Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Jegliche Videoüberwachung von Arbeitnehmern durch die Arbeigeberin ist nur zulässig, wenn sie erforderlich ist. Erforderlich sein kann die Videoüberwachung von Arbeitnehmern aus verschiedenen Gründen, wie z.B. aus Gründen der Sicherheit. Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt weiter, dass die Videoüberwachung nicht weiter geht, als zur erreichen des Zwecks (der natürlich zulässig sein muss) absolut notwendig ist. Da immer mehr Kameras vorhanden sind an Arbeitsplätzen in der Schweiz, schauen wir uns dieses Thema genauer an. Dabei gehen wir auch auf Gerichtsentscheide ein, wie u.a. das Leiturteil des Bundesgerichts 6B_536/2009 vom 12. November 2009

 

Relevante rechtliche Normen und Grundsätze

Im Vordergrund steht Art. 328 OR (Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers) sowie Art. 328b OR, wonach die Arbeitgeberin Daten über den Arbeitnehmer nur bearbeiten darf, soweit sie für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses notwendig sind.

Dazu sind das Datenschutzgesetz (DSG) sowie das Strafgesetzbuch (StGB) anwendbar.

Grundsätzlich verboten bzw. an sehr hohe Anforderungen gebunden ist die dauernde Überwachung von Arbeitnehmern.

Daten, welche mit rechtlich zulässigen Überwachungsmassnahmen erhoben wurden, dürfen nur in Ausnahmefällen bezogen auf den einzelnen Arbeitnehmer bearbeitet werden. So dürfen Überwachungskameras, die vor Diebstahl schützen sollen, nicht zur Auswertung der Arbeitszeit genutzt werden.

 

Bestimmung Art. 26 ArGV 3

Die Bestimmung von Art. 26 ArGV 3, welche Art. 6 ArG konkretisiert, besagt Folgendes:

1 Überwachungs- und Kontrollsysteme, die das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz überwachen sollen, dürfen nicht eingesetzt werden.

2 Sind Überwachungs- oder Kontrollsysteme aus anderen Gründen erforderlich, sind sie insbesondere so zu gestalten und anzuordnen, dass die Gesundheit und die Bewegungsfreiheit der Arbeitnehmer dadurch nicht beeinträchtigt werden.

 

Urteil des Bundesgerichts BGE 6B_536/2009 vom 12. November 2009 «Zürcher Juwelier»

Im Urteil 6B_536/2009 vom 12. November 2009 befasste sich das Bundesgericht mit einer ohne Wissen der Mitarbeitenden installierten Kamera im Kassenraum einer Schmuckhandlung. Dieses Leiturteil enthält auch sehr viele wichtige generell-abstrakte Abhandlungen des Bundesgerichts zum Thema Videoüberwachung am Arbeitsplatz.

Sachverhalt

In einer Schmuckhandlung war bei der täglichen Schlussabrechnung ein Fehlbetrag von CHF 1’350.00 festgestellt worden. Darauf überprüfte die Geschäftsleitung die Aufnahmen einer im Kassenraum des Geschäfts ohne das Wissen der Mitarbeiter installierten Kamera. So konnte eine Mitarbeiterin beobachtet werden, wie sie einen Bargeldbetrag aus der Kasse nahm.

Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht äusserte sich wie folgt:

«Das Arbeitsgesetz enthält keine Bestimmungen betreffend die Überwachung der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz. Es enthält auch keine Bestimmung, die den Bundesrat ausdrücklich zum Erlass von Vorschriften auf dem Gebiet der Überwachung der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz ermächtigt. Es erstaunt, dass der heikle und schwierige Gegenstand der Überwachung der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz lediglich in einer bundesrätlichen Verordnung geregelt wird, und zwar in einer Verordnung, die sich auf das Arbeitsgesetz stützt, welches seinerseits den Begriff der Überwachung überhaupt nicht enthält. Es wäre zu begrüssen, wenn die Überwachung der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zumindest in den Grundzügen in einem Gesetz im formellen Sinne geregelt würde. Bereits in der Botschaft des Bundesrates vom 30. September 1960 zum Arbeitsgesetz wurde zutreffend ausgeführt, es gehöre zu den wesentlichen Forderungen der Gesetzgebung im demokratischen Rechtsstaat, dass alle grundsätzlichen Normen, welche für den Einzelnen verbindlich sind, in das Gesetz selbst aufgenommen werden und nur die Regelung untergeordneter Einzelfragen auf den Weg der Rechtsverordnung verwiesen wird. Daher müsse bei der Ordnung jeder einzelnen Sachfrage bereits im Gesetz ausdrücklich festgestellt werden, ob eine Kompetenz zum Erlass weiterer Rechtssätze durch Verordnung gegeben sein soll. Ausserdem müssten, soweit dies möglich sei, bereits in den gesetzlichen Vorschriften die wesentlichen Grundzüge der materiellen Ordnung enthalten sein, nach denen die Regelung der Verordnung gestaltet werden soll (Botschaft des Bundesrates zum Arbeitsgesetz, BBl 1960 II 907 ff., 927, 928). Zwar mögen die Verhältnisse in der Arbeitswelt vielgestaltig sein und ständigen Änderungen unterliegen. Die Frage aber, ob, unter welchen Voraussetzungen und inwiefern die Überwachung der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz durch technische Massnahmen zulässig ist, ist eine Grundsatzfrage, die unabhängig von den rasch ändernden Verhältnissen geregelt werden kann. 

