Arbeitsrechtliche Gerichtsstände in der ZPO
Art. 34 ZPO behandelt die örtliche Zuständigkeit bei arbeitsrechtlichen Klagen:
- Für arbeitsrechtliche Klagen ist das Gericht am Wohnsitz oder am Sitz der beklagten Partei oder an dem Ort, an dem die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer gewöhnlich die Arbeit verrichtet, zuständig (Art. 34 Abs. 1 ZPO).
- Für Klagen welche eine Zweigniederlassung des Arbeitgebers betreffen, kann diese zusätzlich auch am Ort der Zweigniederlassung erhoben werden.
- Für Klagen einer stellensuchenden Person sowie einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers, der sich auf das Arbeitsvermittlungsgesetz vom 6. Oktober 1989 (AVG) stützen, ist zusätzlich das Gericht am Ort der Geschäftsniederlassung der vermittelnden oder verleihenden Person, mit welcher der Vertrag abgeschlossen wurde, zuständig (Art. 34 Abs. 2 ZPO).
Am meisten zu Diskussionen in der arbeitsrechtlichen Praxis kann der Gerichtsstand des Ortes, an welchem die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer für gewöhnlich die Arbeit verrichtet führen.
Verzichtsverbot bezüglich arbeitsrechtlicher Gerichtsstände
Auf die Gerichtstände von Art. 34 ZPO dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht zum Voraus oder durch Einlassung verzichten (Art. 35 Abs. 1 lit. d ZPO).
Der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung ist gemäss dem Wortlaut der ZPO nur nach Entstehung der Streitigkeit zulässig (Art. 35 Abs. ZPO).
Einseitige Unverbindlichkeit von Gerichtsstandsklauseln für Arbeitnehmer
Das Bundesgericht hat aber im Urteil 4A_291/2018 vom 10. Januar 2019 festgehalten, dass zum Voraus getroffene Gerichtsstandsvereinbarungen bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten nicht nichtig, sondern lediglich als für den Arbeitnehmer einseitig unverbindlich zu betrachten sind. Hingegen bleibt der Arbeitgeber an jede Gerichtsstandsvereinbarung gebunden, wenn sie vom Gerichtsstand von Art. 34 ZPO abweicht.
Dazu das Bundesgericht wörtlich: «Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die Gerichtsstandsvereinbarung sei nichtig, übersieht sie, dass sich im Voraus getroffene Gerichtsstandsvereinbarungen bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten nicht als nichtig, sondern als für den Arbeitnehmer einseitig unverbindlich erweisen. Der Arbeitgeber als stärkere Partei bleibt seinerseits an die Gerichtsstandsvereinbarung gebunden, wenn vom Gerichtsstand des Art. 34 ZPO abgewichen wird (Urteil 4C.29/2006 vom 21. März 2006E. 4.1 und E. 4.2; NOËLLE KAISER JOBS, a.a.O., N. 15 zu Art. 35 ZPO).» (E.3.5.).
Gerichtsstand der ordentlichen Arbeitsverrichtung
Der Gerichtstand der ordentlichen Arbeitsverrichtung von Art. 34 Abs. 1 ZPO hat in der arbeitsrechtlichen Praxis durchaus eine gewisse Relevanz. Namentlich bei Aussendienstmitarbeitern, vor allem wen der Ort der ordentlichen Arbeitsverrichtung in einem Teil der Schweiz liegt und der Sitz des Arbeitgebers an einem ganz anderen Ort, allenfalls sogar die Sprachgrenzen überschreitend.
Im Urteil 4A_527/2018 vom 14. Januar 2019 befasste sich das Bundesgericht eingehend mit dem Gerichtsstand am Ort der gewöhnlichen Arbeitsverrichtung. Das Bundesgericht hat dadurch einen wichtigen Leitentscheid über den Gerichtstand, wo der Arbeitnehmer gewöhnlich seinen Arbeitsort verrichtet, gefällt. Diese höchstrichterliche Rechtsprechung kann Auswirkungen auf Mitarbeitende von verschiedensten Branchen haben, namentlich im Aussendienst. Die X. SA (Arbeitgeber) hat ihren Sitz in Opfikon im Kanton Zürich und betreibt Zweigniederlassungen in den Kantonen Luzern, Freiburg und St. Gallen. Z. war von der X. SA als Aussendienstmitarbeiter angestellt. Der Arbeitnehmer hatte seinen Wohnsitz in Conthey im Kanton Wallis und war für die Kundenbeziehungen im Kanton Wallis verantwortlich.
Das Bundesgericht hielt fest, dass der Gerichtsstand am Ort, wo der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, keine festen Betriebseinrichtungen des Arbeitgebers voraussetzt (E. 6). Grundsätzlich liegt dieser Ort dort, wo der Arbeitnehmer zum überwiegenden Teil seine Arbeitszeit leistet (E. 7) bzw. dort, wo sich effektiv das Zentrum seiner Arbeitsaktivitäten befindet (E. 8). Abzustellen ist dabei nicht nur auf zeitliche Elemente, sondern auch auf die qualitative Wichtigkeit des Arbeitsortes im Hinblick auf die Arbeitsleistung (E. 7).
Gemäss dem Urteil des Bundesgerichts darf nur mit Zurückhaltung angenommen werden, es sei kein Ort gegeben, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet (E. 7). Dies gilt insbesondere dann, wenn, so wie im betreffenden Urteil, der Arbeitnehmer gezwungen wäre, am Sitz des Arbeitgebers zu klagen und dieser Ort keinen effektiven Bezug zur Arbeitstätigkeit des Arbeitnehmers aufweist. Der Arbeitnehmer mit Wohnsitz im Wallis war deshalb nicht gehalten im Kanton Zürich zu klagen (vgl. E. 9).
Das Bundesgericht erklärte weiter, dass der Gerichtsstand am Ort der gewöhnlichen Arbeitsverrichtung auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortbesteht (E. 10).
Relevanz für Homeoffice und andere Arbeitsformen, wie Co-Working-Spaces
Das Urteil des Bundesgerichts Urteil 4A_527/2018 vom 14. Januar 2019 hat heute eine noch grössere bzw. eine ganz neue Bedeutung erhalten.
Die Anwendung der Grundsätze dieses Urteils ist auch auf Homeoffice und auf andere Arbeitsformen, wie Co-Working-Spaces, zu prüfen, welches ja in immer mehr Schweizer Unternehmen zu einem grossen Teil oder gar zu einem überwiegenden Teil der Erbringung der Arbeitsleistung genutzt wird.
Im Homeoffice befindet sich ja gerade das Zentrum der Aktivitäten des Arbeitnehmers zu Hause. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer während einer längeren Zeit mehr als 50% der Arbeit von zu Hause aus verrichtet.
Autor: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., LL.M., www.jobanwalt.ch
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