Arbeitsrecht und Coronavirus – eine erste rechtliche Standortbestimmung

Hier werden einzelne wichtige Fragen des Arbeitsrechts zum Coronavirus im Sinne einer ersten, jeweils periodisch aktualisierten, Einschätzung abgehandelt, unter Berücksichtigung der Massnahmen, die der Bundesrat jeweils beschlossen hat, u.a. in der COVID-19-Verordnung 2. Die Beantragung von Kurzarbeit ist in der Schweizer Wirtschaft ein mehr als aktuelles Thema. Unzulässige sofortige Ferienanordnungen durch Arbeitgeber können zum Risiko der doppelten Gewährung von Ferien führen.

Die meisten der sich bisher in der Arbeitsrechtspraxis stellenden Fragen zum Coronavirus können anhand der normalen arbeitsrechtlichen Normen abgehandelt werden. Zu beachten ist der Konnex zum Epidemiengesetz (EpG), wonach derzeit eine «Aussergewöhnliche Lage» nach Art. 7 EpG herrscht. Dabei handelt es sich um einen tatsächlichen und rechtlichen Ausnahmezustand, der vom Bundesrat festgelegt wurde sowie Bund (vor allem dem Bund) und Kantonen besondere Kompetenzen gibt. Zudem hat die WHO eine globale Pandemiesituation ausgerufen. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass auch rechtliche Ausnahmetatbestände, wie «höhere Gewalt», in einzelnen Fällen herangezogen werden durch Gerichte, was die Rechtsunsicherheit erhöht.

Der Bundesrat hat am 13. März 2020 die Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19) verabschiedet, auch COVID-19-Verordnung 2 genannt. Diese wurde bereits mehrmals geändert, letztmals am 21. März 2020. Gegenstand und Zweck der Verordnung ist es, die Verbreitung des Coronavirus in der Schweiz zu verhindern oder einzudämmen, die Häufigkeit der Übertragungen zu reduzieren, Übertragungsketten zu unterbrechen, lokale Ausbrüche zu verhindern oder einzudämmen, besonders gefährdete Personen zu schützen sowie die Kapazitäten der Schweiz zur Bewältigung der Epidemie sicherzustellen, insbesondere im Gesundheitswesen.

Kurzarbeit – Eine aktuell sehr wichtige Option für die Schweizer Unternehmen
In vielen Schweizer Unternehmen ist bzw. wird wohl die Kurzarbeit nun zum aktuellen Thema. Zumindest für eine gewisse Zeit, um die Kapazitäten herunterzufahren und den wirtschaftlichen Schaden in Grenzen zu halten.

Unternehmen können Kurzarbeit anmelden, wenn sie zwischen ihren Arbeitsausfällen und dem Auftreten des Coronavirus einen adäquaten Kausalzusammenhang belegen können und die bestehenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Das Gesuch für Kurzarbeit muss begründet sein und den Kausalzusammenhang zwischen Coronavirus und temporärem Arbeitsausfall klar darlegen. Pauschale Hinweise genügen nicht. Offen ist, wie sich in der vorliegenden Sondersituation die zuständigen Behörden verhalten werden – Kulanz oder strikte Prüfungen der Gesuche? Einen Anspruch kann der Arbeitgeber grundsätzlich für jene Arbeitnehmenden geltend machen, welche die obligatorische Schule abgeschlossen und das AHV-Rentenalter noch nicht erreicht haben. Zudem müssen die Arbeitnehmenden in einem ungekündigten Anstellungsverhältnis stehen Bei Lernenden kann neu auch Kurzarbeit beantragt werden. Die Mitarbeitenden müssen unter normalen Umständen der Kurzarbeit auch jeweils zustimmen. Es scheint jetzt aber Lockerungen zu geben seitens der Behörden, so dass Zustimmungen der Arbeitnehmenden bei Kurzarbeit nach der derzeitigen Praxis in der Schweiz nicht erforderlich sind.