Der Bundesrat ist aufgrund des Arbeitsgesetzes zum Erlass von Vorschriften auf dem Gebiet der Überwachung der Arbeitnehmer nur kompetent, soweit solche Vorschriften im Sinne von Art. 6 ArG als Massnahmen für den Gesundheitsschutz angesehen werden können. Dabei ist allerdings der Begriff der Gesundheit in einem weiten Sinne zu verstehen. Er erfasst nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Gesundheit des Arbeitnehmers sowie dessen Wohlbefinden überhaupt. Er umfasst darüber hinaus auch die persönliche Integrität des Arbeitnehmers, zu deren Schutz der Arbeitgeber im Weiteren gemäss Art. 6 Abs. 1 Satz 2 ArG die erforderlichen Massnahmen vorzusehen hat. « (E.3.3.2.).

Das Bundesgericht beschreibt weiter die Entstehungsgeschichte von Art. 26 ArGV 3:

«Die Regelung gemäss Art. 26 ArGV 3 geht zurück auf eine Motion von Nationalrat Reimann vom 12. Dezember 1984 (Geschäft Nr.84.598; AB 1985 I N 724 f.). Darin wurde der Bundesrat beauftragt zu prüfen, in welcher Weise im öffentlichen Arbeitsrecht Bestimmungen zum konkreten Schutz der Arbeitnehmer gegen Übergriffe auf seine Persönlichkeitsrechte eingeführt werden können. Es gehe dabei vor allem darum, jegliche Überwachungseinrichtungen, die den Arbeitnehmer unentwegt kontrollieren, zu verbieten. Ferner sollten Kriterien verankert werden, welche die Aufstellung von Überwachungsgeräten zu anderen Zwecken als der Personalüberwachung unmissverständlich regeln. Der Bundesrat wies in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 20. Februar 1985 (AB 1985 I N 725) unter anderem darauf hin, dass manche Betriebe bereits über Überwachungseinrichtungen verfügten, beispielsweise Banken, Verkaufsgeschäfte und Industriebetriebe. Diese Einrichtungen verfolgten indessen ein klares Ziel: Vorab gehe es um die Sicherheit der Arbeitnehmer bei gesundheitsgefährdenden Arbeiten, sodann um die Gewährleistung der Sicherheit der Kunden, um die Diebstahlsüberwachung und schliesslich um die Überwachung automatisierter Arbeiten. Die Tatsache, dass ein Überwachungssystem ganz oder in erster Linie der Kontrolle der Arbeitnehmer diene, stelle eine unerwünschte Entwicklung dar. Eine ständige Überwachung der Arbeitnehmer durch Videokameras könne namentlich eine Gefahr für deren psychische Gesundheit bilden. Aus diesem Grund sei dem Gesundheitsbegriff vermehrte Aufmerksamkeit zu schenken, indem man nicht nur den körperlichen Schutz der Arbeitnehmer beachte, sondern auch den psycho-sozialen Elementen der Gesundheit Rechnung trage. Dies beschlage die öffentlich-rechtliche Arbeitsgesetzgebung. Als Folge des neuen Unfallversicherungsgesetzes, das am 1. Januar 1984 in Kraft getreten sei, befinde sich gegenwärtig die Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz in Revision. Im Rahmen dieser Revisionsarbeiten könne der Gesundheitsbegriff überprüft und untersucht werden, ob in diese Verordnung einschlägige Bestimmungen aufzunehmen seien. Erschwerend komme in diesem Zusammenhang hinzu, dass die Nutzung der neuen Technologien die Gefahr einschliesse, dass umfassende Informationssysteme über die Arbeitnehmer errichtet würden. Die erforderlichen Schutzmassnahmen seien in einem Entwurf zu einem eidgenössischen Datenschutzgesetz konkretisiert worden. Dabei solle namentlich ein neuer Artikel 328b des Obligationenrechts die Persönlichkeit des Arbeitnehmers besser schützen. Die vorgeschlagene Bestimmung regle Inhalt, Ausmass und Zweck der Bearbeitung der Arbeitnehmerdaten. Die Bearbeitung der Informationen sei nur zulässig innerhalb der durch die Arbeitsbeziehungen festgelegten Zwecke. Entsprechend dem Antrag des Bundesrates wurde die Motion in ein Postulat umgewandelt (siehe zum Ganzen auch BGE 130 II 425 E. 3.2).» (E.3.3.3.).

