren. Innerhalb der Probezeit kann jeder der Parteien das Arbeitsverhältnis mit einer kurzen Kündigungsfrist beenden. Auch gelten dann u.a. die Sperrfristen nach Art. 336c OR nicht. Die Probezeit ist aber in der arbeitsrechtlichen Praxis nicht frei von Tücken. Und wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer sofort binden wollen, besteht auch die Möglichkeit, die Probezeit einvernehmlich weg zu bedingen. Schauen wir das Thema Probezeit genauer an.

Die Probezeit gehört zum festen Bestandteil von Arbeitsverträgen in der Schweiz. In den meisten Fällen wird eine Probezeit vereinbart. Und zwar mit einer Dauer von drei Monaten. Sehr selten wird die Probezeit durch die Parteien wegbedungen.

Dispositive gesetzliche Regelung
Gemäss Art. 335b Abs. 1 OR kann das Arbeitsverhältnis während der Probezeit mit einer Kündigungsfrist von sieben Tagen gekündigt werden. Dabei handelt es sich um Kalendertage und nicht um Arbeitstage. Die Kündigung kann mithin auf jeden Wochentag erfolgen, auch auf einen Sonntag.

Als Probezeit gilt der erste Monat des Arbeitsverhältnisses (Art. 335 Abs. 1 OR).

Diese Regelung gilt immer dann, wenn die Parteien im Arbeitsvertrag nichts anderes vereinbart haben.

Möglichkeit von abweichenden Vereinbarungen durch die Parteien
Art. 335b OR gehört weder zu zwingenden (Art. 361 OR) noch zu den teilzwingenden Bestimmungen (Art. 362 OR) des Obligationenrechts. Die Parteien können durch Einzelarbeitsvertrag, Normalarbeitsvertrag (NAV) oder Gesamtarbeitsvertrag (GAV) abweichende Vereinbarungen treffen (Art. 335b Abs. 2 OR).

Die Parteien können die Probezeit ganz wegbedingen, d.h. ganz auf die Probezeit verzichten. Das wird u.a. in Fällen gemacht, wo sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits kennen oder wo die Parteien ein gemeinsames Interesse haben von Anfang an eine möglichst feste arbeitsvertragliche Bindung herzustellen.

Die Parteien haben weiter die Möglichkeit, die Probezeit zu verkürzen. Auch kann die Probezeit verlängert werden, aber nur bis zu einer maximalen Dauer von drei Monaten (Art. 335b Abs. 2 OR). Eine Verlängerung der Probezeit auf eine Dauer von über drei Monaten hat der Gesetzgeber ausgeschlossen (Ausnahme: bei Lernenden, vgl. dazu die Ausführungen unten).

Automatische Verlängerung der Probezeit bei Krankheit, Unfall oder Erfüllung einer unfreiwilligen gesetzlichen Pflicht
Das Ziel der Probezeit ist es, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer kennenlernen können und bei «Nichtgefallen» den Arbeitsvertrag relativ einfach und kurzfristig wieder auflösen können. Das bedingt natürlich, dass der Arbeitnehmer während der Probezeit auch tatsächlich für den Arbeitgeber tätig ist. Die Probezeit muss im Betrieb des Arbeitgebers und nicht auf dem Papier gelebt werden.

Deshalb bestimmt Art. 335b Abs. 3 OR, dass sich die Probezeit – unabhängig davon ob sie gesetzlich ist oder vertraglich vereinbart bzw. modifiziert wurde – automatisch um die Zeit eines Arbeitsausfalls des Arbeitnehmers wegen Krankheit, Unfall oder einer Erfüllung einer unfreiwilligen gesetzlichen Pflicht (hier geht es i.d.R. um Militär- und Zivilschutzdienst) entsprechend verlängert. Das gilt auch unabhängig von einem allfälligen Verschulden des Arbeitnehmers an dieser Absenz.

Die Verlängerung der Probezeit findet automatisch und ohne weiteres Zutun der Parteien statt. Die Verlängerung erfolgt um diejenige Anzahl ganzer Arbeitstage, um die wegen der Arbeitsverhinderung weggefallen sind. In der Praxis kann passiert es dadurch nicht selten, die dass die Dauer der Probezeit von drei Monaten wesentlich überschritten werden kann.

Eine automatische Verlängerung der Probezeit findet jedoch nur aus den ausdrücklich in Art. 335b Abs. 3 OR erwähnten Gründen statt. Nicht dazu gehören namentlich Ferien, unbezahlter Urlaub, Kurzabsenzen sowie Schwangerschafts- und Mutterschaftsurlaub. Deshalb wird in der Praxis i.d.R. vereinbart, dass Arbeitnehmer während der Probezeit keine Ferien beziehen dürfen, oder nur einige wenige Tage, wie bspw. für einen Brückentag oder für ein verlängertes Wochenende.

