Sachverhalt
Person A. (Versicherter, Beschwerdeführer) stand in einem Rahmenarbeitsvertrag mit der Personalverleihunternehmung C. AG. Aufgrund dieses Vertrags wurde er ab dem 18. Mai 2015 bei der D. AG und ab dem 3. August 2015 bei der E. AG als Bauarbeiter eingesetzt. Während dieser Einsätze war er bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen obligatorisch versichert. Zudem gehörte er zu den Personen, für welche die C. AG eine kollektive Krankentaggeldversicherung abgeschlossen hatte bei der B. AG (Versicherung, Beschwerdegegnerin).
Am 12. August 2015 stürzte der Versicherte bei der Arbeit. Dabei erlitt er eine Verstauchung der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie Prellungen des linken Unterschenkels und des linken Fusses. In der Folge blieben Rückenbeschwerden vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule. Deshalb war der Versicherte von Ende April bis Anfang Juni 2016 in der Rehaklinik U. Die Suva anerkannte ihre Leistungspflicht für die Folgen des Ereignisses vom 12. August 2015, bezahlte die Heilbehandlung und erbrachte Taggelder. Nach der kreisärztlichen Untersuchung vom 19. August 2016 informierte die Suva den Versicherten mit Verfügung vom 13. September 2016, dass die noch bestehenden Beschwerden nicht mehr unfallbedingt seien und sie die Leistungen per 31. August 2016 einstelle.
Diese Verfügung der Suva focht der Versicherte nicht an, sondern liess der Versicherung am 3. November 2016 durch die C. AG melden, er sei ab dem 1. September 2016 weiterhin zu 100 % arbeitsunfähig. Die Versicherung holte Berichte der behandelnden Ärzte Dr. med. G. vom 16. November 2016 und Dr. med. H. vom 23. November 2016 ein. Zudem erstattete ihr Dr. med. I. am 17. November 2016 ein psychiatrisches Gutachten. Am 20. Dezember 2016 informierte die Versicherung den Versicherten, sie schliesse eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit aus und erbringe deshalb keine Versicherungsleistungen. Der Versicherte schickte der Versicherung am 11. Januar 2017 verschiedene medizinische Berichte zum Nachweis seiner Arbeitsunfähigkeit, worauf die Versicherung sich mit Schreiben vom 17. Februar 2017 auf den neuen Standpunkt stellte, der gemeldete Krankheitsfall sei von der kollektiven Krankentaggeldversicherung mit der C. AG nicht gedeckt.
Prozessgeschichte
Am 27. Februar 2018 reichte der Versicherte beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich gegen die Versicherung Klage ein. In der Replik bezifferte er seine Forderung und verlangte Taggeldleistungen im Betrag von Fr. 88’185.10 nebst Zins zu 5 % ab 1. September 2017 (mittlerer Verfall).
Mit Urteil vom 4. März 2020 wies das Sozialversicherungsgericht die Klage ab.
Der Versicherte beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Sozialversicherungsgerichts sei teilweise aufzuheben, und erneuert sein Klagebegehren. Eventuell sei die Sache zur ergänzenden Abklärung und Neubeurteilung an das Sozialversicherungsgericht zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Ausführungen des Bundesgerichts
Allgemeine Ausführungen
Zu beurteilen war durch das Bundesgericht die Leistungspflicht aus einer Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung.
Die Vorinstanz wies die Klage mangels Versicherungsdeckung ab. Der Einsatzvertrag mit der E. AG sei auf drei Monate befristet und daher am 3. November 2015 beendet gewesen. Ab diesem Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer nicht mehr bei der Beschwerdegegnerin versichert gewesen. Der Versicherungsfall sei erst am 1. September 2016 eingetreten, als die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit begonnen habe. (E.3.1).
Vorliegend massgebend waren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beschwerdegegnerin zur Krankentaggeldversicherung in der Ausgabe vom Juli 2010 (AVB). (E.3.2).
Nach dem Gesagten legte die Vorinstanz den Versicherungsvertrag im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und der Mehrheit der Lehre aus. Die Vorinstanz erwog zutreffend, dass der Versicherungsfall nicht bereits mit der Krankheit eintrat, sondern erst mit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. (E.4.4).