Die Kurzarbeit ist aber für den Arbeitgeber nicht frei von Tücken. Auch muss beachtet werden, dass es zu Konsequenzen kommen kann, wenn Arbeitnehmende auf Kurzarbeit gesetzt und dann, während der Kurzarbeit oder auch während einer gewissen Zeit danach, gekündigt werden. Denn Kurzarbeit ist nur dafür da, um Arbeitsplätze dauerhaft zu erhalten. In der Praxis kommt es bei solchen Entlassungen nicht selten zu Sanktionen durch die zuständigen Behörden.

Anordnung von Ferien gegenüber Mitarbeitenden – Vorsicht vor unzulässiger Anordnung von Ferien und dem Risiko der Pflicht zur nochmaligen Gewährung der Ferien
In den Medien sind (arbeitgeberfreundliche) Stellungnahmen von Experten zu finden, wonach Mitarbeitende nun einfach kurzfristig in die Ferien geschickt werden können bzw. sollen. Dem ist arbeitsrechtlich überhaupt nicht so.
Zwar bestimmt der Arbeitgeber die Ferien und kann auch Betriebsferien für alle anordnen. Das entspricht auch der gängigen Übung in vielen Unternehmen, z.B. während eines Teils der Sommerschulferien oder über die Weihnachtsfeiertage. Ferien müssen aber i.d.R. mit einer Vorlaufszeit von drei Monaten in Absprache mit dem jeweiligen Arbeitnehmenden geplant werden. Dabei ist auf die Familiensituation der Arbeitnehmenden, u.a. schulpflichtige Kinder, Rücksicht zu nehmen. Auch haben Arbeitnehmende grundsätzlich Anspruch auf jährlich einmal Ferien von zwei Wochen am Stück.

Arbeitgeberfreundliche Stimmen in der juristischen Lehre fordern nun, dass in einer Zwangslage, wenn z.B. die Existenz des Unternehmens bedroht wäre, das Interesse des Arbeitgebers an Zwangsferien gegenüber dem Interesse der Arbeitnehmenden an Planbarkeit überwiegen solle.
Arbeitnehmerfreundliche Stimmen in der juristischen Lehre betonen hingegen, dass Zwangsferien auch in der jetzigen Lage nicht zulässig seien. Arbeitnehmende seien vor dem Ferienbezug anzuhören und hätten wie gehabt einen Anspruch auf mindestens drei Monate Vorlaufzeit zwecks Planung ihrer Ferien. Zudem müssten Ferien mit der individuellen Familiensituation vereinbar sein, sonst dürften die Ferien nicht dem Feriensaldo des Arbeitnehmenden belastet werden.

Ein Arbeitgeber, der umgehend Zwangsferien anordnet, geht also das klare Risiko ein, die Ferien doppelt den Arbeitnehmenden gewähren zu müssen, da eine unzulässige Ferienanordnung den Arbeitnehmenden nicht vom Feriensaldo abgezogen werden darf. Faktisch kann der Arbeitnehmende also die Ferien nochmals beziehen und der Arbeitgeber muss doppelt Ferien gewähren bzw. Ferienlohn bezahlen.

Hierzu ist folgende praktische Bemerkung anzubringen: Das Reisen bzw. das Verbringen der Ferien im Ausland sind derzeit und in der näheren Zukunft ohnehin eingeschränkt bis unmöglich. So haben bereits viele Länder Einreisebeschränkungen bzw. Quarantänebestimmungen für Schweizer eingeführt. Weitere werden folgen. Es ist davon auszugehen, dass fast alle Personen in der Schweiz ihre Ferienpläne massiv umstellen müssen. Mithin werden sich Arbeitgeber und Arbeitnehmende bezüglich der Ferienplanung nochmals zusammensetzen und die gesamte Ferienplanung der Praxis einvernehmlich neu bestimmen müssen. Ein Zwang zu unbezahltem Urlaub ist nicht zulässig.

