Hitzefrei (Hitzeferien) im schweizerischen Arbeitsrecht?

Im Gegensatz zu ausländischen Rechtsordnungen, z.B. Deutschland, kennt das schweizerische Arbeitsrecht keine genau definierten Hitzeferien für Arbeitnehmende, etwa nach den herrschenden Höchstemperaturen. Grundsätzlich muss auch bei hochsommerlich heissen Temperaturen gearbeitet werden. Der Arbeitgeber untersteht aber der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht gegenüber den Arbeitnehmenden und muss alle Massnahmen treffen, die für den Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmenden notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebs angemessen sind. Und schwangere Arbeitnehmerinnen geniessen gemäss Art. 8 der Mutterschutzverordnung einen besonderen Schutz ab Temperaturen von 28 Grad.

Es gibt also in der Schweiz keine nach der Höchsttemperatur bestimmten bzw. absolut definierten Hitzeferien. Auch aus den allgemeinen arbeitsrechtlichen Erlassen dürfte sich kein Anspruch auf Hitzefrei bzw. auf Hitzeferien oder ein Anspruch auf eine Klimaanlage am Arbeitsplatz ableiten lassen. Bei schwangeren Arbeitnehmerinnen sieht es hingegen anders aus.

Bestimmungen in der ArGV 3
Gemäss Art. 16 ArGV 3 sind sämtliche Räume nach ihrem jeweiligen Verwendungszweck entsprechend ausreichend natürlich oder künstlich zu lüften. Raumtemperatur, Luftgeschwindigkeit und relative Luftfeuchtigkeit müssen so bemessen und abgestimmt sein, dass ein der Gesundheit nicht abträgliches und der Art der Arbeit angemessenes Raumklima gewährleistet ist.

Weiter sind Arbeitnehmende gemäss Art. 20 ArGV 3 vor übermässiger Sonneneinwirkung sowie vor übermässiger Wärmestrahlung, die durch Betriebseinrichtungen und Arbeitsvorgänge verursacht wird, zu schützen.

Ausführungen des SECO
Beim Sekretariat für Wirtschaft (SECO) sind folgende Ausführungen zum Thema Hitze und Arbeitsplatz zu finden: «Die Arbeitnehmenden sind vor übermässiger Hitze und Sonneneinwirkung zu schützen. Muss in ungeheizten Räumen, in nicht vollumwandeten Bauten oder im Freien gearbeitet werden, so sind die erforderlichen Massnahmen zum Schutz der Arbeitnehmenden vor Kälte- und Witterungseinflüssen zu treffen.» (Website SECO, besucht am 25. Juli 2020).

In der Wegleitung zu den Verordnungen 3 und 4 zum Arbeitsgesetz (ArGV 3 und ArGV 4) gibt es Empfehlungen zu Thema Hitze. Das SECO schränkt aber gleich selber wie folgt ein: «Alle nachfolgend aufgeführten Hilfsmittel des SECO haben lediglich Empfehlungscharakter. Einzelne Branchen haben als Teil ihrer Branchenlösungen für Arbeitssicherheit eigene weiterführende Hilfsmittel über Arbeit bei Hitzeperioden herausgegeben (z.B. Baubranche), welche auf die spezifischen Gegebenheiten der Branche zugeschnitten sind.»
Im Informationsblatt «Büroarbeit und Hitze» von SECO sind u.a. die folgenden Empfehlungen zu finden:

Vorsorgemassnahmen
– Nachtabkühlung für Räume nutzen: Nach Möglichkeit Fenster über Nacht öffnen. In den frühen Morgenstunden gut durchlüften.
– Sonneneinstrahlung in den Raum verhindern: Storen und Jalousien schliessen.
– Fenster bei Hitze geschlossen halten, insbesondere bei geschlossenen Rollläden (Hitze aussperren).
– Nach Möglichkeiten leichtere Bekleidung wählen, allenfalls Kleiderordnung anpassen (Krawatten und lange Kleidung vermeiden).
– Genügend Flüssigkeit trinken (z. B. Wasser, ungesüssten Tee).