Personalverleih: Massgeblichkeit von Rahmenvertrag oder von Einsatzvertrag?
Der Beschwerdeführer rügte, die Vorinstanz habe die Police und die AVB der Beschwerdegegnerin falsch ausgelegt. Gemäss Police sei die C. AG Versicherungsnehmerin. Versicherte Personen seien das gesamte vermittelte Personal. Gemäss Art. B4 Abs. 1 AVB beginne der Versicherungsschutz für den einzelnen Arbeitnehmer am Tag, an dem er in den versicherten Betrieb eintritt. Versicherter Betrieb sei die C. AG. Folglich sei der Beschwerdeführer mit dem Abschluss des Rahmenarbeitsvertrags bei der C. AG eingetreten und damit krankentaggeldversichert. (E.5.1)
Die Vorinstanz erwog gemäss dem Bundesgericht, für das vermittelte Personal beginne der Versicherungsschutz mit dem Antritt eines vermittelten Arbeitseinsatzes und erlösche mit dessen Beendigung. Daraus schloss sie, eine Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin bestehe nur, wenn der Beschwerdeführer in einem vermittelten Arbeitseinsatz stand, als das versicherte Ereignis eintrat. (E.5.2).
Das Bundesgericht hielt diese Auslegung für bundesrechtskonform: «Die Police erfasst einerseits das gesamte eigene Personal und anderseits das gesamte vermittelte Personal der C. AG. Für das vermittelte Personal bedeutet dies, dass nicht schon der Rahmenarbeitsvertrag mit der C. AG einen Versicherungsschutz begründet, sondern erst der Vertrag mit einem Einsatzbetrieb. Denn von vermitteltem Personal kann erst gesprochen werden, wenn es vermittelt ist. Sonst würde es wenig Sinn machen, in der Police zwei Kategorien zu bilden und zwischen eigenem und vermitteltem Personal überhaupt zu unterscheiden.» (E.5.3).
Gesundheitszustand
Weiter diskutierte das Bundesgericht noch Rügen zum Gesundheitszustand (E.6.).
Relevanter Zeitpunkt für Beendigung von Arbeitseinsatz
Ein weiterer aus der Optik des Arbeitsrechts relevanter Punkt war der relevante Zeitpunkt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Der Beschwerdeführer wandte sich gegen die vorinstanzlichen Erwägungen, wonach sein Einsatz bei der E. AG, der am 3. August 2015 begann und auf drei Monate befristet war, am 1. September 2016 beendet gewesen sei. Der versicherte Betrieb, die C. AG, habe ihm vielmehr über die Dauer der SUVA-Taggeldleistungen hinaus bis im Oktober 2016 den Lohn ausbezahlt. Daher habe er zum Kreis der versicherten Personen gehört. Auch hier macht er eine willkürliche Feststellung des Sachverhalts geltend. (E.7.1).
Die Vorinstanz war zum Schluss gekommen, der Beschwerdeführer habe am 1. September 2016 nicht in einem durch die C. AG vermittelten Arbeitseinsatz gestanden. Es lägen zwei Einsatzverträge vor. Zuerst sei der Beschwerdeführer ab dem 18. Mai 2015 bei der D. AG eingesetzt worden. Dann habe er ab 3. August 2015 bei der E. AG gearbeitet. In beiden Verträgen habe die vorgesehene Einsatzdauer maximal drei Monate betragen. Es stehe fest, dass der Einsatz bei der D. AG am 18. Mai 2015 begonnen und vor Ablauf der dreimonatigen Frist geendet habe. Ab dem 3. August 2015 habe der Beschwerdeführer bei der E. AG gearbeitet. Während dieses Einsatzes habe sich am 12. August 2015 der Unfall ereignet. (E.7.2).
Das Bundesgericht äusserte sich diesbezüglich wie folgt:
«Wie die Vorinstanz zutreffend erwog, erfolgte der Einsatz bei der E. AG im Rahmen eines befristeten Vertrags im Sinne von Art. 334 OR. Bei einem solchen beendigt der Fristablauf ohne Weiteres die Anstellung. Das entspricht dem Wesen des Vertrags auf Zeit. Daraus folgt, dass der Vertrag am vereinbarten Datum auch endet, wenn der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig ist (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Aufl. 2012, N. 4 zu Art. 334 OR). An der Befristung änderte auch der vorangegangene Einsatz bei der D. AG nichts.
