Einzelfallbetrachtung bei Alterskündigung von Geschäftsführer

Im Urteil des Bundesgerichts 4A_44/2021 vom 2. Juni 2021 stand die Frage der Missbräuchlichkeit der Kündigung eines Geschäftsführers und Mitglieds des Verwaltungsrates zur Diskussion. Das Bundesgericht machte in diesem Entscheid einige wichtige Ausführungen. Der Arbeitgeber hat zwar bei älteren Arbeitnehmern der Art und Weise der Kündigung besondere Beachtung zu schenken, wobei bei jeder Arbeitnehmerkategorie eine Betrachtung einzelfallbezogen aufgrund einer Gesamtwürdigung der jeweiligen Umstände vorzunehmen ist (E.4.3.2). In diesem Fall bestand keine zwingende Notwendigkeit, den Geschäftsführer vorgängig anzuhören und mit ihm nach Lösungen zu suchen (E.4.3.3).

Sachverhalt

Arbeitnehmer B. (Arbeitnehmer, Beschwerdegegner) war während rund 37 Jahren ohne schriftlichen Arbeitsvertrag bei der A. AG (Arbeitgeberin, Beschwerdeführerin) angestellt. Dabei gehörte er zuletzt dem Verwaltungsrat der Arbeitgeberin an und war Vorsitzender der Geschäftsleitung. Weiter war er Minderheitsaktionär der C. AG, in deren Besitz sich sämtliche Aktien der Arbeitgeberin befinden. Am 25. August 2016 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mittels ordentlicher Kündigung. Das Arbeitsverhältnis endete schliesslich am 31. Mai 2017.

Verfahren vor Vorinstanzen 

Mit Klage vom 13. Juni 2018 beantragte der Arbeitnehmer beim Regionalgericht Oberland, die Arbeitgeberin sei zu verurteilen, ihm wegen missbräuchlicher Kündigung eine Entschädigung in der Höhe von sechs Monatslöhnen, ausmachend netto Fr. 115’191.– (inkl. Anteil 13. Monatslohn und Anteil freiwillige Zulage) und einen Betrag von Fr. 224’714.10, je nebst Zins, zu bezahlen.

Mit Entscheid vom 10. Juni 2020 verurteilte das Regionalgericht die Arbeitgeberin, dem Arbeitnehmer Fr. 141’197.25 netto zu bezahlen. Soweit weitergehend wies es die Klage ab.

Eine dagegen gerichtete Berufung der Arbeitgeberin hiess das Obergericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 18. Dezember 2020 teilweise gut. Es hob die Dispositivziffern 1, 3, 4 und 5 des Entscheids des Regionalgerichts auf (Dispositivziffer 1). Es verurteilte die Arbeitgeberin, dem Arbeitnehmer Fr. 97’461.35 netto (Fr. 91’455.10 als Entschädigung für die missbräuchliche Kündigung und Fr. 6’006.25 für Spesen/Fringe Benefits) zu bezahlen. Soweit weitergehend wies es die Berufung ab (Dispositivziffer 2). Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens wurden im Umfang von Fr. 9’073.50 der Arbeitgeberin und im Umfang von Fr. 4’076.50 dem Arbeitnehmer auferlegt (Dispositivziffer 3). Die erstinstanzlichen Gerichtskosten wurden im Umfang von Fr. 6’224.80 der Arbeitgeberin und im Umfang von Fr. 15’240.– dem Arbeitnehmer auferlegt (Dispositivziffer 4). Das Obergericht verpflichtete die Arbeitgeberin (nach Verrechnung), dem Arbeitnehmer für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung im Umfang von Fr. 4’688.65 zu bezahlen (Dispositivziffer 5). Für das erstinstanzliche Verfahren verpflichtete es den Arbeitnehmer (nach Verrechnung), der Arbeitgeberin eine Parteientschädigung im Umfang von Fr. 12’419.15 zu bezahlen (Dispositivziffer 6). Das Obergericht bestätigte eine missbräuchliche Kündigung gemäss Art. 336 OR, reduzierte aber die erstinstanzlich zugesprochene Entschädigung. Weiter erachtete es mit dem Regionalgericht eine von der Arbeitgeberin geltend gemachte Verrechnungseinrede als nicht genügend dargetan.

Weiterzug an das Bundesgericht

Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 22. Januar 2021 beantragt die Arbeitgeberin, der angefochtene Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und es sei die Klage des Beschwerdegegners kostenfällig vollumfänglich abzuweisen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht beantragt sie, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu gewähren. Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die Vorinstanz hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdeführerin hat unaufgefordert repliziert.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 4A_44/2021 vom 2. Juni 2021 

Umstritten ist gemäss dem Bundesgericht im vorliegenden Fall, ob eine missbräuchliche Kündigung gemäss Art. 336 OR vorliegt (E.4).

