Sachverhalt
Der A., geboren 1958, arbeitete seit Mai 2012 für die Institution B., zuletzt seit Juli 2016 als Bereichsleiter Finanzen und zentrale Dienste. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis am 5. November 2018 per 28. Februar 2019 und stellte A. mit sofortiger Wirkung frei. Dieser meldete sich am 31. Januar 2019 beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) zur Arbeitsvermittlung und bei der Öffentlichen Arbeitslosenkasse Baselland (nachfolgend: ÖAK oder Beschwerdegegnerin) zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung ab 1. März 2019 an. Mangels Erfüllung der Mindestbeitragszeit nach der vorzeitigen Pensionierung per 1. März 2019 verneinte die ÖAK die Anspruchsberechtigung ab 1. März 2019 (Verfügung vom 11. April 2019) und hielt mit Einspracheentscheid vom 22. Juli 2019 daran fest.
Prozessgeschichte
Die hiegegen erhobene Beschwerde des A. wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft ab (Entscheid vom 13. Februar 2020).
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A. beantragen, die ÖAK sei unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides zu verpflichten, ihm ab 1. März 2019 Arbeitslosenentschädigung auszurichten.
Während die ÖAK auf Beschwerdeabweisung schliesst, verzichtet das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) auf eine Vernehmlassung. Mit nachträglicher Eingabe vom 18. September 2020 hält der Beschwerdeführer an seinen Rechtsbegehren fest.
Urteil des Bundesgerichts und seine Ausführungen
Streitig war vor dem Bundesgericht, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die am 11. April 2019 verfügte und mit Einspracheentscheid vom 22. Juli 2019 bestätigte Verneinung der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. März 2019 mit angefochtenem Entscheid schützte. Dabei ist einzig zu prüfen, ob sich die Erfüllung der erforderlichen Beitragszeit (vgl. dazu Art. 8 Abs. 1 lit. e in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 AVIG) des per 1. März 2019 vorzeitig pensionierten Beschwerdeführers nach der Regel von Art. 12 Abs. 1 AVIV richtet, oder aber die vor der vorzeitigen Pensionierung zurückgelegte Beitragszeit in Anwendung des Ausnahmetatbestandes von Art. 12 Abs. 2 lit. a erster Halbsatz AVIV anrechenbar sei (vgl. Art. 13 Abs. 3 AVIG). (E.2.1).
Fest stand vor Bundesgericht auf der Tatsachenebene, dass die Institution B. das Arbeitsverhältnis mit dem Beschwerdeführer gemäss Schreiben vom 5. November 2018 unter Einhaltung der dreimonatigen Kündigungsfrist per 28. Februar 2019 auflöste und ihn mit sofortiger Wirkung von der Erfüllung der Arbeitsleistungspflicht freistellte. Unbestritten war vor Bundesgericht sodann, dass der Beschwerdeführer seit der vorzeitigen Pensionierung per 1. März 2019 die entsprechende Altersrentenleistung der beruflichen Vorsorge bezog. (E.2.2)
Das kantonale Gericht erhob gemäss Bundesgericht zunächst, dass der Beschwerdeführer nicht aufgrund zwingender berufsvorsorgerechtlicher Regelungen vorzeitig pensioniert worden sei. Sodann stellte es nach eingehender Beweiswürdigung fest, die Aktenlage lasse nicht mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit darauf schliessen, dass er aus wirtschaftlichen Gründen im Sinne von Art. 12 Abs. 2 lit. a AVIV entlassen worden sei. Er habe die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen. Fehle es an der Voraussetzung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 lit. a erster Halbsatz AVIV, habe die ÖAK die Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung zu Recht mangels Erfüllung der erforderlichen Beitragszeit verneint. (E.4.1).
Demgegenüber rügte der Beschwerdeführer, die Vorinstanz habe den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt sowie den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) und den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt. Zudem habe sie Art. 12 Abs. 2 AVIV bundesrechtswidrig angewandt. Entscheidend sei nicht, ob allein eine Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen zu einer unfreiwilligen Pensionierung und damit zu einem Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung gestützt auf Art. 12 Abs. 2 AVIV führen könne. Vielmehr sei einzig die Frage ausschlaggebend, ob eine Person weiterhin erwerbstätig sein wolle oder nicht. Die Ausnahmebestimmung des Abs. 2 von Art. 12 AVIV gelange immer dann zur Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis gegen den Willen des Arbeitnehmers aufgelöst wurde. (E.4.2).
