Homeoffice – zwingender Beitrag des Arbeitgebers an die Mietkosten des Arbeitnehmers?

In der heutigen Sonntagszeitung, wird ein Urteil des Bundesgerichts «vom April» erwähnt, bei welchem dem Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin ein Unkostenbeitrag für Miete wegen Arbeit im Homeoffice zugesprochen wird. Dabei könnte es sich um das Urteil des Bundesgerichts 4A533/2019 vom 23. April 2019 handeln – es muss fast so sein, wegen Details im Sachverhalt. Wegen des Homeoffice-Booms, der immer noch in der Schweiz herrscht, schauen wir uns dieses über ein Jahr alte Urteil gerne genauer an. Der zentrale Punkt auf der Sachverhaltsebene in diesem Urteil war, dass dem Arbeitnehmer beim Arbeitgeber kein Arbeitsplatz bzw. keinerlei Infrastruktur zur Verfügung stand und auch keine vertragliche Vereinbarung zum Homeoffice bestand.

Mit Klage vom 12. August 2016 klagte ein Arbeitnehmer vor dem Bezirksgericht Zurzach gegen seinen Arbeitgeber. Das Arbeitsgericht sprach dem Arbeitnehmer u.a. eine Entschädigungszahlung von CHF 1’425.– für die Nutzung seines privaten Zimmers als Büro/Archiv zu. Die dagegen durch die Arbeitgeberin erhobene Beschwerde in Zivilsachen wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 18. Juli 2018 ab.
Umstritten war vor Bundesgericht auch, ob der Arbeitnehmer eine Entschädigung für die Nutzung eines Zimmers in seiner privaten Wohnung als Arbeitszimmer bzw. Archiv zusteht.

Dazu äusserte sich das Bundesgericht wie folgt:
«Die Vorinstanz hielt fest, Art. 327a OR stelle eine Rechtsgrundlage für die finanzielle Beteiligung der Arbeitgeberin an den Mietkosten des Arbeitnehmers dar, wenn erstere – wie vorliegend unbestritten – letzterem keinen dauernden und geeigneten Arbeitsplatz angeboten habe (dass die Erstinstanz den Entschädigungsanspruch auf Art. 327 OR gestützt habe, sei unschädlich). Soweit sich die Beschwerdeführerin nach wie vor auf den Standpunkt stelle, es habe keine Entschädigungsvereinbarung zwischen den Parteien bestanden, habe die Erstinstanz zutreffend darauf hingewiesen, die Entschädigungspflicht bestehe ex lege. Die Festsetzung der Entschädigung durch die Erstinstanz sei auch nicht in Überschreitung der sozialen Untersuchungsmaxime erfolgt. Die Schätzung des Anspruchs gestützt auf Art. 42 Abs. 2 OR erweise sich als zulässig. Mit der erstinstanzlichen Berechnung des Anspruchs setze sich die Beschwerdeführerin nicht auseinander, weshalb es dabei bleibe» (E.6.1).

«Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanzen hätten eine Entschädigung zugestanden, obwohl im schriftlichen Arbeitsvertrag davon nichts vermerkt sei. Zwischen den Parteien sei weder mündlich noch schriftlich eine “ Büro- oder Archivmiete “ vereinbart gewesen.
Die Vorinstanz hat den Entschädigungsanspruch nicht auf Art. 327 OR, sondern auf Art. 327a OR abgestützt. Von Arbeitsrechts wegen hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer alle durch die Ausführung der Arbeit notwendig entstehenden Auslagen zu ersetzen (Art. 327a Abs. 1 OR). Davon kann gemäss Art. 327a Abs. 3 und Art. 362 OR ausschliesslich zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.315/2004 vom 13. Dezember 2004 E. 2.2).
Der Beschwerdegegner hat nicht geltend gemacht, dass er das Zimmer, welches als Arbeitszimmer bzw. Archiv genutzt wurde, im Hinblick auf die Homeoffice-Arbeit gemietet hat. Unbestritten ist aber, dass dem Beschwerdegegner kein geeigneter Arbeitsplatz bei der Beschwerdeführerin zur Verfügung stand (vgl. hiervor E. 6.1). In der Lehre wurde für diesen Fall zu Recht argumentiert, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen bzw. keinen geeigneten Arbeitsplatz anbiete, so sei die Arbeitsinfrastruktur zu Hause für die Berufsausübung jedenfalls notwendig und nach Art. 327a OR erstattungspflichtig. Es liege fast eine identische Situation vor, wie wenn ein Arbeitnehmer aufgrund der Homeoffice-Arbeit ein zusätzliches Zimmer zu mieten hätte (PASCAL DOMENIG, Homeoffice-Arbeit als besondere Erscheinungsform im Einzelarbeitsverhältnis, 2016, S. 230, Rz. 755; für eine Entschädigung auch ROMINA CARCAGNI ROESLER, Home Office, ArbR, Mitteilungen des Instituts für Schweizerisches Arbeitsrecht, 2014, S. 71 ff., 88 ff.). Die in der Lehre vertretene Ansicht, wonach in Fällen, in denen der Arbeitnehmer das entsprechende Zimmer bzw. die Wohnung nicht im Hinblick auf die Homeoffice-Arbeit gemietet hat, keinen Anspruch auf Auslagenersatz nach Art. 327a OR bestehen soll, da der Arbeitnehmer in solchen Fällen die Auslagen ohnehin gehabt hätte – mit anderen Worten die berufliche Nutzung nicht der entscheidende Grund bilde – ist nicht sachgerecht (vgl. jedoch PULVER/MAHON/GUY-ECABERT, Aspect juridique du télétravail, Annexe au rapport télématique et nouvelles formes de travail, in: Technology Assessment, Conseil Suisse de la Science et de la Technologie, 2000, S. 31, Rz. 214.3; JEAN-MARC BEYELER, L e Télétravail, Questions De Droit, 18/2002, S. 3 ff., 5. Vgl. zum Ganzen die Diskussion im Zusammenhang mit einem privat erworbenen Generalabonnement bei STREIFF/ VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, 7. Aufl. 2012, S. 489 f.). In der Lehre wurde zu Recht festgehalten, dass es keine Rolle spiele, ob die Arbeitsauslagen direkt oder indirekt entstanden seien. Es seien Auslagen getätigt worden, welche indirekt auch dem Arbeitgeber zugutekämen. Vergleichbar sei die Situation mit jener der Benützung des privaten Fahrzeuges für Geschäftsfahrten, welche in Art. 327b OR explizit geregelt sei (vgl. FADRI BRUNOLD, D ie Arbeitsauslagen im schweizerischen Individualarbeitsrecht, 2014, S. 11). Es verletzt daher kein Bundesrecht, wenn die Vorinstanz dem Beschwerdegegner vor dem Hintergrund, dass diesem von der Beschwerdeführerin kein geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wurde, eine Entschädigung zuspricht. Im Übrigen ist vorliegend zusätzlich zu beachten, dass das Zimmer unbestrittenermassen nicht nur als Arbeitszimmer, sondern zusätzlich auch als Archiv genutzt wurde.» (E.6.2).

Das Bundesgericht äusserte sich als Kernaussage dahingehend, dass falls der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen bzw. keinen geeigneten Arbeitsplatz anbietet, die Arbeitsinfrastruktur im Homeoffice für die Berufsausübung als notwendig zu erachten ist und mithin der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund von Art. 327a OR die entsprechenden Kosten zu erstatten hat.

Die Bestimmung von Art. 327a OR besagt Folgendes:
«Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer alle durch die Ausführung der Arbeit notwendig entstehenden Auslagen zu ersetzen, bei Arbeit an auswärtigen Arbeitsorten auch die für den Unterhalt erforderlichen Aufwendungen.
Durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann der Auslagenersatz eine feste Entschädigung, wie namentlich ein Taggeld oder eine pauschale Wochen- oder Monatsvergütung festgesetzt werden, durch die jedoch alle notwendig entstehenden Auslagen gedeckt werden müssen.
Abreden, dass der Arbeitnehmer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise selbst zu tragen hat, sind nichtig»

Dieses Urteil des Bundesgerichts kann zwar nicht pauschal auf die COVID-19 Homeoffice-Situation übertragen werden. Denn dort ist die Sachverhaltsebene ein ganz andere, u.a. hatten bereits viele Personen die arbeitsvertraglich geregelte Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten und konnten auch an ihren bisherigen festen Arbeitsplätzen arbeiten, und die Situation war auch eine temporäre Notsituation für alle Beteiligten.

Dennoch wird das Urteil zu beachten sein, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Anteil der Homeoffice-Arbeit ausweiten und allenfalls sogar für einzelne Arbeitnehmer auf feste Arbeitsplätze verzichten. Zu bedenken ist insbesondere, dass es sich bei Art. 327a OR um eine sog. teilzwingende Bestimmung des Arbeitsrechts im Sinne von Art. 362 OR handelt. Es darf von ihr nur zugunsten, nicht aber zuungunsten, des Arbeitnehmers abgewichen werden.

Autor: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., LL.M., www.jobanwalt.ch

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