Teilzeitarbeit
Bei der Teilzeitarbeit besteht in der Schweiz ein regelrechter Boom. Die Regelung der Probezeit gilt unabhängig vom Arbeitspensum des Arbeitnehmers. Bei Teilzeitarbeit kann die Probezeit nicht entsprechend verlängert werden. Auch wenn jemand z.B. nur mit einem Pensum von 20% arbeitet darf die Probezeit niemals mehr als drei Monate betragen.

Befristete Arbeitsverträge
Das Obligationenrecht sieht nur bei unbefristeten Arbeitsverträgen eine gesetzliche Probezeit vor. Wenn bei einem unbefristeten Arbeitsvertrag nichts bezüglich der Probezeit vereinbart wurde, gilt die dispositive Regelung von Art. 335b OR.

Bei befristeten Arbeitsverträgen kann bzw. muss die Probezeit ausdrücklich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden. Wenn nur eine Probezeit, aber keine Modalitäten hierzu, vereinbart wurden, gilt die dispositive Regelung von Art. 335b OR bezüglich Dauer und Kündigungsfrist.

In der Lehre sind Diskussionen zu finden, ob es einen zwingenden Bezug zwischen Dauer der Probezeit und Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses gibt. Theoretisch möglich wäre ja, dass die Probezeit dem gesamten befristeten Arbeitsverhältnis oder einem substantiellen Teil der zeitlichen Dauer entspricht. Einzelne Autoren plädieren für ein Mindestverhältnis von Probezeit und Vertragsdauer.

Fälle der Unzulässigkeit der Vereinbarung einer Probezeit
In gewissen Fällen ist es unzulässig, eine Probezeit zu vereinbaren. Dazu gehören u.a. die folgenden Konstellationen:
– Auflösung von Arbeitsvertrag in der Probezeit und Vereinbarung von neuem Arbeitsvertrag: Wird ein Arbeitsverhältnis in der Probezeit aufgelöst, der Arbeitnehmer aber anschliessend mit einem neuen Arbeitsvertrag weiter beschäftigt, so darf im Vertrag keine neue Probezeit vorgesehen werden, welche die kumulative Höchstdauer von drei Monaten überschreiten würde. Hier finden die bei Kettenarbeitsverträgen erarbeiteten Kriterien Anwendung.
– Neuer Arbeitsvertrag mit im Wesentlichen gleicher Arbeitsleistung: Eine Probezeit wird i.d.R. auch nicht als zulässig angesehen, wenn ein neuer Arbeitsvertrag mit dem gleichen Arbeitnehmer mit im Wesentlichen gleicher Arbeitsleistung vereinbart wird. Wenn aber eine neue Position, vor allem mit einer gänzlich neuen Rolle und/oder einem neuen Arbeitsbereich, angetreten wird, ist die erneute Vereinbarung einer Probezeit zulässig.
– Übergang von Arbeitsvertrag nach Art. 333 OR (Betriebsübergang): Beim Übergang eines Arbeitsvertrages aufgrund von Art. 333 OR ist die Vereinbarung einer Probezeit unzulässig, weil das Arbeitsverhältnis zwingend von Gesetzes wegen mit allen Rechten und Pflichten auf den neuen Arbeitgeber übergeht. Ein Arbeitsverhältnis, welches sich noch in der vereinbarten oder in der gesetzlichen Probezeit befindet geht natürlich ebenfalls mit der laufenden Probezeit über.
– Temporärarbeitsverträge: Bei Temporärarbeitsverhältnissen müssen die Verhältnisse im Einzelfall betrachtet werden. Bei Temporärbeitsverhältnissen, wo der Rahmenvertrag zwischen den Parteien noch keinen Arbeitsvertrag darstellt ist es möglich, bei jedem neuen Arbeitseinsatz bei einem neuen Betrieb die Probezeit neu anlaufen zu lassen. Anders sieht es hingegen bei sukzessiven Arbeitseinsätzen beim immer gleichen Betrieb aus. Falls der Arbeitnehmer nach einem Temporäreinsatz zum betreffenden Betrieb als direkter Arbeitnehmer wechselt, so ist die Vereinbarung einer Probezeit auch nicht zulässig.

Zeitpunkt der Kündigung in der Probezeit
Damit die Kündigung des Arbeitsvertrages als Kündigung in der Probezeit gilt, muss sie der kündigenden Partei innerhalb der Probezeit zugehen. Die Kündigung ist, auch in der Probezeit, immer eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Für das Ende der Probezeit bedarf es der Bestimmung des Beginns der Probezeit.

Kündigung in der Probezeit und Sperrfristen nach Art. 336c OR
Die Sperrfristen von Art. 336c OR, d.h. der Kündigungsschutz des Arbeitnehmers für Fälle wie Krankheit, Unfall, Schwangerschaft etc., gilt nicht während der Probezeit (Art. 336c Abs. 1 OR).

