Urteil des Bundesgerichts 4A_534/2017 vom 27. August 2018: Beinhaltet der echte Arbeitsvertrag auf Abruf das Recht auf Mindestabruf?

Im Urteil 4A_534/2017 vom 27. August 2018 behandelte das Bundesgericht die Frage, ob ein Arbeitnehmer ein Recht auf Mindestabruf aus dem echten Arbeitsvertrag auf Abruf ableiten kann. Der Beschwerdeführer war bei der Beschwerdegegnerin als Maler tätig. Als Stundenlohn wurden CHF 26 vereinbart. Der Maler wurde auf Abruf mit einem schwankenden Beschäftigungsgrad tätig.

Sachverhalt
Der Arbeitnehmer war als Maler auf Abruf mit einem schwankenden Beschäftigungsgrad zu einem Stundenlohn von CHF 26 (zzgl. Pauschalspesen und einen Anteil am 13. Monatslohn) beim Arbeitgeber tätig. Der Arbeitgeber betreibt ein Einzelunternehmen im Bereich Gipsmalerei, Dekoration und Tapezierung und stellte im Oktober 2013 den Maler ein. Die Parteien einigten sich auf einen echten Arbeitsvertrag auf Abruf, d.h. der Maler war im Bereitschaftsdienst und musste sich verpflichten, den Abruf vom Arbeitgeber stets Folge zu leisten. Dies ermöglichte dem Arbeitgeber, den Maler kapazitätsorientiert einzusetzen. In zwei aufeinanderfolgenden Monaten, anfangs 2014 sowie von April bis August 2014, erhielt der Maler aber keinen Abruf und somit keinen Lohn mehr vom Arbeitgeber. Das Bundesgericht musste deshalb der Frage nachgehen, ob eine solche Verringerung des monatlichen Arbeitsvolumen erlaubt ist bzw. der Arbeitnehmer ein Recht auf Mindestabruf hat.

Urteil und Begründung des Bundesgerichts
Das Bundesgericht hielt fest, dass zwar Arbeit auf Abruf, auch wenn verpflichtend, als solche nicht gesetzlich verboten ist, diese Form von Arbeit aber gewissen Schranken unterliege. Auch wenn das Arbeitspensum bei Abruf deutlich variieren kann, rechtfertige dies nicht, dass plötzlich kein Abruf mehr erfolgt und der Arbeitnehmer somit überhaupt nicht mehr entgolten wird. Das Bundesgericht stützte sich bei seiner Begründung auf die Lohnzahlungspflicht gemäss Art. 324 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 326 OR sowie 341 Abs.1 OR und betonte, dass der Arbeitsgeber das Unternehmensrisiko trage und dieses nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen dürfe, indem er seine Dienste nicht mehr beanspruche und ihm dadurch faktisch den Lohn entziehe.
(siehe E. 4.3 : «Du reste, le principe du risque d’entreprise à la charge de l’employeur est concrétisé également en matière de travail aux pièces ou à la tâche lorsque l’employé travaille pour un seul employeur (art. 326 CO). Ce dernier doit fournir du travail en quantité suffisante (al. 1). S’il se trouve sans sa faute dans l’impossibilité de fournir du travail aux pièces ou à la tâche, il peut charger le travailleur d’un travail payé au temps (al. 2) et lui versera alors l’équivalent du salaire moyen aux pièces ou à la tâche qu’il gagnait jusqu’alors, à moins que le salaire payé au temps ne soit fixé dans un accord, un contrat-type de travail ou une convention collective (al. 3); l’employeur qui ne peut pas fournir suffisamment de travail aux pièces ou à la tâche ni de travail payé au temps, n’en reste pas moins tenu, conformément aux dispositions sur la demeure, de payer le salaire qu’il devrait verser pour du travail payé au temps (al. 4).»

Zudem verwies das Bundesgericht auf das Urteil BGE 125 III 65, worin es befand, dass die plötzliche und bedeutende Verminderung des monatlichen Arbeitsvolumen eine Umgehung des Schutzes der zwingenden Kündigungsfristen gemäss Art. 335c OR darstelle.
(siehe E. 4.1 : «L’une des limites au travail sur appel se rencontre en cas de diminution brutale du volume mensuel de travail, laquelle peut notamment vider de sa substance la protection impérative liée au délai de congé fixé à l’art. 335c CO (ATF 125 III 65 consid.4b/aa p. 68). En effet, même si, par définition, le volume du travail sur appel varie selon les circonstances, l’employeur – qui supporte le risque d’entreprise selon la règle impérative de l’art. 324 al. 1 CO – ne peut pas refuser d’un jour à l’autre les services du travailleur et le priver subitement de toute rémunération (cf. art. 326 CO); jusqu’à l’échéance du délai de congé, le travailleur a donc droit à son salaire, calculé sur la base de la moyenne des rémunérations perçues pendant une période déterminée équitablement (ATF 125 III 65 consid. 5 p. 69 s.).»

Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass sich der Arbeitnehmer auf einen gewissen Aktivitätsgrad während der gesamten Vertragsdauer verlassen dürfe und der Arbeitgeber somit einer Lohnzahlungspflicht unterliege. Für die Monate, in denen der Arbeitnehmer nicht abgerufen wurde, sprach das Bundesgericht in diesem Fall dem Arbeitnehmer den Durchschnittslohn der Monate zu, in denen der Beschwerdeführer Aufträge erhalten hatte.

Fazit
Das Urteil 4A_534/2017 vom 27. August 2018 setzt klare Grenzen hinsichtlich der Flexibilität von Arbeitsverträgen auf Abruf und schränkt die Natur solcher Verträge, namentlich den vollständig kapazitätsorientierten Abruf von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deutlich ein. In anderen Worten reduziert dieses Urteil die Attraktivität des echten Arbeitsvertrages auf Abruf für Arbeitgeber.

Es sollte aber hervorgehoben werden, dass in diesem Entscheid der Arbeitnehmer über mehrere Monate hinweg überhaupt keinen Abruf mehr erhielt.

Es ist anzunehmen, dass der Entscheid des Bundesgerichts u.U. anders ausgefallen wäre, hätte der Arbeitgeber die Dienste des Arbeitnehmers weiterhin beansprucht, auch wenn im reduzierteren Mass. Schliesslich liegt es in der Natur des echten Arbeitsvertrages auf Abruf, dass die Häufigkeit und der Umfang der Abrufe je nach Kapazität schwanken. Wo genau die Schwelle liegt, ist aber unklar. Um mehr Rechtssicherheit diesbezüglich zu schaffen, wäre es deshalb wünschenswert, wenn das Bundesgericht hier eine klare Praxis schaffen würde.

 

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