Das Bundesgericht zitierte auch die Wegleitungen des SECO:

«In der Wegleitung des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO von 2006 wird zu den Verordnungen 2 und 3 zum Arbeitsgesetz unter anderem ausgeführt, mit Art. 26 Abs. 1 ArGV 3 werde der bereits in Art. 328 OR verankerte Persönlichkeitsschutz der Arbeitnehmer im öffentlichen Arbeitsrecht verankert. Das Personal werde dadurch öffentlich-rechtlich gegen die Überwachung seines Verhaltens am Arbeitsplatz geschützt. Überwachungen am Arbeitsplatz, die aus anderen Gründen nötig seien, beispielsweise aus Gründen der Sicherheit oder zur Erfassung der Arbeitsleistung, blieben erlaubt. In diesem Zusammenhang sei weiter das Bundesgesetz über den Datenschutz zu beachten, das den Persönlichkeitsschutz von Personen regle, über die durch Private oder durch Bundesorgane Daten gesammelt und bearbeitet würden. Überwachungsanlagen lösten erfahrungsgemäss bei den betroffenen Arbeitnehmern negative Gefühle aus und verschlechterten das allgemeine Betriebsklima. Sie beeinträchtigten das Wohlbefinden, die psychische Gesundheit und damit die Leistungsfähigkeit des Personals, weshalb es im Interesse aller Beteiligten liege, dass Überwachungsanlagen nicht oder möglichst sparsam eingesetzt würden. Zu Art. 26 Abs. 2 ArGV wird in der Wegleitung des SECO festgehalten, dass Überwachungsanlagen häufig in Warenhäusern zur Diebstahlsüberwachung eingesetzt werden. Die Videokameras seien so zu positionieren, dass das Verkaufspersonal praktisch nicht miterfasst und aufgezeichnet werde. Deshalb sollten die Positionen und Einstellungen der Kameras mit dem Personal besprochen werden, damit dieses den überwachten Bereich kenne. Zum Nachweis, dass der notwendige Einsatz von Überwachungsanlagen die Gesundheit und Bewegungsfreiheit der Arbeitnehmer nicht beeinträchtige, sollten mit Vorteil Unterlagen über Wirkungsweise, Art und Zeitpunkt der Aufzeichnungen erstellt werden. Es bestehe oft auch die Möglichkeit, beispielsweise Diebstahlsüberwachungsanlagen nur dann in Betrieb zu setzten, wenn keine Arbeitnehmer anwesend seien.» (E.3.3.4.).

Es folgt eine ausführliche Auseinandersetzung des Bundesgerichts mit Überwachungssystemen:

«Ein Überwachungssystem, welches beispielsweise die Sicherheit und die Funktionstüchtigkeit einer Maschine überwacht, ist im Sinne von Art. 26 Abs. 2 ArGV 3 zulässig, auch wenn dadurch zwangsläufig auch der Arbeitnehmer, der die Maschine bedient, vom Überwachungssystem mit erfasst wird. Demgegenüber sind nach dem Wortlaut von Art. 26 Abs. 1 ArGV 3 Überwachungs- und Kontrollsysteme verboten, die das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz überwachen sollen, also Systeme, welche gerade die Überwachung der Arbeitnehmer bezwecken, mithin die gezielte Überwachung des Verhaltens der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz. Die Erfassung des Verhaltens am Arbeitsplatz durch Videokameras kann für den Arbeitnehmer gesundheitlich belastend sein. Das Ausmass dieser Belastung kann davon abhängen, ob das Überwachungssystem, das den Arbeitnehmer erfasst, gezielt zu dessen Überwachung oder aber aus andern Gründen eingesetzt wird. Wesentlich kann insoweit insbesondere auch sein, wie oft, wie lange und bei welchen Tätigkeiten der Arbeitnehmer vom Überwachungssystem erfasst wird. 