Das Bundesgericht führt zunächst aus, dass der sachliche Kündigungsschutz am Motiv der Kündigung anknüpt. Die Missbräuchlichkeit kann sich aber auch aus der Art und Weise ergeben, wie die kündigende Partei ihr Recht ausübt. Auch wenn eine Partei die Kündigung rechtmässig erklärt, muss sie das Gebot schonender Rechtsausübung beachten. Sie darf insbesondere kein falsches und verdecktes Spiel treiben, das Treu und Glauben krass widerspricht (BGE 131 III 535 E. 4.2; 125 III 70 E. 2b). Ein krass vertragswidriges Verhalten, namentlich eine schwere Persönlichkeitsverletzung im Umfeld einer Kündigung, kann diese als missbräuchlich erscheinen lassen (BGE 132 III 115 E. 2.2). Demgegenüber genügt ein bloss unanständiges, einem geordneten Geschäftsverkehr unwürdiges Verhalten der Arbeitgeberin nicht, um die Kündigung als missbräuchlich erscheinen zu lassen. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsordnung, bloss unanständiges Verhalten zu sanktionieren (BGE 132 III 115 E. 2.3; 131 III 535 E. 4.2; zit. Urteil 4A_280/2017 E. 4.1 mit Hinweisen). (E.4.1.2).

Die Vorinstanz erwog, wie das Bundesgericht ausführt, der Beschwerdegegner habe nie geltend gemacht, ihm sei aufgrund seines Alters gekündigt worden. Eine Alterskündigung gemäss Art. 336 Abs. 1 lit. a OR liege daher unbestrittenermassen nicht vor. Vielmehr erachte er die Art und Weise der Kündigung als missbräuchlich. Bei der Frage, wann die Art und Weise einer Kündigung missbräuchlich sei, komme dem Alter des Arbeitnehmers wiederum eine grosse Bedeutung zu. Die Rechtsprechung habe die privatrechtliche Kündigungsfreiheit in Bezug auf ältere Mitarbeitende dahingehend eingeschränkt, als dass diese Arbeitnehmerkategorie von einer erhöhten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers profitiere. Ein älterer Arbeitnehmer sei somit über die beabsichtigte Kündigung zu informieren und anzuhören. Zudem solle nach alternativen Lösungen gesucht werden. Der Beschwerdegegner sei zum Zeitpunkt der Kündigung 60 Jahre alt gewesen und habe während rund 37 Jahren für die Beschwerdeführerin gearbeitet. Er gehöre damit zweifellos in die besonders geschützte Arbeitnehmerkategorie. Die Beschwerdeführerin mache nicht geltend, sie habe den Beschwerdegegner vorgängig informiert oder angehört. Die Kündigung erweise sich somit bereits aus diesem Grund als missbräuchlich. (E.4.2.1). Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin insbesondere den Umgang des Beschwerdegegners mit den Mitarbeitenden und die in diesem Zusammenhang erfolgten negativen Rückmeldungen als Kündigungsgrund anfüge. Gleichzeitig habe D. in ihrer Befragung vom 29. Oktober 2019 ausdrücklich erklärt, der Beschwerdegegner sei nie mit diesen Rückmeldungen konfrontiert worden. Es sei daher festzustellen, dass die Beschwerdeführerin keine Massnahmen getroffen habe, um den Konflikt zu entschärfen. Dies mache sie im Übrigen auch nicht geltend. Obwohl die diesbezügliche Fürsorge- und Abklärungspflicht des Arbeitgebers ab einer gewissen hierarchischen Stufe abnehme, erweise sich die Kündigung ohne vorgängige Thematisierung des Konflikts als missbräuchlich. Daran ändere auch das Verhalten des Beschwerdegegners während der Kündigungsfrist nichts (E.4.2.2).

Die Beschwerdeführerin rügt, wie das Bundesgericht ausführt, eine Verletzung von Art 336 OR. Sie macht geltend, die von der Vorinstanz erwähnten Umstände vermöchten keine missbräuchliche Kündigung zu begründen. Die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus, eine privatrechtliche Kündigung bedürfe einer vorherigen Anhörung. Auch die von ihr verlangte vorgängige Abmahnung sei im Falle eines CEO nicht erforderlich. Ebenso unbegründet sei der Vorwurf, keine alternative Lösung gesucht zu haben. Der Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft sei nicht verpflichtet, mit einem CEO vor einer Kündigung alternative Lösungen zu suchen. Zudem seien diese Gründe vom Beschwerdegegner nie vorgebracht worden. Die Vorinstanz habe daher die Dispositionsmaxime verletzt. Die von der Vorinstanz ins Feld geführten Gründe schienen aus BGE 132 III 115 entnommen worden zu sein, dessen Konstellation mit der Vorliegenden nicht vergleichbar sei. (E.4.3).