Probezeit und missbräuchliche Kündigung nach Art. 336 OR
Gemäss der gesetzlichen Regelung von Art. 336 OR schliesst die Probezeit des Arbeitnehmers nicht zwingend aus, dass eine Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber nicht als missbräuchlich angesehen werden kann. Der Schutz vor einer missbräuchlichen Kündigung gilt zwingend ab Abschluss des Arbeitsvertrages.

In der Praxis auferlegen sich aber Arbeitsgerichte eine gewisse Zurückhaltung, während der Probezeit eine missbräuchliche Kündigung nach Art. 336 OR anzunehmen. Die Einsprache des Arbeitnehmers bei einer missbräuchlichen Kündigung hat auch im Falle einer Kündigung innerhalb der Probezeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu erfolgen. Hier besteht für den Arbeitnehmer oft nur eine kurze Überlegungszeit. Es macht aber i.d.R. Sinn im Zweifelsfall eine Einsprache zu erheben, da diese ja einfach vorzunehmen ist und aus der Einsprache ja keine Nachteile für den Arbeitnehmer entstehen.

Berechnung des Laufs der Probezeit – Leiturteile des Bundesgerichts
Das Bundesgericht befasste sich um Leiturteil 4A_3/2017 vom 15. Februar 2018 mit der Berechnung des Laufs der Probezeit. Dabei stellte es u.a. fest:
– Für den Beginn des Laufs der Probezeit ist der tatsächliche Stellenantritt (und nicht der vereinbarte Stellenantritt) des Arbeitnehmers massgeblich (E.4.4.1.).
– Wird der Arbeitsvertrag am Tag abgeschlossen, in dessen Verlauf auch noch der Stellenantritt erfolgt, steht dieser Tag nicht voll zur Verfügung. Er wird daher entsprechend dem Prinzip der «Zivilkomputation» nicht mitgezählt. Art. 77 Abs. 1 Ziff. 3 OR ist ohne Weiteres anwendbar (E.4.4.3.). Wie es sich verhält, wenn der Vertrag vor dem Tag des Stellenantritts abgeschlossen wird, liess das Bundesgericht in diesem Entscheid offen.

Im Leiturteil 4C.45/2004 vom 31. März 2004 hatte sich das Bundesgericht mit der Frage zu befassen, den Endtag einer arbeitsvertraglichen Probezeit zu bestimmen. Dabei ging es um den Normalfall, d.h. um einen Arbeitsvertrag, der vor dem Tag des tatsächlichen Stellenantritts abgeschlossen worden war. Das Bundesgericht erklärte durch die konkrete Berechnung der Frist in diesem Urteil, dass der Tag des tatsächlichen Stellenantritts bei der Fristenberechnung mitzuzählen sei. Es äusserte sich dabei wie folgt: «Zusammenfassend muss von der gemäss Art. 335b Abs. 1 OR einen Monat betragenden Probezeit ab Stellenantritt am 6. August 2001 ausgegangen werden. Diese war sodann am 5. September 2001 beendet.» (E.4.3.).

Das das Bundesgericht im jüngeren Urteil 4A_3/2017 vom 15. Februar 2018 auf das (deutlich) ältere Urteil 4C.45/2004 vom 31. März 2004 verwiesen hat, muss davon ausgegangen werden, dass das die Praxis des Bundesgerichts bezüglich Arbeitsverträgen, welche vor dem Tag des tatsächlichen Stellenantritts abgeschlossen wurden, nicht durch das Urteil 4A_3/2017 vom 15. Februar 2018 modifiziert wurde.

Exkurs: Probezeit beim Lehrvertrag
Beim Lehrvertrag gehen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer ja bekanntlich eine besonders enge und auch eine längerfristige Bindung ein. Deshalb hat der Gesetzgeber für den Lehrvertrag auch eine besondere Regelung der Probezeit stipuliert.
Im Lehrvertrag darf die Probezeit nicht wegbedungen werden. Sie muss mindestens einen Monat und maximal drei Monate betragen (Art. 344a Abs. 3 OR). Als dispositive Regelung gilt, falls die Parteien im Lehrvertrag es unterlassen haben, eine Probezeit zu vereinbaren, eine Dauer der Probezeit von drei Monaten (Art. 344a Abs. 3 OR).
Weiter sieht das Gesetz – anders als im normalen Arbeitsvertrag – eine Möglichkeit der Verlängerung der Probezeit vor. Die Probezeit kann im Lehrvertrag vor ihrem Ablauf durch gegenseitige Vereinbarung und mit der zusätzlichen Zustimmung der kantonalen Behörde «ausnahmsweise» auf sechs Monate verlängert werden (Art. 344a Abs. 4 OR).

Autor: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., LL.M., www.jobanwalt.ch

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