Verrechnung von Forderungen des Arbeitgebers mit Lohnforderungen

Der Arbeitgeber darf gemäss Art. 323b Abs. 2 OR Lohnforderungen von Arbeitnehmenden nur insoweit mit seinen Forderungen gegenüber dem betreffenden Arbeitnehmernehmenden verrechnen, als diese pfändbar sind. Unbeschränkt verrechnet werden dürfen jedoch Ersatzforderungen für absichtlich zugefügten Schaden. Hierzu stellen sich verschiedene Fragen, welche hier näher beleuchtet werden.

Zur Verrechnung im Allgemeinen

Die Verrechnung ist eine Art der Schuldentilgung, welche in Art. 120 OR geregelt ist. Die Verrechnung von Lohnforderungen des Arbeitnehmenden steht daher zunächst unter den folgenden Voraussetzungen:
– Gleiche Parteien (Arbeitgeber, Arbeitnehmender)
– Gleichartigkeit der Forderungen
– Fälligkeit bzw. Erfüllbarkeit der Forderungen.

Verrechnungsbeschränkung nur für Forderungen mit Lohncharakter

Gemäss dem Gesetzeswortlauf von Art. 323b Abs. 2 OR gilt die Verrechnungsbeschränkung nur für «Lohnforderungen». Gemäss Praxis gilt die Verrechnungsbeschränkung aber für alle Ansprüche mit dem Charakter eines Lohnbestandteils, d.h. nicht nur für Lohnforderungen im engeren Sinne. Dazu gehören, neben dem Grundlohn, u.a. auch Überstundenentschädigungen, Sondervergütungen mit Lohncharakter und Zulagen.

Nicht als «Lohnforderungen» im Sinne von Art. 323b Abs. OR gelten aber u.a.:
– Entschädigungen für nicht bezogene Ferien
– Forderungen aus Auslagenersatz
– Abgangsentschädigungen
– Entschädigungen nach Art. 336a OR
– Entschädigungen nach Art. 337c OR.

Anrechnung von bereits geleisteten Vorschüssen bzw. Akonto-Zahlungen

Keine Verrechnung stellt hingegen die Anrechnung von bereits durch den Arbeitgeber vorgenommen Vorschüssen bzw. Akonto-Zahlungen an Lohnforderungen dar. Diese sind unbeschränkt anrechenbar. Solche Vorschüsse bzw. Akonto-Zahlungen sind sehr verbreitet, etwa bei Arbeitsverhältnissen mit leistungsabhängiger Vergütung, wie u.a. Lohnmodellen, welche sich am Umsatz des Arbeitnehmenden orientieren.

Einschränkung durch das Existenzminimum

Bezüglich des Verrechnungsverbots hat der Arbeitgeber die gleichen Ansätze anzuwenden, welche der Betreibungsbeamte bei der Lohnpfändung einsetzt (Art. 93 SchKG). Massgebend sind die Ansätze des Existenzminimums am Wohnsitz des Arbeitnehmenden. Die kantonalen Obergerichte legen für ihr Kantonsgebiet diese Ansätze periodisch fest. Ist der Arbeitnehmende nicht mit der Festsetzung des Notbedarfs durch den Arbeitgeber einverstanden, so muss er sich an das zuständige Gericht wenden. Falls der Notbedarf bereits vom Betreibungsamt oder einer Aufsichtsbehörde rechtskräftig berechnet wurde, so ist das Zivilgericht bzw. Arbeitsgericht daran gebunden. Die Beweislast für die Verletzung des Existenzminimums trägt der Arbeitnehmende.

Wenn der Arbeitgeber gegen das Verrechnungsverbot verstösst, so stellt sich die Frage der Konsequenz. In diesem Fall bleibt die Verrechnungserklärung im Umfang den das Existenzminimum übersteigenden Betrags wirkungslos. Hier kann der Arbeitnehmende seinen Anspruch weiterhin rechtlich durchsetzen.

Unbeschränkte Verrechenbarkeit von Schadenersatzforderungen

Nicht der Verrechnungsbeschränkung von Art. 323b Abs. 2 OR unterstehen Schadenersatzforderungen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmenden für «absichtlich» zugefügten Schaden.
Unerheblich ist dabei, ob es sich um Schadenersatzansprüche aus Vertragsverletzungen, wie u.a. der Verletzung des Arbeitsvertrags, oder vorsätzlicher unerlaubter Handlung (Deliktsrecht) handelt.

Notwendig ist aber in jedem Fall, dass es sich um «absichtlich» zugefügten Schaden handelt. Dem Vorsatz gleichgestellt ist der Eventualvorsatz.

Hingegen unterliegt der grobfahrlässig zugefügte Schaden der Verrechnungsbeschränkung von Art. 323b Abs. 2 OR.

Typische Anwendungsfälle der unbeschränkten Verrechenbarkeit in der arbeitsrechtlichen Praxis sind u.a. das Verlassen der Arbeitsstelle durch den Arbeitnehmenden ohne wichtigen Grund (Art. 337d OR) und strafbare Handlungen im Betrieb, wie bspw. Diebstahl, Veruntreuung, Sachbeschädigung durch den Arbeitnehmenden.

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