Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Verschiedene rechtliche Bestimmungen schützen Arbeitnehmer vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. So schreibt Art. 328 OR grundsätzlich vor, dass der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht sexueller Belästigung vorzubeugen und dafür zu sorgen hat, dass einem Opfer keine weiteren Nachteile entstehen. Gemäss Art. 6 des Arbeitsgesetzes ist der Arbeitgeber sodann verpflichtet, zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind. Er hat zudem die erforderlichen Massnahmen zum Schutze der persönlichen Integrität der Arbeitnehmer vorzusehen. Das Gleichstellungsgesetz (GlG) soll zudem insbesondere vor Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund des Geschlechts schützen. Die sexuelle Belästigung wird als Diskriminierung angesehen. Das Gesetzt erwähnt beispielhaft insbesondere Drohungen, das Versprechen von Vorteilen, das Auferlegen von Zwang und das Ausüben von Druck zum Erlangen eines Entgegenkommens sexueller Art.

Beispiele Sexueller Belästigung
Als sexuelle Belästigung gilt jede Handlung mit sexuellem Bezug, welche von der betroffenen Person unerwünscht ist. Sexuelle Belästigung kann mit Worten, Gesten oder Taten ausgeübt werden. Als Beispiele können folgende Handlungsweisen aufgeführt werden:
anzügliche und zweideutige Bemerkungen über das Äussere von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sexistische Bemerkungen und Witze über sexuelle Merkmale, sexuelles Verhalten und die sexuelle Orientierung von Frauen und Männern, Vorzeigen, Aufhängen, Auflegen oder Verschicken (auch elektronisch) von pornographischem oder sexistischem Material, unerwünschte Einladungen mit eindeutiger Absicht, unerwünschte Körperkontakte, Verfolgen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern innerhalb oder ausserhalb des Arbeitsplatzes, Annäherungsversuche (auch schriftliche oder elektronische Mitteilungen), die mit Versprechen von Vorteilen oder Androhen von Nachteilen einhergehen, sexuelle Übergriffe, Nötigungen oder Vergewaltigung. Diese Liste ist nicht abschliessend.

Für die Beurteilung, ob es sich beim beobachteten Verhalten um sexuelle Belästigung handelt, ist die Absicht der belästigenden Person nicht ausschlaggebend, sondern ausschliesslich, wie ihr Verhalten von der betroffenen Person empfunden wird, d.h. ob es erwünscht oder unerwünscht ist. Es ist weder eine Diskriminierungsabsicht noch der Wille, mit der Belästigung die Betroffene aufgrund ihres Geschlechts zu benachteiligen erforderlich. Entscheidend bleibt, dass das Vorgehen gegen den Willen der Betroffenen bzw. ohne ihren Willen erfolgt. Das subjektive Element steht bei der sexuellen Belästigung also in Bezug zum betroffenen Opfer, nicht zum Belästiger. Es ist zu beachten, dass bereits schwere verbale sexuelle Belästigung strafbar ist (Art. 198 StGB).

Pflichten des Arbeitgebers – Rechte des Betroffenen
Der Schutz vor sexueller Belästigung gehört gemäss Art. 328 OR zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Dieser umfasst zum einen Massnahmen der Prävention und zum anderen das Eingreifen, wenn ein Fall von sexueller Belästigung vorliegt. Der Arbeitgeber muss insbesondere dafür sorgen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht sexuell belästigt werden und dass Opfern von sexuellen Belästigungen keine weiteren Nachteile entstehen. Unterlassung kann Schadenersatz oder auch Genugtuungsansprüche zur Folge haben.
Bei einer Diskriminierung durch sexuelle Belästigung gemäss GlG sieht dieses vor (Art. 5 Abs. 3 GlG), dass die betroffene Person Anspruch auf eine Entschädigung vom Arbeitgeber (nicht von der belästigenden Person) hat, wenn der Arbeitgeber nicht beweist, dass er Massnahmen getroffen hat, die zur Verhinderung sexueller Belästigungen nach der Erfahrung notwendig und angemessen sind und die ihnen zugemutet werden können. Diese Bestimmung zwingt den Arbeitgeber, konkret Massnahmen zur Verhinderung von sexueller Belästigung zu ergreifen.
Am wichtigsten ist, dass sich der Arbeitgeber stark macht für ein belästigungsfreies Klima. So hat ein Arbeitgeber zum Bespiel zu intervenieren, wenn er feststellt, dass sexistisches Material im Betrieb zirkuliert oder wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitgeber das Ziel von abwertenden Sprüchen und Witzen ist.

Damit ein Arbeitgeber seinen Pflichten zur Verhinderung sexueller Belästigung nachkommt und auch die Mitarbeiter vor unerwünschter sexueller Belästigung schützen kann, ist es empfehlenswert, dass er Merkblätter und Weisungen über nicht tolerierbares Verhalten erlässt und somit präventiv und proaktiv wirkt. Die Merkblätter betreffend sexuelle Belästigung, welche allen Mitarbeitern zur Kenntnis zu bringen sind, sollten mindestens die folgenden Punkte beinhalten:

Grundsatzerklärung: Der Arbeitgeber bezieht klar Position und informiert, dass sexuelle Belästigung in diesem Betrieb nicht geduldet wird

Definition: Abstrakte Begriffe mit Beispielen konkretisieren Unterstützung für Betroffene anbieten: Arbeitgeber sollten den Mitarbeitenden aufzeigen, an wen sie sich in einem konkreten Fall wenden können und dass sie weder Repressalien noch einen Arbeitsplatzverlust zu befürchten haben

Sanktionen: Es sollte festgehalten werden, dass belästigende Personen mit Sanktionen zu rechnen haben