3.4.2 Die Vorinstanz setzt sich nur andeutungsweise mit der Frage auseinander, welchen Zwecken einerseits die in den Verkaufsräumen der Beschwerdeführerin installierten (insgesamt sieben) Kameras, die der Beschwerdegegnerin 2 bekannt waren, und andererseits die im Kassenraum installierte Kamera dienen. Die Vorinstanz scheint davon auszugehen, dass die Kameras in den Verkaufsräumen auch und gerade bezwecken, Drittpersonen von Diebstählen abzuhalten beziehungsweise im Fall der Verübung von Straftaten zu identifizieren, dass die Kameras in den Verkaufsräumen somit andern Zwecken als der Überwachung des Personals dienen und daher gemäss Art. 26 Abs. 2 ArGV 3 erlaubt sind. Die Kamera im Kassenraum beziehungsweise ihr Einsatz während der Geschäftszeit bezweckt nach der Auffassung der Vorinstanz hingegen die Überwachung des Personals, da nur dieses während der Geschäftszeit den Kassenraum benütze. Damit lässt die Vorinstanz jedoch ausser Acht, dass auch Drittpersonen während der Geschäftszeit in den vom Verkaufsraum durch eine Türe erreichbaren Kassenraum gelangen können, beispielsweise im Falle der Verübung eines Raubes mit Geiselnahme, um das Bargeld im Kassenraum zu stehlen. Allerdings ist einzuräumen, dass dieses Risiko wesentlich geringer ist als das Risiko von Diebstählen durch Drittpersonen in den Verkaufsräumen. Daher kann mit der Vorinstanz davon ausgegangen werden, dass die Kamera im Kassenraum respektive ihr Einsatz während der Geschäftszeit hauptsächlich die Überwachung der Arbeitnehmer bezweckt.» (E.3.4.1.).

Das Bundegericht fuhr weiter:

«Aufgrund der Ausführungen im angefochtenen Entscheid muss davon ausgegangen werden, dass das Personal beziehungsweise die Beschwerdegegnerin 2 keine Kenntnis davon hatte, dass auch im Kassenraum eine Videokamera installiert beziehungsweise dass diese auch während der Geschäftszeit in Betrieb war. Ob die Beschwerdegegnerin 2 solches immerhin für möglich hielt, lässt sich dem angefochtenen Entscheid nicht entnehmen. Wie es sich damit verhält, kann jedoch dahingestellt bleiben. Offenbleiben kann damit auch, ob gestützt auf Art. 6 Abs. 4 ArG, wonach durch Verordnung bestimmt wird, welche Massnahmen für den Gesundheitsschutz in den Betrieben zu treffen sind, eine heimliche Videoüberwachung, von welcher das Personal nichts weiss und nichts ahnt, verboten werden kann, ob mit anderen Worten ein Verbot einer gezielten heimlichen Überwachung des Verhaltens der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz als eine Massnahme für den Gesundheitsschutz im Sinne von Art. 6 Abs. 4 ArG anzusehen ist. Die Videoüberwachung des Kassenraums der Beschwerdeführerin verstösst unter den gegebenen konkreten Umständen jedenfalls aus nachstehenden Gründen nicht gegen Art. 26 ArGV 3.)» (E.3.5.).

Es folgen die weiteren zentralen Ausführungen des Bundesgerichts:

«Art. 26 Abs. 1 ArGV 3 ist unter Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte (siehe E. 3.3.3 hievor) sowie insbesondere des Inhalts der gemäss Art. 182 Abs. 1 BV notwendigen gesetzlichen Delegationsnorm, auf welche sich die ArGV 3 als gesetzesvertretende Verordnung stützt, in dem Sinne einschränkend auszulegen, dass Überwachungs- und Kontrollsysteme, die das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz überwachen sollen, nicht eingesetzt werden dürfen, soweit sie geeignet sind, die Gesundheit oder das Wohlbefinden der Arbeitnehmer zu beeinträchtigen. Nur unter dieser Voraussetzung stellt das Verbot der Überwachung eine Massnahme für den Gesundheitsschutz im Sinne von Art. 6 Abs. 4 ArG dar.» (E.3.6.1.).

