Verpasste Klagefrist von Art. 336b OR bei missbräuchlicher Kündigung

In unserer Sommerserie «Arbeitsgericht Zürich» widmen wir uns der aktuellen Ausgabe «Entscheide des Arbeitsgerichts Zürich 2019». In den Urteilen werden viele interessante arbeitsrechtliche Fragestellungen besprochen. Den Auftakt bei den Urteilsbesprechungen macht die verpasste Klagefrist nach Art. 336b OR. Dabei handelt es sich um das Urteil des Arbeitsgerichts Zürich AH180163 vom 29. März 2019 (AGer-Z 2019 Nr. 11).

Und nun zum Sachverhalt: Der Kläger war bei der Beklagten als Customer Call Center Agent angestellt. Der Arbeitgeber kündigte dem Kläger per 31. Juli 2017. Zufolge Krankheit während der Kündigungsfrist verlängerte sich das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Oktober 2017. Der Kläger forderte dann Ende April 2018 in der Schlichtungsverhandlung und dann vor Arbeitsgericht Zürich eine Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung.

Die Kläger hatte mit Schreiben vom 23. April 2017 Einsprache gegen die Kündigung des Arbeitgebers erhoben, was im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Zürich unbestritten blieb. Mithin war die Einsprache gegen die Kündigung gültig und rechtzeitig erfolgt gemäss Art. 336b Abs. 1 OR. Diese Bestimmung besagt, dass die Einsprache gegen die Kündigung spätestens bis Ende der Kündigungsfrist geltend gemacht werden muss.

Wie sah es aber mit der 180 tägigen Frist zur Einleitung der Klage von Art. 336b Abs. 2 OR aus? Das Arbeitsgericht Zürich hatte beim Friedensrichteramt eine schriftliche Auskunft eingefordert, wann der Kläger das Schlichtungsgesuch eingereicht hatte. Das Arbeitsgericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis am 31. Oktober 2017 ablief. Folglich lief die Frist von 180 Tagen zur Klageeinreichung am 29. April 2018 ab. Das Schlichtungsgesuch des Klägers datierte zwar vom 29. April 2018. Gemäss schriftlicher Auskunft des Friedensrichteramts hatte der Kläger aber das Schlichtungsgesuch am 30. April 2018 bei der Gemeindeverwaltung abgegeben. Ausserdem hatte er am gleichen Tag ein Gesuch der Post übergeben.

Das Arbeitsgericht Zürich kam zur einfachen und klaren Feststellung, dass der Kläger das Schlichtungsgesuch einen Tag zu spät einreichte und mithin der Anspruch auf eine (allfällige) Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung verwirkt ist.
In der Folge lies das Arbeitsgericht des Kantons Zürich logischerweise die Frage der missbräuchlichen Kündigung offen und wies das Rechtsbegehren auf Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung aus formellen Gründen ab.

Weitere Geschichte des Urteils – der Instanzenzug
Das Obergericht des Kantons Zürich trat mit Beschluss vom 27. Mai 2019, mangels Begründung, nicht auf die gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Zürich durch den Kläger erhobene Berufung ein (LA190017).

Das Bundesgericht trat auf die gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich erhobene Beschwerde vom 31. Juli 2019 (BGer 4A_322/2019) ebenfalls nicht ein.

Das Resultat des Instanzenzugs bis zum Bundesgericht zeigt exemplarisch die Grenzen der Laienbeschwerden im Arbeitsrecht auf. Vor Bundesgericht war der Arbeitnehmer nicht anwaltlich vertreten. Der Arbeitgeber wurde hingegen durch Dr. René Hirsiger, Partner von Blesi & Papa, vertreten. Vor dem Obergericht war der Arbeitnehmer ebenfalls nicht vertreten, der Arbeitgeber war anwaltlich vertreten, wo bei aus dem Urteil leider nicht hervorgeht, ob es sich ebenfalls um René Hirsiger handelte, dies kann einmal vermutet werden.

Kommentar zum Urteil des Arbeitsgerichts AH180163
Das Urteil des Arbeitsgerichts Zürich ist absolut richtig und frei von Widersprüchen. Es zeigt auf, wie hart die Versäumnis einer Frist, im vorliegenden Fall der Frist von Art. 336b Abs. 2 OR, ist. Ein Tag zu spät bedeutet Verwirkung des Anspruchs. Das ruft die praktische Grundregel in Erinnerung, fristenrelevante Eingaben doch lieber einige Tag zu früh vorzunehmen.

Weiter zeigt die Geschichte des Urteils mit dem Instanzenzug an das Obergerichts des Kantons Zürich und an das Bundesgericht auch auf, dass die Laienbeschwerde im Arbeitsrecht zwar möglich, aber nicht sehr oft zielführend ist. Auf der Stufe Friedensrichter bzw. Sühnebegehren vermag eine direkte Konfrontation der Parteien zu einer unkomplizierten Entscheidfindung durchaus Sinn machen. Bereits vor Arbeitsgericht entsteht aber dann, falls eine Partei anwaltlich vertreten ist, und in diesem Fall war der Arbeitgeber ja durch Dr. René Hirsiger bzw. Blesi & Papa sehr fachkundig anwaltlich vertreten, und die andere Partei nicht, ein erhebliches Ungleichgewicht. Im Instanzenzug entfällt dann die richterliche Fragepflicht und es herrschen strenge Rügevoraussetzungen.

Autor: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., LL.M., www.jobanwalt.ch

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