Die mittelfristige Umlegung der Betriebsferien dürfte nun, vor allem im gegenseitigen Einvernehmen mit den Arbeitnehmenden, ein sehr prüfenswerter Punkt sein. Es kann durchaus sein, dass nach dem Stillstand der Schweizer Wirtschaft Betriebsferien im Sommer oder an den Festtagen nun (rechtskonform) werden umgeplant werden müssen.

Pflicht des Arbeitgebers bezüglich des Gesundheitsschutzes seiner Arbeitnehmenden
Die Pflicht des Arbeitgebers, die Arbeitnehmenden vor gesundheitlichen Risiken zu schützen, ist von zentraler Bedeutung. Sie beruht auf verschiedenen Rechtsgrundlagen. Dazu gehören Art. 328 Abs. 2 OR, Art. 82 UVG (Bundesgesetz über die Unfallversicherung) und Art. 6 ArG (Arbeitsgesetz) sowie die Verordnungen 3 und 4 zum Arbeitsgesetz.

Der Arbeitgeber hat die Pflicht, alle erforderlichen und zumutbaren Massnahmen zu treffen, um schädliche Einwirkungen des Arbeitsprozesses auf die Arbeitnehmenden zu verhindern. Er muss die betrieblichen Einrichtungen und die Arbeitsprozesse so gestalten, dass eine Gesundheitsgefährdung der Arbeitnehmenden vermieden werden kann.

Arbeitnehmende mit einem erhöhten Risiko bezüglich des Coronavirus, z.B. wegen bestehender Vorerkrankungen und/oder erhöhtem Alter, haben ein erhöhtes Schutzbedürfnis. Darauf muss der Arbeitgeber bei der Einsatzplanung Rücksicht nehmen. Hier gibt es z.B. die Möglichkeit, solche Arbeitnehmende eher im Hintergrund einzusetzen, etwa in Steri oder Administration. Der Bundesrat hat in der COVID-19-Verordnung 2 formell einen massiven Eingriff ins Arbeitsrecht vorgenommen. Offen ist, ob der Bundesrat dies durch Verordnung einfach so tun durfte. Andererseits dürften sich die inhaltlichen Regelungen der COVID-19-Verordnung 2 auch bereits direkt aus Art. 328 OR ergeben.

Art. 10c «Pflichten der Arbeitgber» der COVID-19-Verordnung 2 hat in der aktuellen Fassung vom 21. März 2020 den folgenden Wortlaut:
1 Arbeitgeber ermöglichen ihren besonders gefährdeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, ihre Arbeitsverpflichtungen von zu Hause aus zu erledigen. Sie treffen zu diesem Zweck die geeigneten organisatorischen und technischen Massnahmen.
2 Können Arbeitstätigkeiten aufgrund der Art der Tätigkeit oder mangels realisierbarer Massnahmen nur am üblichen Arbeitsort erbracht werden, so sind die Arbeitgeber verpflichtet, mit geeigneten organisatorischen und technischen Massnahmen die Einhaltung der Empfehlungen des Bundes betreffend Hygiene und sozialer Distanz sicherzustellen.
3 Ist es bei besonders gefährdeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach Artikel 10b Absatz 2 nicht möglich, im Rahmen der Absätze 1 und 2 ihre Arbeitsverpflichtungen zu erledigen, so werden sie vom Arbeitgeber unter Lohnfortzahlung beurlaubt.
4 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer machen ihre besondere Gefährdung durch eine persönliche Erklärung geltend. Der Arbeitgeber kann ein ärztliches Attest verlangen.

