KiTa-Subventionen des Arbeitgebers sind AHV-beitragspflichtig

Vom Arbeitgeber zu Gunsten von Mitarbeitenden geleistete Subventionen an die Kinderbetreuung in einer betriebseigenen oder angeschlossenen Kindertagesstätte (KiTa) sind gemäss Urteil des Bundesgerichts 9C_466/2021 vom 17. Oktober 2022 AHV-beitragspflichtig. KiTa-Subventionen können nicht als Familienzulagen gelten, die von der AHV-Beitragspflicht ausgenommen wären.

Das Bundesgericht heisst im Urteil 9C_466/2021 vom 17. Oktober 2022 eine Beschwerde in Bezug auf die vom Universitätsspital Basel geleisteten KiTa-Subventionen gut.

Das Universitätsspital Basel (USB) betreibt eine eigene KiTa. Spitalmitarbeitende, die dieses Betreuungsangebot oder das einer anderen angeschlossenen KiTa in Anspruch nehmen, haben die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung durch das USB für die Betreuungskosten. Ausgerichtet wird der Betrag vom USB nicht an die Eltern, sondern direkt an die KiTa.

Die Ausgleichskasse Arbeitgeber Basel kam 2019 zum Schluss, dass auf die Subventionen des USB bisher fälschlicherweise keine AHV-Beiträge erhoben worden seien.

Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt stellte auf Beschwerde des USB 2021 fest, dass die KiTa-Subventionen von der AHV-Beitragspflicht ausgenommen seien; die KiTa-Subventionen seien als Familienzulagen zu betrachten, die gemäss Artikel 6 der AHV-Verordnung beitragsbefreit seien.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 9C_466/2021 vom 17. Oktober 2022

Das Bundesgericht heisst im Urteil 9C_466/2021 vom 17. Oktober 2022 die dagegen erhobene Beschwerde des Bundesamtes für Sozialversicherungen gut. Damit Zuwendungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmenden von der AHV-Beitragspflicht ausgenommen werden können, bedarf es einer besonderen rechtlichen Grundlage. Eine Auslegung ergibt, dass es sich bei KiTa-Subventionen entgegen der Auffassung des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt nicht um Familienzulagen im Sinne der AHV-Verordnung handelt. Als Familienzulagen gelten insbesondere Haushaltszulagen, die feste, von der Höhe des Lohnes unabhängige Leistungen darstellen, die für alle anspruchsberechtigten Angestellten gleich hoch ausfallen müssen. Die KiTa-Subventionen des USB werden indessen nur zu Gunsten von Mitarbeitenden ausgerichtet, deren Nettohaushaltseinkommen einen gewissen Betrag nicht übersteigt. Bei den Familienzulagen kennt dagegen kein einziger Kanton eine an das Haushaltseinkommen gebundene Lösung. Im konkreten Fall kommt hinzu, dass Eltern selbst dann nicht automatisch von den KiTa-Subventionen des USB profitieren können, wenn ihr Einkommen unter dem Grenzbetrag liegt; vielmehr erfolgt jeweils eine Bedürfnisabklärung im Einzelfall. Schliesslich haben KiTa-Subventionen zwar ebenso wie Familienzulagen die finanzielle Entlastung der Eltern zum Ziel.

Allerdings ist gemäss dem Bundesgericht zu beachten, dass die KiTa-Subventionen auch einen Anreiz bei der Personalrekrutierung und -erhaltung darstellen und damit über einen rein sozialen Zweck hinausgehen.

Schlüsselausführungen des Bundesgerichts im Urteil 9C_466/2021 vom 17. Oktober 2022

Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 9C_466/2021 vom 17. Oktober 2022 wie folgt zu Familienzulagen:

«Nach dem klaren und in allen drei Sprachfassungen übereinstimmenden Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV (vgl. E. 2.3 hievor) sind vom AHV-pflichtigen Erwerbseinkommen ausgenommen „Familienzulagen, die als Kinder-, Ausbildungs-, Haushalts-, Heirats- und Geburtszulagen im orts- oder branchenüblichen Rahmen gewährt werden“ (französisch: „les allocations familiales qui sont accordées, conformément aux usages locaux ou professionnels, au titre d’allocation pour enfants et d’allocation de formation professionnelle, d’allocation de ménage ou d’allocation de mariage ou de naissance“; italienisch: „gli assegni familiari accordati come assegni per i figli, la formazione professionale, l’economia domestica, il matrimonio e la nascita, nell’ambito degli usi locali o professionali“). Es liegt also ein Regel-/Ausnahmeverhältnis vor, wobei das AHV-beitragspflichtige Einkommen die Regel und die Familienzulagen die Ausnahme bilden. Der Begriff „Familienzulagen“ ist aus grammatikalischer Sicht als Oberbegriff zu den anschliessend in Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV im Einzelnen aufgeführten Zulagen, worunter unter anderem die Haushaltszulagen fallen, zu verstehen. Vom Wortlaut in allen drei Sprachen unbestrittenermassen nicht mitumfasst ist die vorliegend strittige KiTa-Subvention. Was als Familienzulage anzusehen ist, wird seit 1. Januar 2009 im Bundesgesetz vom 24. März 2006 über die Familienzulagen (Familienzulagengesetz [FamZG; SR 836.2]) gesetzlich definiert. Danach sind Familienzulagen einmalige oder periodische Geldleistungen, die ausgerichtet werden, um die finanzielle Belastung durch ein oder mehrere Kinder teilweise auszugleichen (Art. 2 FamZG).» (E.7.1).

«Damit bezweckt die Ausrichtung von Familienzulagen einen Ausgleich der finanziellen Lasten infolge des Kindes als „soziales Risiko“. Anders gesagt sollen die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht (Art. 276 ff. ZGB) entlastet werden (vgl. KIESER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Familienzulagen [FamZG], Praxiskommentar, 2010, N. 76 Einleitung und N. 10 f. zu Art. 2 FamZG; MATTHEY/MAHON, Les allocations familiales, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 1998 N. 5). Die Familienzulagen verfolgen mithin eine familien- und sozialpolitische Zielsetzung, indem berücksichtigt werden soll, dass die Eltern nach der Geburt ihres Kindes bzw. ihrer Kinder längerfristig Unterstützung benötigen. Deshalb beteiligt sich die Gesellschaft an den Kosten, welche in diesem Zusammenhang anfallen (vgl. dazu: Stellungnahme des Bundesrates vom 28. Juni 2000 zum Bericht vom 20. November 1998 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats, BBl 2000 4787). Hat die KiTa-Subvention gleichfalls die finanzielle Entlastung der Eltern zum Ziel, indem sich der Arbeitgeber an der Fremdbetreuung der Kinder beteiligt, so ist aus teleologischer Warte eine gewisse Übereinstimmung mit den Familienzulagen nicht von der Hand zu weisen. In Betracht gezogen werden muss aber genauso, dass die KiTa-Subvention – wie der Beschwerdegegner selber einräumt – einen Anreiz bei der Personalrekrutierung und -erhaltung darstellt, was über den rein sozialen Zweck einer Familienzulage hinausgeht.» (E.7.2).

Das Bundesgericht fährt fort, dass nicht jede Vergünstigung mit sozialem Charakter gilt als Familienzulage. Das Beschwerde führende BSV vertrete die Auffassung, dass die KiTa-Subvention insbesondere deshalb keine Familienzulage im Sinne von Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV darstellt, weil sie nicht allen Mitarbeitenden in gleicher Höhe zukommt. (E.8.1).