«Soweit sich die Regelung der Überwachung des Verhaltens der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz in einer bundesrätlichen Verordnung auf Art. 6 Abs. 4 ArG stützt, ist das Kriterium der Gesundheitsbeeinträchtigung von Bedeutung. Davon scheint auch der Verordnungsgeber auszugehen, wie sich aus Art. 26 Abs. 2 ArGV 3 ergibt, wonach die aus andern Gründen erforderlichen Überwachungssysteme so zu gestalten und anzuordnen sind, dass sie die Gesundheit und die Bewegungsfreiheit der Arbeitnehmer nicht beeinträchtigen. Dem Verordnungsgeber kann hingegen nicht gefolgt werden, soweit er offenbar davon ausgeht, dass eine (hauptsächlich) der Überwachung des Verhaltens der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz dienende Massnahme (Art. 26 Abs. 1 ArGV 3) – im Unterschied zu einem aus anderen Gründen eingerichteten Überwachungssystem (Art. 26 Abs. 2 ArGV 3) – eo ipso die Gesundheit der Arbeitnehmer beeinträchtigen kann und daher zu verbieten ist. Der Zweck der Überwachungsmassnahme ist nur ein Kriterium neben andern (Häufigkeit, Dauer etc. der Überwachung), die unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes von Bedeutung sein können. Ein Überwachungssystem kann daher, auch wenn es (hauptsächlich) der gezielten Überwachung des Verhaltens der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz dient, erlaubt sein, wenn die Arbeitnehmer nur sporadisch und kurzzeitig bei bestimmten Gelegenheiten vom Überwachungssystem erfasst werden.» (E.3.6.2.)

«Die Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin halten sich nur sporadisch und während kurzer Zeit im Kassenraum auf, namentlich um dort Bargeld zu deponieren oder zu holen. Durch die Videoüberwachung im Kassenraum wird nicht das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz über längere Zeit überwacht, sondern im Wesentlichen die Kasse erfasst, an welcher sich die Arbeitnehmer sporadisch und kurzzeitig aufhalten. Eine solche Videoüberwachung ist nicht geeignet, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Arbeitnehmer zu beeinträchtigen. Sie ist mangels Relevanz unter dem Gesichtspunkt der Gesundheit und des Wohlbefindens der Arbeitnehmer bei der gebotenen einschränkenden Auslegung von Art. 26 Abs. 1 ArGV 3 nicht gemäss dieser Bestimmung verboten.» (E.3.6.3.).

Das Bundesgericht betonte anschliessend, wie wichtig die konkrete Prüfung der Umstände im Einzelfall sei. Und es nahm diese Prüfung auch gleich vor:

«Die Überwachung der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz etwa durch Videokameras kann, je nach den konkreten Umständen, auch die Persönlichkeit der Arbeitnehmer verletzen und/oder gegen Vorschriften des Datenschutzgesetzes verstossen (siehe Art. 28 ZGB, Art. 328 und Art. 328b OR, Art. 12 DSG etc.). Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen (Art. 28 Abs. 1 ZGB). Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist (Art. 28 Abs. 2 ZGB). Der Arbeitgeber hat im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen, auf dessen Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen. Er muss insbesondere dafür sorgen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht sexuell belästigt werden und dass den Opfern von sexuellen Belästigungen keine weiteren Nachteile entstehen (Art. 328 Abs. 1 OR). Der Arbeitgeber darf Daten über den Arbeitnehmer nur bearbeiten, soweit sie dessen Eignung für das Arbeitsverhältnis betreffen oder zur Durchführung des Arbeitsvertrages erforderlich sind. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (Art. 328b OR). Das Datenschutzgesetz (SR 235.1) bezweckt den Schutz der Persönlichkeit und der Grundrechte von Personen, über die Daten bearbeitet werden (Art. 1 DSG). Unter „Personendaten (Daten)“ sind gemäss Art. 3 lit. a DSG alle Angaben zu verstehen, die sich auf eine bestimmte oder bestimmbare Person beziehen. Der zentrale Begriff des „Bearbeitens“ erfasst jeden Umgang mit Personendaten, unabhängig von den angewandten Mitteln und Verfahren, unter anderem das Beschaffen von Personendaten (Art. 3 lit. e DSG). Personendaten dürfen nur rechtmässig bearbeitet werden (Art. 4 Abs. 1 DSG). Ihre Bearbeitung hat nach Treu und Glauben zu erfolgen und muss verhältnismässig sein (Art. 4 Abs. 2 DSG). Wer Personendaten bearbeitet, darf dabei die Persönlichkeit der betroffenen Personen nicht widerrechtlich verletzen (Art. 12 Abs. 1 DSG). Er darf insbesondere nicht Personendaten entgegen den Grundsätzen von Artikel 4 bearbeiten (Art. 12 Abs. 2 lit a DSG). Eine Verletzung der Persönlichkeit ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist (Art. 13 Abs. 1 DSG). 