ArbeitswegGrundsätzlich ist der Arbeitsweg und dessen Bewältigung alleinige Sache des Arbeitnehmenden. Der Bundesrat hat aber betreffend den öffentlichen Verkehr am 13. März 2020 an die Arbeitgeber folgende Empfehlungen publiziert: «Arbeitgebende sollen ihre Mitarbeitenden darauf hinweisen, möglichst nicht zu Stosszeiten im ÖV zu reisen; Arbeitgebende sollen die Arbeitszeiten ihrer Angestellten so flexibel wie möglich gestalten, damit sie Stosszeiten vermeiden können; wo möglich soll Homeoffice erlaubt und ermöglicht werden.». Diese Empfehlungen sind zwar überhaupt nicht rechtsverbindlich, doch könnten sie zu vermehrten Forderungen von Arbeitnehmenden betreffend Anpassungen der Arbeitszeiten in den Schweizer Unternehmen führen. Die hohe Homeoffice-Quote und die weitgehend leeren öffentlichen Transportmittel entschärfen diese Problematik in der Praxis natürlich.

Lohnfortzahlung und Grundsatz «ohne Arbeit kein Lohn»
Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass das Thema Lohnfortzahlung der Arbeitnehmenden eine grosse Bedeutung hat und noch haben wird.

Die Lohnfortzahlungspflicht bestimmt sich nach den Art. 324 und 324a OR. Teilweise sind Lohnfortzahlungspflichten des Arbeitgebers durch Krankentaggeldversicherungen abgelöst (was nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist).
Im Schweizer Arbeitsrecht gilt der Grundsatz «ohne Arbeit kein Lohn». Davon gibt es aber verschiedene Ausnahmen, wie u.a. den Annahmeverzug des Arbeitgebers, d.h. wenn Arbeit aus Gründen, die beim Arbeitgeber liegen, nicht geleistet werden kann. Auf Fragen des Kündigungsrechts und der Leistungspflicht von Taggeldversicherungen wird hier nicht eingegangen.

Nachfolgend ist eine Auflistung von möglichen Fällen zu finden, die aufzeigen, wann eine Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber geschuldet ist. Knackpunkt ist hierbei arbeitsrechtlich die Frage, inwieweit eine Arbeitsverhinderung dem Arbeitgeber oder dem Arbeitnehmenden anzurechnen ist, und inwieweit Ereignisse im Rahmen der Pandemie dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zuzurechnen sind. In der arbeitsrechtlichen Praxis wird das Betriebsrisiko des Arbeitgebers zwar eher weit gefasst. Beim Coronavirus ist die Lage aber dermassen aussergewöhnlich – rechtlich kommt auch erstmals in der Geschichte der Schweiz das Epidemiengesetz (EpG) zum Einsatz –, dass dieses nicht mehr pauschal dem Risikobereich, auch nicht dem erweiterten Risikobereich, des Arbeitgebers zugerechnet werden kann. Gemäss den Aussagen des SECO ist das Coronavirus nicht als Teil des allgemeinen Betriebsrisikos des Arbeitgebers anzusehen.