Das Taggeld der obligatorischen Unfallversicherung ist während der ganzen Dauer der Arbeitsunfähigkeit geschuldet, auch wenn das Arbeitsverhältnis während der Arbeitsunfähigkeit aufgelöst wird (BGE 139 V 464 E. 2.2 S. 467). Daher erwog die Vorinstanz zu Recht, es spreche nicht für eine Verlängerung des Einsatzes, dass die Suva dem Beschwerdeführer über den 3. November 2015 hinaus Taggelder ausgerichtet habe.
Die Vorinstanz erwog, es erscheine aussergewöhnlich, dass die C. AG dem Beschwerdeführer die Unfalltaggelder bis zu deren Einstellung mittels Lohnabrechnungen überwies. Zwar können die Versicherer gemäss Art. 49 UVG die Auszahlung dem Arbeitgeber übertragen. Doch ist dies im aufgelösten Arbeitsverhältnis unüblich, denn gemäss Art. 19 Abs. 2 ATSG kommen dem Arbeitgeber Taggelder nur in dem Ausmass zu, als er der versicherten Person trotz der Taggeldberechtigung Lohn zahlt (vgl. dazu Urteil 8C_241/2019 vom 8. Juli 2019 E. 5.1). Auch dem Schrifttum ist zu entnehmen, dass nicht auf eine implizite Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geschlossen werden kann, nur weil der Arbeitgeber über das vereinbarte Enddatum hinaus Taggelder einer Versicherung ausrichtet (STREIFF/VON KAENEL/ RUDOLPH, a.a.O., N. 6 zu Art. 334 OR). Die Vorinstanz erwog zutreffend, dass die Auszahlung der Unfalltaggelder durch die C. AG nicht zwingend für eine Verlängerung des Einsatzes bei der E. AG spricht. In diesem Sinne entschied das Kantonsgericht Jura in einem ähnlichen Fall (TC JU, in: RJJ 2006 S. 153 ff., E. 3.3 S. 160 f.). Umso mehr muss dies hier gelten, wo weiterhin ein Rahmenarbeitsvertrag zwischen dem Beschwerdeführer und der Personalverleihunternehmung C. AG bestand.
Was das Schreiben mit der Überschrift „Kündigung – Bestätigung Einsatz beendet“ betrifft, so erwog die Vorinstanz, selbst wenn dieses Schreiben vordatiert sein sollte, ändere sich nichts daran, dass der befristete Einsatz bei der E. AG nicht verlängert wurde. Diese Einschätzung ist vertretbar. Auch hier ist zu beachten, dass eine Erwägung nicht schon deshalb willkürlich ist, weil eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre.
Nach dem Gesagten durfte die Vorinstanz annehmen, der Beschwerdeführer sei beim Eintritt der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit am 1. September 2016 nicht mehr bei der Beschwerdegegnerin versichert gewesen. Eine Fortdauer des Taggeldanspruchs über die Dauer des Einsatzes hinaus kommt gemäss Art. B8 Abs. 7 AVB nur zum Zug, wenn der Anspruch vor der Beendigung des Einsatzes entstanden ist. Selbst wenn der Versicherungsschutz nach dem Ende des Einsatzes bis zum Erlöschen des Anspruchs auf Unfalltaggelder angedauert hätte, so wäre er mit dem letzten Unfalltaggeld am 31. August 2016 und damit noch vor dem massgebenden 1. September 2016 erloschen.
Bei diesem Ausgang musste die Vorinstanz nicht mehr auf die Ausführungen der Parteien zur Abtretung der strittigen Taggeldforderung und zum Ausmass der Arbeitsunfähigkeit eingehen.» (E.7.3).
Kommentar zum Urteil
Das Urteil 4A_237/2020 des Bundesgerichts vom 25. Juni 2020 zeigt eindrücklich auf, dass bei Taggeldversicherung sich nicht selten unerwartete und knifflige Rechtsfragen stellen können. Das gilt insbesondere beim Personalverleih, wo ein Dreiecksverhältnis und eine komplexere rechtliche Struktur besteht als beim normalen Arbeitsverhältnis.
Von: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., LL.M., www.jobanwalt.ch
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