Die Videoüberwachung des Kassenraums bezweckt nicht ausschliesslich die Überwachung des Personals, sondern auch die Verhinderung von Straftaten durch Dritte. Im Kassenraum eines Uhren- und Juwelengeschäfts können sich Bargeldbeträge in beträchtlichem Umfang befinden, weshalb der Geschäftsinhaber ein erhebliches Interesse an einer Überwachung hat. Von der Videoüberwachung im Kassenraum werden die Arbeitnehmer im Verlauf eines Arbeitstages nur sporadisch und kurzzeitig erfasst. Unter den gegebenen Umständen wurde nicht im Sinne von Art. 28 ZGB, Art. 328 und Art. 328b OR respektive Art. 12 DSG die Persönlichkeit der Beschwerdegegnerin 2 widerrechtlich verletzt. Dies gilt auch für den Fall, dass die Beschwerdegegnerin 2 nicht nur nicht wusste, sondern – was die Vorinstanz nicht abklärte – auch nicht mit der Möglichkeit rechnete, dass auch im Kassenraum eine Videokamera installiert und während der Geschäftszeit in Betrieb sein könnte.» (E.3.7.).

Das Bundesgericht kommt dann zur Schlussfolgerung, dass die Videoüberwachung des Kassenraums mithin unter den gegebenen Umständen entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht gegen Art. 26 Abs. 1 ArGV 3 verstiess. Sie ist auch unter den Gesichtspunkten des Persönlichkeitsschutzes und des Datenschutzes nicht rechtswidrig. Die konkrete Videoaufnahme war daher nicht unrechtmässig (E.3.8.).

 

Arbeitsgericht Zürich Fall AN180026 «Take-Away-Lokal» vom 22. Januar 2019

Im Fall AN180026 vom 22. Januar 2019 hatte sich das Arbeitsgericht Zürich mit der Videoüberwachung eines Take-Away-Lokal Mitarbeiters zu befassen. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, nachdem er auf Videoaufnahmen entdeckte, dass der Arbeitnehmer nicht sämtliche Warenverkäufe in die Kasse getippt und den entsprechenden Verkaufserlös selber kassiert hatte. Vor dem Arbeitsgericht Zürich war die Zulässigkeit solcher Videoaufnahmen strittig.

Der entlassene Mitarbeiter machte geltend, der Arbeitgeber habe mit der permanenten Verhaltensüberwachung der Arbeitnehmer Art. 328 OR, Art. 6 ArG i.V.m. Art. 26 ArGV 3 sowie das Datenschutzgesetz verletzt.

Der Arbeitgeber machte geltend, dass die Videoaufnahmen nicht das Verhalten der Arbeitnehmer i.S.v. Art. 26 Abs. 1 ArGV 3 überwacht, sondern die Kasse wegen dem Schutz vor Diebstählen und Veruntreuungen geschützt hätten.

Die qualitativ nicht sehr hochstehenden Videoaufzeichnungen erfassten im vorliegenden Fall nicht nur den Thekenbereich und/den Kassenbereich, sondern den gesamten Arbeitsgericht der Mitarbeitenden. Entsprechend liessen sich – neben dem Inkasso der Kundengelder – sämtliche Handlungen der Arbeitnehmer nachvollziehen. Zeitlich beginnen die Aufzeichnungen zudem auch die Arbeitsvorbereitungen im Lokal, bevor der erste Kunden überhaupt eintritt. Erfasst werden durch die Videoaufnahmen auch zahlreiche nicht-beruflichen Verrichtungen, wie Gespräche, bzw. das gesamte berufliche und ausserberufliche Verhalten der Mitarbeitenden. Nur wenn Mitarbeitende den Take-Away-Kubus verlassen, sind sie nicht mehr auf Aufzeichnungen ersichtlich.