Technische Schutzmassnahmen
– Beschattung von Fassaden und Fenstern (z. B. Vordach, Beschattungselemente, Aussenstoren, Pflanzen).
– Reduktion von Wärmequellen im Gebäude (z. B. Beleuchtung, Bürogeräte, Maschinen).
– Erzeugen eines Luftzugs am Arbeitsplatz (z. B. mit Ventilatoren).

Organisatorische Massnahmen
– Zugang zu Getränken und Zeit zum Trinken gewährleisten.
– Arbeitstätigkeit-, Arbeitszeit- und Pausengestaltung anpassen: z. B. früher mit der Arbeit beginnen; Gleitzeitregelungen nutzen; Ruhepausen an kühlen Orten einplanen.
– Vermehrt in kühleren Bereichen aufhalten.
– Rücksicht auf besondere Personengruppen nehmen (z. B. Schwangere, Stillende, Jugendliche, Ältere und gesundheitlich Gefährdete).
– Erste Hilfe gewährleisten.

Instruktion der Arbeitnehmenden
– Personal über Hitzefolgen und Anzeichen von Hitzebelastung schulen.
– Die festgelegten Massnahmen kommunizieren.
– Regelmässig und ausreichend Flüssigkeit einnehmen.
– Kalte, frische und leichte Mahlzeiten bevorzugen.
– Bei Aufenthalt im Freien direkte Sonne meiden.

Sonderfall: Schwangere Arbeitnehmerinnen
Für schwangere Arbeitnehmerinne besteht eine besondere gesetzliche Bestimmung in Art. 8 der Mutterschutzverordnung: «Als gefährlich oder beschwerlich für Schwangere gelten Arbeiten in Innenräumen bei Raumtemperaturen unter –5° C oder über 28° C sowie die regelmässige Beschäftigung mit Arbeiten, die mit starker Nässe verbunden sind. Bei Temperaturen, die 15° C unterschreiten, sind warme Getränke bereit zu stellen. Arbeiten bei Temperaturen unter 10° C bis –5° C sind zulässig, sofern der Arbeitgeber eine Bekleidung zur Verfügung stellt, die der thermischen Situation und der Tätigkeit angepasst ist. Bei der Beurteilung der Raumtemperatur sind auch Faktoren wie die Luftfeuchtigkeit, die Luftgeschwindigkeit oder die Dauer der Exposition zu berücksichtigen

Bei schwangeren Arbeitnehmerinnen besteht in der Schweiz dennoch mit 28 Grad eine definierte Temperaturobergrenze am Arbeitsplatz.

Handlungsoptionen von Arbeitnehmenden bei mutmasslichen Verletzungen
Bei Verletzungen des Arbeitsgesetzes und der entsprechenden Verordnungen (vorliegend ArGV 3) durch den Arbeitgeber besteht für die Arbeitnehmenden die Option, sich an die Vollzugsbehörden des Arbeitsgesetzes (in der Regel die kantonalen Arbeitsämter) zu wenden.
Beschwerden werden vertraulich behandelt und die Arbeitsinspektoren unterstehen dem Amtsgeheimnis. Diese können vom Betrieb verlangen, dass angemessene Massnahmen getroffen werden, sofern die Gesundheit der Arbeitnehmenden ungenügend geschützt sein sollte durch die Massnahmen des Arbeitgebers.

Auf der zivilrechtlichen Seite bestehen Vorgehensmöglichkeiten für die Arbeitnehmenden aus dem Obligationenrecht (OR). Sie können den Arbeitgeber auffordern, Verbesserungen vorzunehmen bzw. Massnahmen zu ergreifen. Denkbar wären auch Schadenersatz- oder Genugtuungsansprüche. Letztere sind aber eine eher hohe Hürde.

Autor: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., LL.M., www.jobanwalt.ch

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