Es ist somit vom Bundesgericht zu prüfen, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt, wenn sie vorliegend aus der Art und Weise der Ausübung des Kündigungsrechts, wie es die Vorinstanz festgestellt hat, eine missbräuchliche Kündigung ableitet. Dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei prüft (vgl. zit. Urteil 4A_126/2020 E. 3).  Die Beschwerdeführerin macht gemäss Bundesgericht zu Recht geltend, das Obligationenrecht kenne keine Pflicht, die Gegenpartei vor Aussprechen einer Kündigung anzuhören oder sie zunächst zu verwarnen (Urteil 4C.174/2004 vom 5. August 2004 E. 2.4; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, 7. Aufl. 2012, S. 999). Ebenso wenig besteht im Privatrecht eine generelle Pflicht, eine erwogene Kündigung zunächst einer Verhältnismässigkeitsprüfung in dem Sinne zu unterziehen, dass vor einer Kündigung immer zuerst mildere Massnahmen zu ergreifen wären (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., S. 999). Davon geht auch die Vorinstanz aus. Sie ist aber – mit Verweis auf das Urteil 4A_384/2014 vom 12. November 2014 – der Ansicht, bei älteren Arbeitnehmern mit langer Betriebszugehörigkeit bestünden solche Pflichten als Ausfluss einer erweiterten Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin (vgl. hiervor E. 4.2.1).

In BGE 132 III 115 entschied das Bundesgericht, ein Arbeitgeber handle missbräuchlich, wenn er einen Heizungsmonteur nach 44 klaglosen Dienstjahren nur wenige Monate vor der Pensionierung ohne betriebliche Notwendigkeit und ohne nach einer sozialverträglicheren Lösung gesucht zu haben, entlässt. In einem späteren Urteil stellte das Bundesgericht klar, bei BGE 132 III 115 habe es sich um einen aussergewöhnlichen, gar extremen Fall gehandelt (Urteil 4A_419/2007 vom 29. Januar 2008 E. 2.5). Demgemäss darf keine isolierte Betrachtung nur des Alters des Arbeitnehmers stattfinden, sondern es ist auf die gesamten Umstände des Einzelfalls abzustellen (zit. Urteil 4A_419/2007 E. 2.5; Urteil 4C.388/2006 vom 30. Januar 2007 E. 4.2). (E.4.3.2).

Das Bundesgericht macht dann die folgenden wichtigen Aussagen zum Thema der Fürsorgepflichten bei älteren Arbeitnehmenden: «Im Urteil 4A_384/2014, auf das die Vorinstanz Bezug nimmt, erwog das Bundesgericht, für Arbeitnehmer im fortgeschrittenen Alter und mit langer Dienstzeit gelte eine erhöhte Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin und leitete daraus Pflichten der Arbeitgeberin vorgängig zu einer Kündigung (vorgängige Information und Anhörung, Suche nach alternativen Lösungen) ab (zit. Urteil 4A_384/2014 E. 4.2.2). Dieses Urteil ist in Teilen der Lehre auf Kritik gestossen. Es wird beanstandet, das Bundesgericht leite Pflichten der Arbeitgeberin ab, die im kodifizierten Arbeitsrecht kaum eine Stütze fänden. Zudem werde das private Arbeitsrecht für eine bestimmte Arbeitnehmerkategorie dem öffentlichen Dienstrecht angenähert (ADRIAN VON KAENEL, Neuere Entwicklungen in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Kündigungsschutz, in: Festschrift für Thomas Geiser zum 65. Geburtstag, 2017, S. 481 ff., 489 f.; RENÉ HIRSIGER, Erhöhte Anforderungen bei ordentlicher Kündigung [dienst-]älterer Arbeitnehmenden?, in: dRSK, publiziert am 19. März 2015, Rz. 8). Andere Stimmen begrüssen den Entscheid in sozialpolitischer Hinsicht, da er den Schutz älterer Arbeitnehmer verstärke, was angesichts der gravierenden Auswirkungen solcher Kündigungen und der Tatsache, dass durch diese regelmässig jahrzehntelange, loyale Mitarbeitende betroffen seien, zu begrüssen sei (DENIS G. HUMBERT, Die Alterskündigung, AJP 2015 S. 868 ff., 873 f.; ABEGG/ BERNAUER, A rbeitsrechtliche Präjudizien des Bundesgerichts, in: Jusletter 2. Mai 2016 Rz. 18). Auf die Kritik am Urteil 4A_384/2014 muss hier nicht im Einzelnen eingegangen werden. Der Arbeitgeber hat zwar bei älteren Arbeitnehmern der Art und Weise der Kündigung besondere Beachtung zu schenken, entgegen der etwas apodiktischen Formulierung im betreffenden Urteil – „[der ältere Arbeitnehmer] hat namentlich Anspruch darauf, rechtzeitig über die beabsichtigte Kündigung informiert und angehört zu werden, und der Arbeitgeber ist verpflichtet, nach Lösungen zu suchen, welche eine Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses ermöglichen“ (zit. Urteil 4A_384/2014 E. 4.2.2) – bestimmt sich der Umfang der arbeitgeberischen Fürsorgepflicht vorgängig zu einer Kündigung jedenfalls auch hinsichtlich dieser Arbeitnehmerkategorie einzelfallbezogen aufgrund einer Gesamtwürdigung der jeweiligen Umstände.» (E.4.3.2 a.E.).