Der Arbeitgeber machte geltend, dass das Video-System erst installiert wurde, als durch Inventur der Verdacht aufkam, dass Einnahmen fehlen würden aufgrund von kriminellen Handlungen der Mitarbeitenden.

Das Arbeitsgericht Zürich hielt in diesem Fall für entscheidend, dass die Take-Away-Mitarbeitenden permanent von der Kamera erfasst wurden, bei sämtlichen ihren beruflichen und allenfalls ausserberuflichen Verrichtungen innerhalb des Kubus – und ohne jede Privatsphäre. Die Videoaufzeichnungen zeigten jegliche Verhalten der Mitarbeitenden. Gemäss Arbeitsgericht Zürich sei dies unverhältnismässig, selbst wenn der Zweck der Videoüberwachung darin gelegen haben soll, das Inkasso zu überwachen. Eine solche ständige Überwachung ist geeignet, die Gesundheit der Mitarbeitenden, insbesondere in psychischer Hinsicht, zu beeinträchtigen. Die Überwachungsmassnahmen des Arbeitegebers waren rechtswidrig im Sinne des Arbeitsgesetzes.

Das Arbeitsgericht Zürich liess, weil es ein Interesse an der Durchdringung des Verwertungsverbotes als gering ansah, die Videoaufnahmen als Beweismittel nicht zu.

Erläuterungen des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB)

Der Eidgenössische Dateschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) erklärt, dass Videoüberwachungsanlagen am Arbeitsplatz grundsätzlich nur dann eingesetzt werden sollten, wenn der angestrebte Zweck nicht durch weniger einschneidende Massnahmen erreicht werden kann. Er betont mithin das Verhältnismässigkeitsprinzip, einen Grundpfeiler des Datenschutzrechts.

Fälle von zulässigen Videoüberwachungen

Eine Videoüberwachung kann gemäss dem EDÖB etwa aus organisatorischen Gründen, aus Gründen der Sicherheit oder zur Produktionssteuerung zulässig sein. Der Arbeitnehmer dürfe dabei nicht oder nur ausnahmsweise von der Kamera erfasst sein, da sonst seine Gesundheit gefährdet werden kann. Denkbar seien gemäss dem EDÖB Videokameras ausserhalb der Gebäude und bei den Parkplätzen, bei Zugängen oder Eingängen, bei Durchgängen, bei gefährlichen Maschinen und Anlagen, in Tresorräumen, bei Gasinstallationen im Freien, bei Lagern mit gefährlichen oder wertvollen Gütern oder in der Schalterhalle einer Bank. Sind öffentliche Plätze betroffen, ist die Bewilligungspflicht mit der zuständigen Gemeinde vorgängig abzuklären.

Videoüberwachung zu Schulungszwecken

Denkbar seien gemäss EDÖB auch zeitlich beschränkte Videoüberwachungen der Angestellten zu Schulungszwecken. Dabei sei es mit dem Persönlichkeitsschutz vereinbar, wenn die Angestellten nur über die ausgewählte Aufnahmeperiode informiert werden. Die Aufnahmeperiode muss so kurz wie möglich gehalten werden und darf nicht zum Zweck der Verhaltensüberwachung verwendet werden.

Zeitliche Begrenzung der Aufbewahrung

Die Aufbewahrung der Aufnahmen sei gemäss dem EDÖB zeitlich zu begrenzen. Dies hänge vom jeweiligen Zweck der Überwachung ab, wie lange die Daten gespeichert werden dürfen. In der Regel habe gemäss dem EDÖB die Löschung innert 24 bis 72 Stunden zu erfolgen.

Diese Frist ist gerade in der arbeitsrechtlichen Praxis i.d.R. zu kurz. Oft kommt man erst nach längerer Zeit auf die (mögliche) Relevanz von gewissen Videoaufnahmen.

Einsatz von Datenschutz-Technologien

Ist der Einsatz einer Videoüberwachung unumgänglich, so empfiehlt der EDÖB die Verwendung datenschutzfreundlicher Technologien wie z. B. „Privacy Filters“.

Eine Videoüberwachung benötigt gemäss dem EDÖB aber auch bei Einsatz von Privacy Filtern einen Rechtfertigungsgrund (Art. 13 DSG).

 

Autor: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., LL.M., www.jobanwalt.ch

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