Dazu fährt das Bundesgericht fort: «Das heutige FamZG basiert auf der am 13. März 1991 von Nationalrätin Angeline Fankhauser eingereichten parlamentarischen Initiative (91.411). Diese verlangte insbesondere, dass jedes in der Schweiz wohnhafte Kind Anspruch auf eine fixe Zulage von mindestens Fr. 200.- pro Monat hat. Nach dem Bericht der mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Gesetzesvorlage betrauten Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 20. Dezember 1998 war beabsichtigt, die Vielfalt der bis dahin geltenden Regelungen mit 26 verschiedenen kantonalen Familienzulagensystemen für Arbeitnehmer zu vereinheitlichen. Vor allem die Ungleichbehandlung, dass einige Bevölkerungsgruppen gänzlich vom Anspruch ausgeschlossen waren, wurde als störend empfunden. So erhielten unter damaligem Recht selbständigerwerbende Landwirte bundesrechtliche Familienzulagen nur dann, wenn ihr Einkommen unter einer gewissen Grenze lag (vgl. Bundesgesetz über die Familienzulagen in der Landwirtschaft vom 20. Juni 1952 [FLG; SR 836.1]); lediglich sechs Kantone kannten Zulagen ohne Einkommensgrenze. Nichtlandwirtschaftliche Selbständigerwerbende konnten nur in zehn Kantonen Familienzulagen beziehen; in sieben davon galt eine Einkommensgrenze. Ein Anspruch für Nichterwerbstätige war ausserdem nur in vier Kantonen vorgesehen. Das neue Familienzulagensystem sollte auf dem bereits in der Initiative Fankhauser enthaltenen Grundsatz „ein Kind – eine Zulage“ beruhen. Danach wird die Zulage für jedes Kind ausgerichtet, und zwar „unabhängig vom Beruf der Eltern und von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit“ (zum Ganzen: BBl 1999 III 3224 f.; vgl. auch: KIESER/REICHMUTH, a.a.O., N. 21 Einleitung; MAJA JAGGI, Die Entstehung des Familienzulagengesetzes, in: Schaffhauser/Kieser [Hrsg.], Bundesgesetz über die Familienzulagen [FamZG], S. 55). Dieses Prinzip gilt zumindest im hier interessierenden Kontext der Unselbständigerwerbenden im nicht landwirtschaftlichen Bereich bis heute (Art. 5 Abs. 1 FamZG: „Die Kinderzulage beträgt mindestens 200 Franken pro Monat.“). Daraus erhellt, dass der Gesetzgeber sämtliche Beziehenden gleich behandeln wollte, indem pro Kind ein (relativ) fixer Betrag zur Auszahlung gelangt. Es sollte, wie in den meisten europäischen Ländern bereits vorgesehen, „die Verknüpfung zwischen dem Grad der Erwerbstätigkeit und der Höhe der Zulage“ aufgegeben werden (BBl III 1999 3221). Eine einkommensabhängige Familienzulage, wie sie die KiTa-Subvention gemäss Reglement darstellt (vgl. E. 6.2 hievor), steht zu diesem Grundgedanken im Widerspruch.» (E.8.2).

«In systematischer Hinsicht handelt es sich beim FamZG um ein Rahmengesetz, wobei von Anfang an feststand, dass den Kantonen weiterhin eine erhebliche Kompetenz verbleibt (vgl. BBl III 1999 3221; 2000 4788). Dieser Grundsatz wurde beibehalten (vgl. BBl 2004 6900; AB 2005 N 265). Die Kantone haben in der Regel Einführungsgesetze erlassen, welche teilweise höhere und/oder andere Leistungen als das FamZG enthalten (vgl. dazu: URS-CHRISTOPH DIETERLE, Umsetzung auf kantonaler Ebene, in: Schaffhauser/Kieser [Hrsg.], Bundesgesetz über die Familienzulagen [FamZG], S. 75 ff.). Auf Letztere finden ebenfalls die Bestimmungen des FamZG Anwendung, wobei solche anderen Leistungen ausserhalb dieser Familienzulagenordnung geregelt und finanziert werden müssen (Art. 3 Abs. 2 FamZG). Im Kanton Basel-Stadt beträgt die Kinderzulage beispielsweise mindestens 275 Franken, die Ausbildungszulage mindestens 325 Franken pro Monat je anspruchsberechtigtes Kind (Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Familienzulagen vom 4. Juni 2008 [Familienzulagengesetz; EG FamZG; SG 820.100]). Im Weiteren bestehen kantonale Vorschriften, welche ab einem bestimmten Alter des Kindes oder ab dem dritten Kind eine Erhöhung des Grundansatzes vorsehen (so etwa im Kanton Wallis; Art. 9 des Ausführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Familienzulagen vom 11. September 2008 [AG FamZG/VS; SGS 836.1]). Eine an das Haushaltseinkommen gebundene Familienzulage kennt hingegen kein einziger Kanton, sondern die Leistungen für Unselbständigerwerbende sind dadurch gekennzeichnet, dass sie unabhängig vom finanziellen Bedarf ausgerichtet werden (vgl. auch: KIESER/REICHMUTH, a.a.O., Einleitung N. 12). „Ein Kind – eine Zulage“ heisst – von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen (vgl. betreffend Nichterwerbstätige: Art. 19 Abs. 2 FamZG) – somit richtig verstanden auch, dass im Unterschied zur KiTa-Subvention gerade nicht nach elterlichem Einkommen differenziert wird („Jedes Kind ist gleich viel wert.“). Dies stützt das Resultat der historischen Auslegung.» (E.8.3).