Anschliessend äussert sich das Bundesgericht wie folgt zu den Fürsorgepflichten bei Kündigungen von Geschäftsführern: «Die Vorinstanz hat in E. 6.3.4 des angefochtenen Entscheids einzig das Alter und die lange Dienstzeit des Beschwerdegegners isoliert berücksichtigt und daraus spezifische Pflichten der Beschwerdeführerin abgeleitet, welche diese nicht erfüllt habe, womit von einer missbräuchlichen Kündigung auszugehen sei. Sie ging jedoch nicht auf die spezifische Stellung des Beschwerdegegners innerhalb des Unternehmens ein. Der Beschwerdegegner war gemäss den unbestrittenen vorinstanzlichen Feststellungen Verwaltungsratsmitglied und Vorsitzender der Geschäftsleitung. Die Vorinstanz führt denn auch an anderer Stelle – im Zusammenhang mit der Bemessung der Entschädigung – aus, beim Beschwerdegegner handle es sich nicht um einen „normalen“ Arbeitnehmer. Er sei Geschäftsführer gewesen, habe erhebliche Entscheidkompetenzen gehabt und eine grosse Verantwortung getragen.  Die Beschwerdeführerin macht zu Recht geltend, sie sei grundsätzlich nicht verpflichtet, mit dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung nach alternativen Lösungen zu einer Kündigung zu suchen. Dies würde zudem voraussetzen, dass das Arbeitsverhältnis überhaupt in irgendeiner Form weitergeführt werden könnte. Bei einem Vorsitzenden der Geschäftsleitung dürfte sich eine Weiterbeschäftigung im Unternehmen in einer anderen Form, zum Beispiel in einer Unterabteilung, eher schwierig gestalten, wie die Beschwerdeführerin zu Recht ausführt. Bezeichnenderweise macht der Beschwerdegegner vor Bundesgericht auch nicht geltend, eine Weiterbeschäftigung bei der Beschwerdeführerin in einer anderen Form wäre möglich gewesen. Die Ausübung des an und für sich bestehenden Rechts zur Kündigung wird eingeschränkt, wenn dies zu einem krassen Missverhältnis der Interessen führen würde (BGE 132 III 115 E. 2.4). Bei einem Geschäftsführer, der erhebliche Entscheidkompetenzen hat und grosse Verantwortung trägt, ist das Interesse der Arbeitgeberin an der Kündigungsfreiheit entsprechend hoch zu gewichten. Im Rahmen der Abwägung ist (zumindest ergänzend) auch der relativ hohe Lohn des Beschwerdegegners mitzuberücksichtigen. Der Beschwerdegegner macht in seiner Beschwerdeantwort zwar geltend, die Umstände des Einzelfalls würden dazu führen, dass die Beschwerdeführerin erhöhte Pflichten träfen. Er führt aber nicht aus, auf welche konkreten Umstände – neben seinem Alter und der langen Betriebszugehörigkeit – er sich damit bezieht. Allein der zusätzliche Umstand, dass der Beschwerdegegner ein Familienmitglied ist, reicht jedenfalls nicht. Es verletzt daher Bundesrecht, wenn die Vorinstanz vorliegend eine missbräuchliche Kündigung damit begründet, dass der Beschwerdegegner vorgängig zur Kündigung hätte angehört und mit ihm eine alternative Lösung hätte gesucht werden müssen.» (E.4.3.3).

