EMS möchte Informationen über Ferienpläne der Mitarbeiter – arbeitsrechtlich zulässig?

Wie der Blick heute berichtet, müssen bei der EMS Arbeitnehmer Ferienanträge mittels Formular bei ihren Vorgesetzten einreichen. Das Antragsformular ist gemäss Blick kürzlich überarbeitet worden und enthält eine neue Spalte. Im Gegensatz zur Zeit vor Corona verlangt die EMS-Führung jetzt die zusätzliche Angabe von Ort und Land, in denen Ferien geplant sind. Zum Beispiel: Lenzerheide GR, Schweiz, oder Sizilien, Italien. Darf der Arbeitgeber, in diesem Fall EMS, die Angabe des Ferienorts und -landes einfordern? Entgegen den im Blick zitierten Meinungen, ist dies aus der Sicht des Arbeitsrechts etwas komplexer.

EMS nimmt im Blick wie folgt Stellung: «Die Offenlegung wurde gestützt auf die Informationspflicht der Mitarbeiter/innen bei Reisen in Risikogebiete und -länder verlangt», heisst es in einer Stellungnahme von Ems an BLICK. Das Unternehmen bestätigt, dass das Antragsformular aufgrund der Corona-Krise eingeführt wurde. Damit wolle die Ems-Gruppe ihrer Fürsorgepflicht und rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, die Gesundheit der Angestellten zu schützen, heisst es weiter.

Im Blick wird weiter der emeritierte Prof. Thomas Geiser zitiert: „Ems gehe zu weit, sagt Jurist und Arbeitsrecht-Experte Thomas Geiser (67). «Die Arbeitgeberin darf diese Offenlegung nicht verlangen.» Entsprechend könne der Arbeitnehmer auch etwas gänzlich Falsches angeben, ohne dass sich daraus negative Konsequenzen für ihn ergäben.

In Zeiten der COVID-19 (Coronavirus) Pandemie, ist unbestritten, dass es aussergewöhnlicher Zustand in der Schweiz und auf der ganzen Welt, der mit dem bisherigen kaum vergleichbar sein dürfte. Rechtlich herrscht in der Schweiz auch ein ausserordentlicher Zustand, der Bundesrat hat eine „aussergewöhnliche Lage“ nach Art. 7 Epidemiengesetz (EpG) ausgerufen. Es sind auch diverse Massnahmen in Kraft, u.a. Einreisebeschränkungen. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge ist auch klar, dass das Coronavirus aus dem Ausland in die Schweiz eingeschleppt wurde und Reisen einen Risikofaktor darstellt. Auch unbestritten ist, dass Reisen in Risikogebiete zu Quarantäne führen können, wo auch Lohnfortzahlungspflichten des Arbeitgebers zur Diskussion stehen können.

Der Arbeitnehmer hat ein Recht auf Privatsphäre. Ferien, Ferienorte und Ferienpläne sind grundsätzlich seine private Sache. Hier muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auch normalerweise keine Auskunft geben, auch nicht nachträglich. Auch wenn der Arbeitgeber grundsätzlich den Ferienzeitpunkt (in Absprache mit dem Arbeitnehmer) bestimmt, darf er nicht den Arbeitnehmer dabei nach seinen konkreten Ferienplänen fragen.

Der Arbeitgeber ist gemäss Art. 328 OR rechtlich verpflichtet, die Persönlichkeit und die Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen. Dazu gehören natürlich auch Massnahmen zum Gesundheitsschutz im Betrieb. Unter Massnahmen sind gemäss arbeitsrechtlicher Lehre und Rechtsprechung, neben eigentlichen Schutzmassnahmen (an Maschinen etc.) auch solche der Arbeitsorganisation, Instruktion, Überwachung, Leitung u.V.m. Dass Massnahmen in allen Betrieben zum Schutz vom Coronavirus getroffen werden müssen, ist unbestritten. Dazu gibt es auch Bestimmungen in der COVID-19 Veordnung des Bundesrates vom 13. März 2020 sowie in den Richtlinien des BAG. Eine Deklarationspflicht von Reisen von Arbeitnehmern in Risikogebiete, auch wenn diese privat sind bzw. Ferien betreffen, dient dem Schutz des Betriebs und aller anderen Arbeitnehmer vor dem Coronavirus. Unbestritten ist ja, dass der Arbeitgeber derzeit Geschäftsreisen in Risikogebiete nicht oder nur eingeschränkt anordnen darf.

Der Arbeitnehmer steht gegenüber dem Arbeitgeber unter einer Treuepflicht (Art. 321a Abs. 1 OR). Diese Treuepflicht ist derzeit wegen COVID-19 sogar noch weiter erhöht.

Es kann deshalb durchaus auch rechtlich dahingehend argumentiert werden, dass Massnahmen bezüglich einer nachträglichen Feriendeklaration in Risikogebiete durchaus geboten sind. Das gilt zumindest für die nachträgliche Deklaration. Es könnte sich deshalb, zumindest für die Sommer- und Herbstferien 2020, als „Best Practice“ entpuppen, entsprechende Informationen nach den Ferien – aber vor der Rückkehr an den Arbeitsplatz – bei Arbeitnehmern einzuholen, auch schriftlich. Denkbar ist, dass die Massnahmen der EMS dahingehend zu weit gehen, dass einerseits vor den Ferien Informationen erhoben werden und andererseits zu detaillierte Informationen verlangt werden vom Arbeitnehmer.

Eine andere Lösung wäre es Risikogebiete festzulegen und den Arbeitnehmer dahingehend vor der Rückkehr an den Arbeitsplatz zu befragen, ob er in einem Risikogebiet war. Dann würde die Privatsphäre des Arbeitnehmers weiter geschützt, er müsste nicht konkret darlegen wo er war. Die Risikogebiete würde als eine Liste gesamthaft deklariert.

Selbstverständlich müssen diese Daten streng vertraulich behandelt werden. Das gilt ja auch verschiedene andere Arbeitnehmerdaten.

Autor: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., LL.M., jobanwalt.ch

 

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