Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei Quarantäne nach Ferien in Coronavirus (COVID-19) Hotspots

Sommerzeit ist Ferienzeit. Und jetzt verkompliziert sich die Lage wegen COVID-19 deutlich, und zwar auch im Schweizer Arbeitsrecht. Aus der Schweiz können derzeit zwar praktisch alle gängigen europäischen Feriendestinationen angeflogen werden. Es scheinen sich aber einige Länder, wie u.a. Serbien, zu Corona-Hotspots zu entwickeln. Der Bund prüft derzeit Sanitätskontrollen an Flughäfen. Es werden sich nun also vermehrt Situationen einstellen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Sommerferien in Quarantäne oder Selbstisolation landen. Weiter ist es auch denkbar, dass nationale Coronavirus-Hotspots entstehen. Wie sieht es dann mit der Lohnfortzahlungspflicht oder mit allfälligen Entschädigungen aus (Achtung: der Bundesrat hat per 6. Juli 2020 Entschädigungen für Quarantäne bei Rückkehrern aus Corona-Hotspots aufgehoben)?

Zentrale Differenzierungen
Zunächst müssen einige Fallgruppen unterschieden werde: Wenn jemand an COVID-19 erkrankt ist, ist er arbeitsrechtlich krank bzw. arbeitsunfähig. Bezüglich Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers gilt dasselbe, wie bei jeder anderen Krankheit auch, Lohnfortzahlung des Arbeitgebers nach Art. 324a OR (Zürcher Skala, Berner Skala etc.) oder Ablösung durch eine Krankentaggeldversicherung.

Bei der Quarantäne wird eine Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer auf eine Anordnung hin isoliert. Diese Anordnung kann vom Staat als Zwangsmassnahme oder von einem Arzt kommen. Sie kann aber auch vom Arbeitgeber kommen, indem er der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer wegen der COVID-19-Gefahr untersagt, am Arbeitsplatz zu erscheinen.

Behördlich oder ärztlich angeordnete Quarantäne
Bei einer behördlich bzw. staatlich oder ärztlich angeordneten Quarantäne besteht die Möglichkeit, bei der zuständigen Ausgleichskasse eine Entschädigung einzuholen.

Diese Entschädigung richtet sich an Personen, die nicht selber am Virus erkrankt sind, aber aufgrund von Kontakt mit einer positiv getesteten Person respektive einem Verdachtsfall in Quarantäne sind oder aber aus einem Risikogebiet zurück in die Schweiz eingereist sind und von den Behörden oder von einem Arzt unter Quarantäne gestellt wurden. Dieser Anspruch auf Entschädigung besteht nur bei ärztlich oder behördlich angeordneter Quarantäne. Eine durch den Arbeitgeber angeordnete Quarantäne oder eine freiwillige Selbstisolation genügen hier nicht.

Für die Entschädigung gilt kein Mindest- oder Höchstalter: Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, haben auch Minderjährige (z. B. Lernende) und Angestellte im Rentenalter Anspruch darauf.

Wenn Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer von zu Hause arbeiten können, d.h. im Homeoffice, besteht kein Anspruch auf diese Entschädigung. Der Anspruch beginnt am Tag, an dem alle Voraussetzungen erfüllt sind und endet mit Aufhebung der Quarantäne, spätestens aber, wenn 10 Taggelder ausbezahlt worden sind. Die Taggelder müssen während einer zusammenhängenden Periode bezogen werden.

Die Entschädigung beträgt 80 Prozent des durchschnittlichen AHV-pflichtigen Bruttoerwerbseinkommens vor Beginn des Anspruchs, höchstens aber CHF 196.00 pro Tag. Wenn Leistungen einer Krankentaggeldversicherung bezogen werden, besteht kein Anspruch auf diese Entschädigung.

Zu beachten ist, dass der Bundesrat per 6. Juli 2020 die Taggeldleistungen für Quarantäne in Reisen in Risikogebiete aufgehoben hat. Hier geht es zum entsprechenden Artikel.

Arbeitgeber-Quarantäne oder Selbstisolation des Arbeitnehmers
Es gibt aber auch Situationen, in denen der Arbeitgeber gegenüber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Quarantäne am Arbeitsplatz anordnet, d.h. ihnen wegen COVID-19-Risiken verbietet, am Arbeitsplatz zu erscheinen. Und es gibt Fälle, wo sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer freiwillig in Selbstisolation begeben.

Klar dürfte sein, dass im Falle der reinen Selbstisolation einer Person keine Lohn-fortzahlungspflicht des Arbeitgebers geschuldet ist. Der Arbeitnehmer bietet seine Arbeit dem Arbeitgeber nicht an und hat keinen Anspruch auf Lohnzahlung durch den Arbeitgeber.

Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund von Coronavirus-Risiken am Arbeitsplatz zu erscheinen und mithin eine vom Arbeitgeber angeordnete Quarantäne vorliegt, ist es umstritten, ob eine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers besteht. Einzelne Stimmen in der Lehre fordern hier eine Lohnfortzahlungspflicht, weil dies im Betriebsrisiko des Arbeitgebers liegen soll (Art. 324 OR). Es ist aber umstritten, ob die COVID-19 Pandemie noch zum allgemeinen Betriebsrisiko des Arbeitgebers gehört. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bewusst in Risikogebiete reist, hier dürften Reisewarnungen im Vordergrund stehen, aber Medienberichten ist auch eine gewisse Bedeutung zuzumessen, riskiert ein Selbstverschulden an der Quarantäne, was gegen eine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers sprechen dürfte.

Was kann der Arbeitgeber präventiv vorkehren?
Ferien sind grundsätzlich Privatsache. Der Arbeitgeber darf nicht die Bewilligung der Ferien von den konkreten Reiseplänen abhängig machen. Auch darf er sich nicht nach den Feriendestinationen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erkundigen.
Der Arbeitgeber kann aber die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor den Ferien bzw. auch das gesamte Personal nun auf die COVID-19 Risiken von Sommerferien im Ausland ausdrücklich, vorzugsweise schriftlich, aufmerksam machen und dass dies einen Entfall der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers zur Folge haben könnte (Stichwort Selbstverschulden). Dadurch schafft er sich zumindest eine bessere Position für allfällige Diskussionen oder gar Rechtsstreitigkeiten über die Lohnfortzahlungspflicht in Quarantänefällen.

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