Weiter äusserte sich das Bundesgericht, dass die Vorinstanz zudem erwog, es komme hinzu, dass die Beschwerdeführerin den Beschwerdegegner nie auf negative Rückmeldungen hinsichtlich seines Umgangs mit den Mitarbeitenden angesprochen bzw. ihn abgemahnt habe (vgl. hiervor E. 4.2.2). Aus der vorinstanzlichen Begründung ist nicht abschliessend klar, ob sie auch allein darin – im Sinne einer Eventualbegründung – eine missbräuchliche Kündigung erblicken würde.  Die Beschwerdeführerin macht diesbezüglich gemäss dem Bundesgericht jedenfalls geltend, sie habe keine Pflicht gehabt, den Beschwerdegegner abzumahnen. Es sei einem Verwaltungsrat unbenommen, einen CEO zu entlassen, wenn dessen Gebaren untragbare Formen angenommen habe und zu Schaden führe. Gemäss den im vorinstanzlichen Urteil wiedergegebenen erstinstanzlichen Feststellungen, wurde das Verhalten des Beschwerdegegners bzw. finanzielle Probleme der Beschwerdeführerin als Kündigungsgrund angegeben. Die Vorinstanz hielt denn auch selbst fest, dass insbesondere der Umgang mit den Mitarbeitenden als Kündigungsgrund angegeben worden sei. Daraus ergibt sich, dass nicht allein das Verhalten gegenüber den Mitarbeitern als Kündigungsgrund angefügt worden ist. Im Übrigen wäre im Falle eines Geschäftsführers eine Kündigung nicht allein deshalb missbräuchlich, weil er vorgängig nicht abgemahnt bzw. mit den Vorwürfen konfrontiert worden ist. Die Überlegungen in E. 4.3.3 gelten auch bezüglich einer fehlenden Abmahnung. Der Beschwerdegegner hatte innerhalb der Beschwerdeführerin keine untergeordnete Position, sodass Probleme mit den Mitarbeitenden (potentiell) Auswirkungen auf das ganze Unternehmen hatten (vgl. Urteil 4A_130/2016 vom 25. August 2016 E. 2.2). Die Verneinung der Missbräuchlichkeit einer Entlassung setzt im Übrigen insbesondere auch nicht voraus, dass die Arbeitgeberin alle Pflichten erfüllt und sich in jeder Hinsicht tadellos verhalten hat, relevant ist einzig, ob die Kündigung gegen die Regeln von Treu und Glauben verstossen hat (vgl. BGE 136 III 513 E. 2.6 S. 517).  Eine Missbräuchlichkeit der Kündigung ergibt sich vorliegend gemäss dem Bundesgericht jedenfalls auch nicht daraus, dass der Beschwerdegegner vorgängig nicht über die negativen Rückmeldungen der Mitarbeitenden der Beschwerdeführerin informiert worden ist. Schliesslich sind auch keine anderen Missbräuchlichkeitsgründe ersichtlich oder werden vom Beschwerdegegner vor Bundesgericht rechtsgenügend dargetan, wie das Bundesgericht bemerket (E.4.3.4).

Es verletzt somit, wie das Bundesgericht ausführt, insgesamt Bundesrecht, wenn die Vorinstanz die Kündigung vom 25. August 2016 als missbräuchlich qualifiziert. Auf die Rügen der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Bemessung der Entschädigung muss bei diesem Ergebnis nicht mehr eingegangen werden. (E.4.3.5).

Die Beschwerde wurde durch das Bundesgericht teilweise gutgeheissen (E.6).

Kommentar zum Urteil des Bundesgerichts 4A_44/2021 vom 2. Juni 2021

Im Urteil 4A_44/2021 vom 2. Juni 2021 stellt das Bundesgericht bei der Frage der missbräuchlichen Kündigung, auch bei der Alterskündigung, die Einzelfallbetrachtung in den Vordergrund.

Bis zu einem gewissen Grad relativierte das Bundesgericht wohl auch seine im Urteil 4A_384/2014 definierte Praxis oder fühlt sich zumindest in der arbeitsrechtlichen Lehre in der Deutung missverstanden.

Das Urteil 4A_44/2021 vom 2. Juni 2021 heisst aber mit Sicherheit nicht, dass der Kündigung von Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern und anderen Kadermitarbeitenden das Vorgehen in Bezug auf Alterskündigung einfach ausgeblendet werden kann. Alle Arbeitgeberinnen tun sicher gut daran, bei Kündigungen, welche sich als missbräuchlich herausstellen könnten, den jeweils vorsichtigeren Weg zu wählen. Dazu gehört u.a. auch die Einhaltung des Verfahrens der Alterskündigung.

Von: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., LL.M., www.jobanwalt.ch

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