Das Bundesgericht nahm anschliessend wie folgt Stellung: «Versicherte können auch eine Austrittsleistung beanspruchen, wenn sie die Vorsorgeeinrichtung zwischen dem frühestmöglichen und dem ordentlichen reglementarischen Rentenalter verlassen und die Erwerbstätigkeit weiterführen oder als arbeitslos gemeldet sind (Art. 2 Abs. 1bis FZG). Diese Bestimmung garantiert dem Versicherten einzig, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ab einem bestimmten Alter nicht automatisch zur vorzeitigen Pensionierung führt, sondern er weiterhin eine Erwerbstätigkeit ausüben oder sich an die Arbeitslosenversicherung wenden kann (SVR 2014 BVG Nr. 20 S. 71, 8C_206/2013 E. 5). Der von einer Arbeitsvertragsauflösung zwischen dem frühestmöglichen und dem ordentlichen reglementarischen Rentenalter betroffene Arbeitnehmer ist demnach grundsätzlich nicht gezwungen, sich vorzeitig pensionieren zu lassen. Stattdessen kann er die Austrittsleistung beanspruchen, sofern er weiterhin erwerbstätig ist oder sich bei der Arbeitslosenversicherung anmeldet.» (E.5.1).
Es führ fort: «Art. 12 AVIV ist gesetz- und verfassungsmässig, soweit darin von Personen, die sich durch die Wahl einer Alters- statt einer Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge freiwillig vorzeitig pensionieren lassen, die Erfüllung der Beitragszeit durch eine nach der Pensionierung ausgeübte beitragspflichtige Beschäftigung verlangt wird (BGE 129 V 327). Dies stellt der Beschwerdeführer zu Recht nicht in Frage. Er verkennt jedoch die Rechtslage, soweit er geltend macht, die Ausnahmebestimmung des Abs. 2 von Art. 12 AVIV gelange immer dann zur Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis gegen den Willen des Arbeitnehmers aufgelöst wurde. Nach konstanter Rechtsprechung ist nicht die Freiwilligkeit des Stellenverlusts, sondern jene der vorzeitigen Pensionierung, das heisst des Bezuges einer Altersleistung der beruflichen Vorsorge, massgebend (BARBARA KUPFER BUCHER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum AVIG, 5. Aufl. 2019, S. 70; vgl. auch BGE 144 V 42 E. 3.2 i.f. S. 45 und Urteil 8C_839/2009 vom 19. Februar 2010 E. 3.4, je mit Hinweisen).» (E.5.2).
Das Bundesgericht erklärte anschliessend: «Laut – insoweit unbestrittener – vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung bestand zwischen dem ehemaligen Arbeitgeber und dem Beschwerdeführer ein Konflikt, welcher am 5. November 2018 zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit sofortiger Freistellung führte. Zu Recht konnte das kantonale Gericht die Frage offenlassen, ob den Beschwerdeführer ein Verschulden an der Kündigung treffe. Entscheidend – und insoweit ebenfalls unbestritten – ist jedoch, dass er sich freiwillig für die vorzeitige Pensionierung entschied, obwohl er statt dessen – bei gleichzeitiger Geltendmachung seiner Ansprüche gegenüber der Arbeitslosenversicherung – die Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge hätte beziehen können.» (E.5.3).
Das Bundesgericht kommt im Urteil 8C_366/2020 vom 19. Oktober 2020 zur Schlussfolgerung, dass Art. 12 Abs. 2 AVIV im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei: «Hat sich der Beschwerdeführer freiwillig für den Bezug der Altersleistung der beruflichen Vorsorge entschieden, bleibt praxisgemäss (vgl. E. 5.2 hievor) kein Raum für die Anwendung der Ausnahmeregelung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 AVIV. Entgegen dem Beschwerdeführer vermag er auch aus den Weisungen des SECO gemäss AVIG-Praxis ALE (Rz. B174 und B177 in der seit Oktober 2012 geltenden Fassung) nichts zu seinen Gunsten abzuleiten.» (E.5.4.).
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