«Im konkreten Fall kommt hinzu, dass das Reglement die KiTa-Subvention nicht nur von einer Einkommensgrenze abhängig macht (vgl. E. 6.2 hievor), sondern die betreffende Arbeitgeberzuwendung an eine Reihe weiterer Voraussetzungen knüpft. So besteht ein Anspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz nur für Angestellte des Spitals A.________, ab dem Jahr 2016 sogar lediglich bis zum Eintritt des Kindes in die Primarschule (Ziff. 1.2 des Reglements vom 1. Mai 2014 und Ziff. 2.2 des Reglements vom 1. November 2016). Fällt das Arbeitsverhältnis dahin, so erlischt auch die Möglichkeit der KiTa-Subvention. Es besteht folglich neben der Einkommenskoppelung auch eine Bindung an das Arbeitsverhältnis sowie an das Alter des zu betreuenden Kindes. Die Eltern müssen sodann die betriebseigene oder eine angeschlossene Kindertagesstätte berücksichtigen. Abgesehen davon ist eine über das Arbeitspensum hinausgehende Betreuung zum Vornherein von der Subventionierung ausgeschlossen (Ziff. 2.2 des Reglements vom 1. Mai 2014 und Ziff. 3.2 des Reglements vom 1. November 2016). Mit anderen Worten kann längst nicht jeder Mitarbeitende von der Subvention profitieren, selbst wenn er oder sie über ein unter der reglementarischen Obergrenze liegendes Haushaltseinkommen verfügt. Im Gegenteil erfolgt gemäss Reglement explizit eine Bedürfnisabklärung im Einzelfall. Ebenso besteht nach dem Gesagten eine Verknüpfung mit dem Grad der Erwerbstätigkeit (Arbeitspensum), was der Gesetzgeber bei den Familienzulagen explizit als Missstand erkannt hatte und beheben wollte (vgl. E. 8.2 hievor). Diese zusätzlichen Faktoren sind mit dem Charakter einer Familienzulage unvereinbar. Obschon (auch) der KiTa-Subvention eine soziale Komponente nicht abgesprochen werden kann, ist sie mit Blick auf ihre reglementarische Ausgestaltung – wie das BSV zu Recht geltend macht – somit klar von einer Familienzulage zu unterscheiden. Daher besteht kein hinreichender Anhaltspunkt, dass sie beitragsrechtlich gleich zu behandeln wäre wie die gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV von der Beitragspflicht ausgenommenen Familienzulagen.» (E.8.4).

Das Bundesgericht kommt im Urteil 9C_466/2021 vom 17. Oktober 2022 zu folgender Schlussfolgerung: «Demzufolge hält die von der Vorinstanz vertretene Sichtweise, wonach die im Reglement vorgesehene KiTa-Subvention eine Familienzulage nach Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV darstellt, einer näheren Betrachtung unter Einbezug historischer und systematischer Gesichtspunkte nicht stand. Daran vermag das vom Beschwerdegegner angerufene Urteil H 120/94 vom 7. November 1994 (SVR 1995 AHV Nr. 50 S. 137), welches deutlich vor Erlass des FamZG erging, nichts zu ändern. Weiterungen zur Orts- und Branchenüblichkeit erübrigen sich.» (E.9.1).

 

 

 

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