Pflicht zur Teilnahme des Klägers an der Schlichtungsverhandlung auch bei angekündigtem Nichterscheinen des Beklagten (Urteil Bundesgericht 4A_416/2019 vom 5. Februar 2020)

In Urteil 4A_416/2019 vom 5. Februar 2020 hatte das Bundesgericht die praxisrelevante Frage zu klären, ob die Ausstellung einer Klagebewilligung ohne Teilnahme des Klägers an der Schlichtungsverhandlung als zulässig erscheint, wenn der Beklagte vorgängig ankündigte, nicht am Termin zu erscheinen. Im Arbeitsrecht kommt der Schlichtungsverhandlung in der Praxis ja eine grosse Bedeutung zu. Bei kleineren Streitwerten besteht nicht selten, auch wenn Rechtsschutzversicherungen involviert sind, aus Kosten-Nutzen-Gründen ein Druck zur Einigung. Durch die Friedensrichterin oder den Friedensrichter kann auch eine neutrale Person auf eine Einigung hinwirken. Auch sind Friedensrichterämter in vielen Regionen der Schweiz im Arbeitsrecht erfahren und können auch materiellrechtliche Aussagen zu den einzelnen Positionen machen. Nicht selten kommen Parteien auch ohne anwaltliche Vertretung.

Grundsatz der Durchführung einer Schlichtungsverhandlung
Das Zivilprozessrecht sieht in Artikel 197 ZPO vor, dass dem Gerichtsverfahren grundsätzlich ein Schlichtungsverfahren vorgeht. Die Ausnahmen des Grundsatzes ergeben sich aus Artikel 198 ZPO, so entfällt ein Schlichtungsverfahren insbesondere im summarischen Verfahren, bei diversen familienrechtlichen Verfahren sowie in Verfahren des SchKG. Weiter können die Parteien nach Artikel 199 ZPO auf eine Schlichtungsverhandlung verzichten. Dies ist einerseits im Sinne eines gemeinsamen Verzichtes möglich bei einer vermögensrechtlichen Streitigkeit mit einem Streitwert von mindestens 100’000 CHF sowie andererseits einseitig durch die klagende Partei bei Sitz oder Wohnsitz im Ausland oder unbekanntem Aufenthaltsort der beklagten Partei und in Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz.

Persönliche Teilnahme an der Schlichtungsverhandlung als Regelfall
Die Parteien haben bei der Schlichtungsverhandlung i.S.v. Artikel 204 Abs. 1 ZPO persönlich teilzunehmen. Eine Dispensation mit Vertretung ist nur im Rahmen von Artikel 204 Abs. 3 ZPO zulässig. In der Praxis ist dies häufig wegen Art. 204 Abs. 4 lit. a ZPO der Fall, wenn eine Partei einen ausserkantonalen Wohnsitz hat. Diese Regelung bezweckt, dass die Parteien sich tatsächlich aussprechen und so eine allfällige aussergerichtliche Einigung zustande kommen kann.

Ankündigung der Nichtteilnahme durch den Beklagten
In dem vom Bundesgericht zu beurteilendem Sachverhalt, kündigte der Beklagte vorgängig an, nicht an der Schlichtungsverhandlung teilnehmen zu werden. In der Folge ersuchte der Kläger den Friedensrichter um Dispensation von der Schlichtungsverhandlung. Die beiden Einzelhandlungen der Parteien sind hierbei jedoch nicht als gemeinsamen Verzicht i.S.v. Artikel 199 ZPO zu werten. Die Schlichtungsbehörde wird den Beklagten, nach dessen Ankündigung, ohnehin nochmals auf seine Erscheinungspflicht hinweisen.
Trotz der Ankündigung der Nichtteilnahme an der Schlichtungsverhandlung durch den Beklagten, kann nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass dieser dennoch an der Schlichtungsverhandlung erscheint. Eine Partei ist sodann nicht schon säumig nach Artikel 147 Abs. 1 ZPO, indem sie erklärt, an der Schlichtungsverhandlung nicht teilnehmen zu wollen. Somit kann erst an der Verhandlung abschliessend beurteilt werden, ob die Schlichtung aufgrund der Nichtanwesenheit einer Partei scheitert. Zweck des Schlichtungsverfahrens bildet schliesslich die Aussprache zwischen den Parteien. Erst wenn diese Aussprache tatsächlich nicht erfolgen konnte, ist eine Klagebewilligung nach Art. 209 ZPO an den Kläger auszustellen.

Entsprechend stellte das Bundesgericht im Urteil 4A_416/2019 vom 5. Februar 2020 fest, dass die Dispensation der Klägers nicht einzig aufgrund der Ankündigung der Nichtteilnahme durch den Beklagten erfolgen darf. Vielmehr hat die Schlichtungsbehörde am festgesetzten Schlichtungsverhandlungstermin festzuhalten und der Kläger muss seinerseits, mit Ausnahme der in Artikel 204 Abs. 3 ZPO aufgeführten Gründen, teilzunehmen. Der Kläger hat im Ergebnis an der Schlichtungsverhandlung teilzunehmen, wenn auch bloss zur allfälligen Abholung der Klagebewilligung.

Dazu das Bundesgericht wörtlich: «Nach dem Ausgeführten gilt somit: Erklärt der Beklagte gegenüber der Schlichtungsbehörde vorab, er werde an der einberufenen Schlichtungsverhandlung nicht teilnehmen, hat die Schlichtungsbehörde am bereits festgesetzten Termin festzuhalten und die Parteien allenfalls erneut auf die Erscheinungspflicht aufmerksam zu machen. Die Schlichtungsbehörde darf den Kläger in diesem Fall nicht von der Schlichtungsverhandlung dispensieren und der Kläger hat trotz Mitteilung des Beklagten, er werde nicht kommen, an der Verhandlung teilzunehmen, allenfalls einzig um die Klagebewilligung abzuholen.“ (E.4.5.).

Die Folge für den Kläger im zu beurteilenden Fall war erheblich. Die Klagebewilligung war ungültig und dass Sachgericht trat zu Recht nicht auf den Fall ein.

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