Das Grundsatzdokument sollte in schriftlicher Form vorliegen und kann mit weiteren Materialien wie beispielsweise internen Vertrauenspersonen oder externen Vertrauensstellen ergänzt werden. Es muss sichergestellt werden, dass das Dokument allen Mitarbeitern bekannt ist. Arbeitgeber sollten regelmässig mündlich oder schriftlich über das Grundsatzpapier informieren. Wenn Sie sich für einen Infoanlass entscheiden, können externe Fachleute zur Unterstützung beigezogen werden. Den Mitarbeitern muss klar sein, an wen (interne oder externe Person oder Stelle) sie sich bei einem konkreten Fall richten können. Es zeigt sich, dass es sich bewährt, eine interne oder externe Vertrauensstelle zu bezeichnen, an welche sich von sexueller Belästigung Betroffene wenden können. Auf diese Weise ist es unter Umständen möglich, dass Konflikte in Gesprächen einvernehmlich gelöst werden, ohne dass der Arbeitgeber oder eine Führungsperson etwas davon erfährt und formelle Massnahmen ergriffen werden müssen. Hinweise auf sexuelle Belästigungen müssen immer ernst genommen werden. Die Unternehmensleitung oder die von ihr betraute Fachperson müssen bei einem Verdacht oder einer Beschwerde rasch, diskret und fair Abklärungen vornehmen. Sollte keine einvernehmliche Lösung gefunden und die Untersuchung eines Falles notwendig werden, hat die belästigte Person die Möglichkeit, eine Beschwerde zu hinterlegen und ein formelles Verfahren zu verlangen. Unseres Erachtens kann auch gegen den Willen der Betroffenen eine Untersuchung durch den Arbeitgeber eingeleitet werden.

Untersuchung
Soll eine Untersuchung eines Falles an die Hand genommen werden, so kann diese auch durch externe Spezialisten erfolgen. Wichtig dabei ist, dass einerseits die beschuldigende wie auch die beschuldigte Person im Rahmen der Untersuchung angehört werden und ihre Verfahrensrechte wahrnehmen können. Ebenso ist nach allfälligen Zeugen zu suchen. Auch diese sind zu befragen. Die Rechte und Pflichten der Betroffenen bestimmen sich zunächst nach dem Arbeitsrecht. Im Zentrum steht die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (Art. 328 OR). Diese verpflichtet den Arbeitgeber, auf die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers (auch des Beschuldigten) Rücksicht zu nehmen und seine Persönlichkeit zu schützen, was in erster Linie eine Unterlassungspflicht bedeutet. So hat der Arbeitgeber insbesondere dafür zu sorgen, dass keine Vorverurteilung oder Rufschädigung erfolgt. Diskretion und Sachlichkeit sind im Rahmen einer internen Untersuchung gross zu schreiben. Den Arbeitnehmer trifft im Gegenzug die ebenso wichtige Treuepflicht (Art. 321a Abs. 1 OR) und zudem die Geheimhaltungspflicht (Art. 321a Abs. 4 OR). Die Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers leitet sich aus dem Weisungsrecht des Arbeitgebers ab.

Neben dem Arbeitsvertragsrecht ist bei internen Untersuchungen insbesondere das Datenschutzrecht wesentlich. Im Rahmen von internen Untersuchungen wird mit Personendaten gearbeitet. Dies stellt eine Datenbearbeitung im Sinne des Datenschutzgesetzes dar. Aus diesem Grund sind die allgemeinen Voraussetzungen zur Datenbearbeitung zu beachten.

Der Abschluss der Untersuchung endet mit der Erstellung eines Untersuchungsberichts. Dieser ist den involvierten Parteien zu eröffnen. Dieser fasst einerseits die Erkenntnisse der Untersuchung zusammen. Auf der anderen Seite ist es unerlässlich, dass der Untersuchungsbericht auch Empfehlungen zugunsten des Arbeitgebers beinhaltet.

Gerichtliches Vorgehen
Sofern mit den entsprechenden Stellen keine betriebsinterne Lösung gefunden werden kann, hat jede Person, die durch eine sexuelle Handlung im Sinne des GlG diskriminiert wird, die Möglichkeit, kostenlos die zuständige kantonale Schlichtungsbehörde für Gleichstellungsfragen zu involvieren. Die Schlichtungsbehörde versucht dann, zwischen dem Arbeitgeber und der durch die sexuelle Belästigung diskriminierten Person zu vermitteln.

Kann keine Einigung erzielt werden, kann die belästigte Person das Gericht anrufen. Aufgrund von Art. 5 GlG kann beantragt werden, dass eine Diskriminierung – wie sie die sexuelle Belästigung darstellt – festgestellt und beseitigt bzw. in Zukunft unterlassen wird. Zusätzlich kann der Arbeitgeber zur Zahlung einer Entschädigung gemäss Art. 5 Abs. 3 GlG sowie von Schadenersatz und Genugtuung verurteilt werden.

Das Gleichstellungsgesetz schafft zudem einen gewissen Kündigungsschutz während der Dauer von innerbetrieblichen Verfahren, Schlichtungs- und Gerichtsverfahren, welcher 6 Monate nach Beendigung der entsprechenden Verfahren endet. So ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses anfechtbar, wenn sie ohne begründeten Anlass auf eine innerbetriebliche Beschwerde über eine Diskriminierung oder auf die Anrufung der Schlichtungsstelle oder des Gerichts folgt. Das Gericht kann die provisorische Wiedereinstellung für die Dauer des Verfahrens anordnen, wenn es wahrscheinlich erscheint, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung der Kündigung erfüllt sind. Alternativ kann während des Verfahrens auf die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses verzichtet und stattdessen eine Entschädigung nach Artikel 336a OR durch den Arbeitnehmer geltend gemacht werden.

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