Hier sind einige mögliche Konstellationen aus der arbeitsrechtlichen Praxis:
– Arbeitnehmender erkrankt am Coronavirus und/oder wird gegebenenfalls in Quarantäne versetzt: Arbeitgeber schuldet den Lohn für eine beschränkte Zeit (Art. 324a OR bzw. Ablösung durch Krankentaggeldversicherung);
– Arbeitnehemender erkrankt in den Ferien am Coronavirus und ist nicht reisefähig: Arbeitgeber schuldet den Lohn für eine beschränkte Zeit (Art. 324a OR bzw. Ablösung durch Krankentaggeldversicherung). Etwas anderes gilt unter Umständen, wenn ein Arbeitnehmender trotz hinreichender und ihm bekannter Warnung vorsätzlich oder grobfahrlässig eine Ferienreise in ein stark gefährdetes Gebiet antritt. Unter diesen Gegebenheiten könnte allenfalls ein grobes Eigenverschulden des Arbeitnehmenden angenommen werden, womit die Lohnfortzahlungspflicht ganz wegfiele oder gekürzt würde (Art. 324a OR);
– Arbeitnehmender kann wegen Coronavirus nicht aus den Ferien zurückkehren, da das Gebiet abgesperrt ist oder die Grenzen geschlossen sind: Es gilt der Grundsatz ohne Arbeit kein Lohn, der Lohn ist nicht durch den Arbeitgeber geschuldet;
– Arbeitgeber kann wegen Coronavirus nicht aus den Ferien zurückkehren, sei es infolge Erkrankung oder Reisesperre und kann Betrieb nicht öffnen bzw. führen: Es liegt ein Annahmeverzug des Arbeitgebers nach Art. 324 OR vor, der Lohn ist geschuldet;
– Arbeitnehmender kommt aus Angst oder subjektiver Übervorsicht nicht zur Arbeit bzw. hat Angst vor Ansteckung mit dem Coronavirus: Es liegt hier eine Arbeitsverweigerung des Arbeitnehmenden vor, der Lohn ist nicht geschuldet;
– Wegen Einschränkungen im öffentlichen Verkehr ist der Arbeitsweg für den Arbeitnehmenden erschwert: Der Lohn ist nicht durch den Arbeitgeber geschuldet, der Arbeitnehmende muss auf andere Transportmittel ausweichen;
– Kinder des Arbeitnehmenden erkranken am Coronavirus und der Arbeitnehmende muss zur Kinderbetreuung zu Hause bleiben: Der Lohn ist, wie bei anderen Krankheitsfällen von Kindern, für eine beschränkte Zeit geschuldet (Art. 324a OR);
– Arbeitgeber schickt als Vorsichtsmassnahme einen Arbeitnehmenden nach Hause: Wenn der Arbeitnehmende nicht krank ist, ist der Lohn durch den Arbeitnehmer nach Art. 324 OR geschuldet. Ist der Arbeitnehmende krank, ist der Lohn für eine beschränkte Zeit geschuldet (Art. 324a OR bzw. Ablösung durch Krankentaggeldversicherung).
– Wegen der Schulschliessungen müssen Arbeitnehmende ihre Kinder ab dem 16. März 2020 überraschend zu Hause betreuen. Diese Konstellation ist in Art. 36 Arbeitsgesetz (ArG) nicht vorgesehen. Vom Alter der Kinder her definiert das Arbeitsgesetz als Familienpflichten nur die Erziehung von Kindern bis 15 Jahren (Art. 36 Abs. 1 ArG). Diese Bestimmung sieht vor, dass der Arbeitnehmende bei kranken Kindern bis zu drei Tage zu Hause bleiben kann. Anderseits ist der Arbeitnehmende aufgrund des Zivilgesetzbuchs (ZGB) verpflichtet, sich um seine Kinder zu kümmern (gesetzliche Pflicht). Der Lohn des Arbeitnehmenden ist also bei Schulschliessungen, je nach Sichtweise, entweder gar nicht oder nur für eine sehr beschränkte Zeit geschuldet (bei Anwendung von Art. 324a OR) oder im Extremfall sogar für eine längere Zeit als nur drei oder fünf Tage geschuldet. Der Arbeitnehmende muss aber selber eine Betreuungslösung suchen. Hier wird also arbeitsrechtliches Neuland betreten. Es gibt aber zumindest einen Fall, wo das Arbeitsgericht Zürich (im Jahr 2010) gegen den Arbeitnehmenden entschieden hat und die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers bei der Betreuung von schulpflichtigen Kindern verweigerte. Da wir es mit der nationalen Schulschliessung ab dem 16. März 2020 mit einer historischen Lage zu tun haben, ist offen, wie Arbeitsgerichte darüber urteilen würden. Neu besteht auch die Möglichkeit, wegen der Kinderbetreuung staatliche Entschädigungen zu verlangen.

Schliessung des Unternehmens wegen Coronavirus
Bei der eines Betriebs aufgrund des Coronavirus kann keine einfache allgemeingültige kurze oder pauschale Antwort über die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers gegeben werden.

Hier geht es in arbeitsrechtlicher Hinsicht darum zu bestimmen, ob die Schliessung (noch) in die (erweiterte) Risikosphäre des Arbeitgebers gehört. Ein solcher Fall wäre gegeben, wenn die Schliessung z.B. auf eine gänzlich fehlende Coronavirus-Prävention des Arbeitgebers zurückzuführen ist bzw. auf sein klares Verschulden. Bei fehlender Prävention wäre der Lohn der Mitarbeitenden für die Schliessungszeit somit wohl geschuldet.

Anders sieht es jedoch aus, wenn von einem Fall der objektiven Unmöglichkeit (Art. 119 OR) ausgegangen wird bzw. von höherer Gewalt, welche nicht mehr der Risikosphäre des Arbeitgebers zugerechnet werden kann. Dann wäre bei einer Schliessung des Betriebs kein Lohn an die Mitarbeitenden geschuldet. Es gibt aber auch Stimmen in der Lehre, welche fordern, dass bei freiwilligen Betriebsschliessungen der Lohn an die Mitarbeitenden zu entrichten sei. Viele Betriebsschliessungen wurden aber durch den Bundesrat angeordnet. Dort dürfte die Rechtslage anders bzw. differenzierter zu beurteilen sein. Auch ist zu beachten, dass viele Betriebe auch indirekt wegen der Massnahmen des Bundesrates schliessen oder massiv herunterfahren mussten. Dies kann auch nicht pauschal dem Arbeitgeber zugerechnet werden.

Es ist also arbeitsrechtlich bis zu den ersten Gerichtsentscheiden noch offen, in welchen Situationen von Betriebsschliessungen der Arbeitgeber den Lohn schuldet. Diesen Risiken kann durch Kurzarbeit und/oder Stellenabbau durch ordentliche Kündigungen, wo keine arbeitsrechtliche Sperrfrist zur Anwendung kommt, begegnet werden. Das ist kurzfristig die beste wirtschaftliche Prävention.

Denn die Mühlen der Justiz mahlen langsam, es wird lange gehen, nämlich Jahre, bis die arbeitsrechtlichen Fragen zum Coronavirus durch das Bundesgericht entschieden sein werden. Da die Justiz den Gang nun auch verlangsamt hat, wird es noch länger gehen, bis entsprechende Gerichtsentscheide vorliegen werden. Die Rechtsunsicherheit bleibt also bestehen.

Schlussbemerkungen
Einige der arbeitsrechtlichen Fragen werden wohl vor Gericht bzw. am Schluss vom Bundesgericht geklärt werden müssen. Viele Probleme lassen sich aber einfach durch Kommunikation und Kooperation lösen. So werden auch Rechtsstreitigkeiten vermieden. Denn wirtschaftlich müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmende an einem Strang ziehen, um den finanziellen Schaden des Coronavirus zu minimieren.

Ein wesentlicher Punkt wird sein, inwiefern die arbeitsrechtlichen Ereignisse (noch) unter die normale arbeitsrechtliche Praxis subsumiert werden können. Oder ob nicht ein historischer Sonderfall vorliegt, der rechtlich auch neue Lösungen, etwa den Beizug von Grundsatznormen wie der objektiven Unmöglichkeit von Leistungen des Arbeitgebers, erfordert. Die ersten Prozesse werden, auch im Bereich des Arbeitsrechts, nicht lange auf sich warten lassen.

Selbstverständlich ist es möglich, dass Arbeitsgerichte auch zu anderen Schlussfolgerungen kommen bzw. es ist fast sicher, dass auch bei dieser Frage, wie in anderen arbeitsrechtlichen Aspekten, grössere Unterschiede zwischen den kantonalen Rechtsprechungen erfolgen können.

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